Brüssel

»Antisemitismus mündet immer in die Tötung von Juden«

Suche nach Halt: Trauernde in Brüssel Foto: dpa

Die Mordtat von Brüssel hat in der jüdischen Welt für Entsetzen gesorgt. Dieter Graumann, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, sagte, man habe am Samstag mit ansehen müssen, »wie das Gespenst des Antisemitismus in Brüssel brutale Wirklichkeit wurde«.

Gleichzeitig erinnerte Graumann daran, dass der Zentralrat schon oft vor nicht ausreichender Sicherung jüdischer Einrichtungen in Nachbarländern gewarnt hatte. »Leider haben wir Recht behalten. Und bei einem Blick auf die Wahlergebnisse der Europawahl zum Beispiel in Frankreich, Ungarn oder Griechenland muss jedem Bürger klar sein: Die Fragen der Sicherheit jüdischen Lebens müssen viel ernster genommen werden, als es häufig der Fall ist.«

Barbarischer Akt Vertreter des belgischen Judentums zeigten sich geschockt. Maurice Sosnowski, Präsident des Dachverbands jüdischer Organisationen in Belgien, sagte: »Es herrscht große Bestürzung, weil wir Zeuge des ersten antijüdischen Attentats in Brüssel seit dem Zweiten Weltkrieg wurden.« Auch Julien Klener, Präsident des Consistoire Central Israélite de Belgique (CCIB), zeigte sich »mit Abscheu erfüllt«. Und Henri Gutman, Präsident des Centre Communautaire Laïc Juif (CCLJ), sprach von einem »barbarischen Akt«.

Joël Rubinfeld von der Ligue Belge Contre l’Antisémitisme (LBCA) erklärte: »So ein Anschlag musste ja leider geschehen, nachdem die Zahl antisemitischer Parolen wächst. Das ist das unvermeidbare Ergebnis eines Klimas des Hasses.«

toulouse Der Präsident des World Jewish Congress, Ronald S. Lauder, nannte die Tat einen »abscheulichen Akt des Terrors, der gegen Juden gerichtet war«. Die ganze jüdische Welt trauere um die unschuldigen Opfer. Lauder erinnerte auch an die Morde an einer jüdischen Schule im französischen Toulouse vor zwei Jahren.

Moshe Kantor, Präsident des European Jewish Congress (EJC), forderte ein härteres gesetzliches Vorgehen gegen Antisemitismus. Vor allem die Sicherheit jüdischer Einrichtungen müsse deutlich er- höht werden: »Der EJC hat seit zwei Jahren – seit den Morden an der jüdischen Schule in Toulouse – davor gewarnt, dass solche Taten immer wieder geschehen werden, wenn keine zusätzlichen Kräfte eingesetzt werden, um eine Sicherheit in unseren Gemeinschaften zu garantieren.« Kantor ordnete die Tat von Brüssel auch in das »Klima von Hass gegen jüdische Gemeinden« ein, das in Europa herrsche, ein. »Antisemitismus beginnt in der Öffentlichkeit, wird international legitimiert und wird sogar in den Parlamenten zur Normalität, aber er mündet immer in die Tötung von Juden.«

israel Auch Israels Premierminister Benjamin Netanjahu sprach von einem Zusammenhang zwischen dem Attentat und europäischem Antisemitismus. Der Mord sei »das Ergebnis der ständigen Hetze gegen Juden und ihren Staat«. In ähnlichen Worten nannte der israelische Außenminister Avigdor Lieberman den Terroranschlag« das Ergebnis »anti-israelischer und antisemitischer Hetze«.

