Berlin

Ausstellung will Leben in Geiselhaft simulieren

Der Container ist verrostet und verbreitet bereits von außen ein erdrückendes Gefühl. Die Wände sind großflächig mit Plakaten bedeckt. Sie zeigen die 133 Israelis, die sich seit über sechs Monaten in Geiselhaft der Hamas befinden. Wer von ihnen noch lebt, ist unklar. Die, die noch am Leben sind, werden höchstwahrscheinlich in Tunneln im Gazastreifen festgehalten.

Die Bedingungen, unter denen sie seit nun seit mehr als 200 Tagen leben müssen, versucht ein Container vor dem Gemeindehaus an der Fasanenstraße darzustellen. Drei Minuten dauert die Simulation. Eine dreckige Toilette, eine ranzige Matratze. Es gibt nur wenig bis gar kein Licht. Der Gang ist eng. Die Decken sind niedrig. Aufrecht stehen ist unmöglich. Die Türen sind verschlossen. Es erklingen Schüsse und Explosionen. Kinder weinen, Männer schreien »allahu akbar«.

Die Idee stammt von einem israelischen Künstlerkollektiv aus Genf. Der Container war bereits in Genf, Brüssel und Luxemburg zu sehen. Initiatoren der Ausstellung in Berlin sind die Jüdische Gemeinde und die israelische Botschaft.

Emotionale Kälte

»Wir haben die Verantwortung und die Pflicht, an das Schicksal der Geiseln zu erinnern«, teilt Anan Zen, Leiter der Pressestelle der israelischen Botschaft, der Jüdischen Allgemeinen mit. Je mehr Zeit vergehe, desto mehr gerate in Vergessenheit, dass der Krieg mit dem Angriff der Hamas begonnen hat. Die Ausstellung soll einen Eindruck von den Qualen, die die Geiseln durchleben, vermitteln. Zwar gebe es Fernseh- und Zeitungsberichte, »aber einen kurzen Moment in der Haut der Geiseln zu stecken, ist viel unmittelbarer«, berichtet Zen. »Wir erhoffen uns in erster Linie Mitgefühl für die Geiseln, aber auch Verständnis für Israels Situation«. Man wolle alles dafür tun, die Geiseln wieder nach Hause zu bringen. »Das sind wir den Geiseln und ihrer Familien schuldig.«

Steffi ist eine von vielen Ehrenamtlichen, die die Ausstellung betreut. Sie weist die Besucher ein, teilt ihnen mit, dass sie den Container jederzeit verlassen können. Sie müssten nur klopfen. Die Berlinerin berichtet von antisemitischen Anfeindungen vor dem 7. Oktober. »Mir wurde beispielsweise gesagt: Kannst froh sein, dass du ein Mädchen bist. Wenn du ein Junge wärst, hätten wir dich schon längst zusammengeschlagen« – nur weil sie offen als Jüdin auftritt.

Angebliche Feministinnen

Ihre Erfahrungen als Jüdin in Berlin habe sie in gewisser Weise auf die derzeitige Situation vorbereitet. Die Empathielosigkeit und die Kälte, die sie seit dem 7. Oktober erfährt, überraschen sie nicht. »Es ist einfach schlimm. Ich weiß nicht, was ich anderes dazu sagen soll.« Seitdem hat sie einige Freundschaften beenden müssen.

Ein Gast der Ausstellung berichtet ebenfalls von Gesprächen im Alltag. Viele würden über die Geiseln nicht mehr sprechen wollen. Falls doch, verweisen sie direkt auf das Leid der Palästinenser.

Videos aus aller Welt zeigen israelfeindliche Aktivisten, wie sie die Geiselplakate aus dem Stadtbild zu entfernen versuchen. Israelische Propaganda, sagen sie. Dass die Plakate beispielsweise Kfir Bibas zeigen, der seinen ersten Geburtstag in der Gefangenschaft der Hamas feiern musste, interessiert sie nicht. Angebliche Feministinnen leugnen die sexualisierte Gewalt der Hamas.

»Unbegründete Anschuldigungen«

Die Berliner Gruppe Alliance of International Feminist behauptet etwa, »Kolonialmächte« hätten immer schon »unbegründete Anschuldigungen sexualisierter Gewalt« genutzt, um »antikolonialen Widerstand« zu brechen, während sie selbst »systematisch sexualisierte Gewalt in jeder möglichen Form als Kriegswaffe nutzen«.

Ihretwegen müssen Überlebende ihre traumatischen Erfahrungen immer wieder mit der Öffentlichkeit teilen – in der Hoffnung, dass ihnen geglaubt wird. Denn die feministische Mindestforderung, allen Opfern zu glauben und sie zu unterstützen, gilt nicht für Jüdinnen und Israelinnen.

Der Container steht sinnbildlich für diese bittere Realität.

Parteien

Justiz prüft Äußerungen nach Neugründung von AfD-Jugend 

Nach einer Rede beim AfD-Jugendtreffen prüft die Staatsanwaltschaft Gießen mögliche Straftatbestände

von 
janet Ben Hassin  10.12.2025

Debatte

Merz, Trump und die Kritik an der Migration

Deutschlands Bundeskanzler reagiert auf die Vorwürfe des US-Präsidenten

von Jörg Blank  10.12.2025

Debatte

Wie umgehen mit Xavier Naidoo?

Der Sänger kehrt auf die großen Bühnen zurück. Ausverkaufte Hallen treffen auf Antisemitismus-Vorfälle, anhängige Verfahren und eine umstrittene Entschuldigung - und auf die Frage, wie man heute dazu steht

von Stefanie Järkel, Jonas-Erik Schmidt  10.12.2025

Initiative

Bayerns Landtag will Yad-Vashem-Bildungszentrum in Freistaat holen

Die Idee hatte die Ampel-Koalition von Olaf Scholz: Eine Außenstelle der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Deutschland. Der Bayerische Landtag hat sich nun für einen Standort im Freistaat ausgesprochen

von Barbara Just  10.12.2025

Paris/Brüssel

EU-Gaza-Hilfe: Französischer Politiker hat »große Bedenken«

Benjamin Haddad, Frankreichs Staatssekretär für Europafragen, hat die Europäische Kommission aufgefordert, ihre Zahlungen an NGOs, die im Gazastreifen operieren, besser zu überwachen

 10.12.2025

Aufarbeitung

Französische Entnazifizierungs-Dokumente erstmals online abrufbar

Neue Hinweise zu Leni Riefenstahl und Martin Heidegger in der NS-Zeit: Künftig können Forscher online auf französische Akten zugreifen. Experten erwarten neue Erkenntnisse

von Volker Hasenauer  10.12.2025

Deutschland

Wegen Antisemitismus und AfD: Schauspiellegende Armin Mueller-Stahl (95) denkt ans auswandern

Armin Mueller-Stahl spricht offen über seine Gelassenheit gegenüber dem Tod – und warum aktuelle Entwicklungen ihn dazu bringen, übers Auswandern nachzudenken

 10.12.2025

Justiz

Mutmaßlicher Entführer: Chef eines israelischen Sicherheitsunternehmens packt aus

Die Hintergründe

 10.12.2025

Fußball

Sorge vor Maccabi-Spiel in Stuttgart

Tausende Polizisten, Metalldetektoren beim Einlass, Sorge vor Gewalt: Warum der Besuch von Maccabi Tel Aviv in der Europa League beim VfB aufgrund der politischen Lage kein sportlicher Alltag ist.

 10.12.2025