Für das Internationale Auschwitz-Komitee erklärte dessen Exekutiv-Vizepräsident Christoph Heubner: »Während Europa wählt wird Europa hingerichtet: Nichts anderes bedeutet der Terroranschlag.« Heubner beklagte, dass es überwiegend jüdischen Organisationen überlassen bleibe, den Anschlag zu verurteilen. In der Presse sei teils von »Schießerei« die Rede gewesen, als handele es sich um »einen lästigen Bandenkrieg«. Oder es würde ein antisemitischer Hintergrund infrage gestellt, wo doch alles auf eine Tat verweise, die aus Judenhass gespeist sei. »Immer mehr ist diese distanzierende Zurückhaltung entlarvend und empörend: Was geht es uns an, wenn Institutionen des jüdischen Lebens und der jüdischen Geschichte überall in Europa permanent und tatsächlich tödlichen Bedrohungen ausgesetzt sind?«

solidarität Geschockt reagierten auch jüdische Museen in anderen europäischen Städten. Das Jüdische Museum Berlin sprach den Brüsseler Kollegen sofort sein Mitgefühl aus. »Mit ihnen sind wir seit vielen Jahren gemeinsamer Arbeit verbunden. Diese Gewalttat trifft nicht nur die Verstorbenen, ihre Familien und die Mitarbeiter des Museums, sondern alle Besucher, die sich für Geschichte und Kultur des Judentums interessieren.«

Das Jüdische Museum Rom entschloss sich zu einer besonderen Geste: Es verzichtete am Montag auf Eintritt und verlängerte die Öffnungszeiten bis Mitternacht. »Dies ist unsere Antwort auf den Anschlag«, erklärte Roms Gemeindepräsident Riccardo Pacifici«, »eine ›Weiße Nacht‹ gegen die Angst.«

Meinung

Die AfD schreckt vor nichts mehr zurück

Im Bundestag bagatellisiert die AfD sogar den Völkermord an bosnischen Muslimen 1995, um gegen Muslime in Deutschland zu hetzen

von Michael Thaidigsmann  11.07.2025

Berlin

AfD-Eklat im Bundestag bei Debatte über Völkermord

Der Bundestag unterbricht seine Haushaltsberatungen für eine Diskussion zum Gedenken an das Kriegsverbrechen in Srebrenica vor 30 Jahren. Bei AfD-Reden kommt es zum Skandal

 11.07.2025

Justiz

Berufung wegen antisemitischer Inhalte auf X zurückgewiesen

Das Landgericht hatte die Klage im Juni 2024 mit Verweis auf fehlende internationale Zuständigkeit abgewiesen

 11.07.2025

Ravensbrück

Familie von KZ-Überlebender erhält Ring zurück

Im Frühjahr war es demnach einer Freiwilligen gelungen, die Familie von Halina Kucharczyk ausfindig zu machen

 11.07.2025

Thüringen

Voigt für deutsch-israelisches Jugendwerk in Weimar

Er führe dazu Gespräche mit israelischen Partnern, die bereits Interesse an einer Ansiedlung in Thüringen signalisiert hätten

 11.07.2025

Washington D.C.

US-Behörde wartet auf Daten zu attackierten Iran-Atomanlagen

In welche Tiefen drangen die bunkerbrechenden Bomben in die iranischen Atomanlagen vor? Die für die Entwicklung der Bomben zuständige Behörde hat darauf noch keine Antwort

 11.07.2025

Sarajevo/Berlin

Rabbiner: Srebrenica-Gedenken in Deutschland besonders wichtig

8.000 Tote und eine Wunde, die nicht verheilt: Heute gedenkt die Welt der Opfer des Massakers von Srebrenica. Das liberale Judentum sieht eine gemeinsame Verantwortung - auch bei der deutschen Erinnerungskultur

 11.07.2025

Brüssel

EU baut Drohkulisse gegen Israel auf

Die EU will Israel zu einer besseren humanitären Versorgung der Menschen in Gaza drängen - und präsentiert das Inventar ihrer Daumenschrauben

 11.07.2025

Berlin

Mehr Verfahren wegen Antisemitismus eingeleitet

Die Berliner Staatsanwaltschaft bearbeitet Hunderte Fälle mit antisemitischem Hintergrund

 11.07.2025