Brasilien

Al-Qaida auf dem Platz

Vor kaum einem Weltereignis der letzten Jahrzehnte wurde so selten über eine drohende Terrorgefahr gesprochen wie vor der Fußball-WM in Brasilien. Wenn von möglichen Störungen, gar von Anschlägen, die Rede ist, sind meist militante Proteste gegen das Megaevent gemeint, die aus der Bevölkerung kommen.

»Erwartet das Unerwartete«, lautet die Parole, mit der brasilianische Sicherheitsexperten ihre Leute vor der WM instruieren. Geschätzte 600.000 Gäste aus aller Welt werden sich für vier Wochen im Land aufhalten, der Fokus der Weltöffentlichkeit liegt in dieser Zeit auf Städten wie Rio de Janeiro, Brasilia oder São Paulo.

präsenz 170.000 Uniformierte sollen Präsenz zeigen und für Sicherheit sorgen. Es sind Polizisten, aber auch etwa 20.000 Angestellte privater Sicherheitsfirmen, die im Einsatz sind. Der WM-Veranstalter, der Weltfußballverband FIFA, verlangt von den brasilianischen Behörden eine Rundum-Video-Überwachung aller öffentlichen Plätze. In allen zwölf WM-Austragungsstätten hat die brasilianische Luftwaffe Fliegerstaffeln in Bereitschaft, um Anschläge auf die Stadien nach Art des Al-Qaida-Anschlags auf das New Yorker World Trade Center 2001 zu verhindern. Es handelt sich um US-Flugzeuge des Typs F5, die vor und während der Spiele auf mögliche Einsätze warten.

Ein eigentlich schon veralteter und faktisch abgelehnter Gesetzentwurf – er kürzt sich PL499 ab – ist von der sozialdemokratischen Regierung wieder hervorgezaubert worden. Er sieht 30 Jahre Haft für Vergehen vor, die sehr unkonkret als »das Auslösen oder das Verbreiten von Terror und allgemeiner Panik« umschrieben werden. Dass sich dieses Gesetz gegen die Gefahr einer Terrorattacke richtet, vermuten nur wenige.

Es wird, sagen Kritiker, die größte innerbrasilianische Militäroperation in der Geschichte, und es herrscht der Eindruck vor, dass die enormen Anstrengungen in puncto innerer Sicherheit eher der Verdrängung der Menschen aus den Favelas, den Armenvierteln, dienen sollen. Und wenn es sich schon um Fußball handelt, dann um das, was in brasilianischen Zeitungen als »English Disease«, als englische Krankheit, bezeichnet wird: Hooliganismus und andere Formen von Fußballgewalt. Gegen 2377 britische Fußballfans wurden bereits Stadionverbote ausgesprochen.

Auch die Sicherheitstechnik, die Brasilien in Israel eingekauft hat – Drohnen zur Überwachung von Menschenmengen –, ist eher auf mögliche Fangewalt ausgerichtet und nicht auf geplante terroristische Anschläge.

gefahr Das überrascht, schließlich sind internationale Sportereignisse immer terrorgefährdet. Der erste größere Anschlag galt den Olympischen Sommerspielen 1972 in München, als arabische Terroristen das Olympische Dorf angriffen und alle elf israelischen Geiseln getötet wurden. Bei den Olympischen Spielen 1996 in Atlanta kam es zu einem Bombenattentat in einer von Touristen besuchten Zone, bei dem zwei Menschen getötet und 111 verletzt wurden. Der Haupttäter Eric Rudolph entstammte einer rechtsextremen Bewegung in den USA.

Bei der Fußball-WM 1998 in Frankreich verhinderten Sicherheitskräfte nur in letzter Minute ein spektakuläres Attentat. Eine zu Al-Qaida zählende Terrorbande namens Groupe Islamique Armé wollte beim WM-Eröffnungsspiel zwischen England und Tunesien den Platz stürmen; vor laufenden Kameras sollte der englische Nationaltorwart David Seaman erschossen werden. Auch die Topspieler Alan Shearer und David Beckham waren als potenzielle Anschlagsopfer namentlich benannt. Zeitgleich sollte ein anderer Teil der Terrorgruppe das Hotel der Nationalelf der USA, wo sich das Team das Spiel im Fernsehen anschauen wollte, stürmen. Belege für die zwei geplanten Terrorakte hat der britische Journalist Adam Robinson in seinem Buch Terror on the Pitch (2002) vorgelegt, auch der FAZ-Redakteur Jürg Altwegg schrieb in Ein Tor, in Gottes Namen (2006) darüber.

Anschläge waren ebenfalls für die WM 2002 in Japan und Südkorea geplant, wie Scheich Schalid Mohammed, ein in den USA verhafteter Hintermann der Anschläge vom 11. September 2001, zugab.

uganda Hinzu kommt noch eine weitere Terrorgefahr, der ein Weltereignis wie eine Fußball-WM ausgesetzt ist: Anschläge außerhalb Brasiliens. Konkrete Gefahrenhinweise gibt es aus Uganda. Dort hat die amerikanische Botschaft US-Staatsbürger davor gewarnt, öffentliche Fernsehübertragungen zu besuchen. Bei der WM vor vier Jahren in Südafrika hatte die Al-Qaida-Gruppe Al-Schahab aus Somalia durch einen Bombenanschlag während einer WM-Übertragung in einem Vorort von Kampala 76 Menschen getötet und viele Dutzende verletzt. Konkrete Terrorwarnungen für die nun anstehende WM werden außer aus Uganda auch aus Burundi und Äthiopien gemeldet.

Neuss

Auktion von Besitztümern von NS-Opfern

Im Fall der geplanten Auktion von Besitztümern von NS-Opfern hat sich die polnische Regierung eingeschaltet. Auch das Auschwitz-Komitee will die Versteigerung verhindern

 16.11.2025 Aktualisiert

Meinung

Mit Martin Hikel geht einer, der Tacheles redet

Der Neuköllner Bürgermeister will nicht erneut antreten, nachdem ihm die Parteilinke die Unterstützung entzogen hat. Eine fatale Nachricht für alle, die sich gegen Islamismus und Antisemitismus im Bezirk einsetzen

von Joshua Schultheis  16.11.2025

Berlin

Merz verspricht Schutz jüdischen Lebens in Deutschland

Bei der diesjährigen Verleihung des Preises für Verständigung und Toleranz im Jüdischen Museum Berlin an Amy Gutmann und David Zajfman gab Bundeskanzler Friedrich Merz ein klares Versprechen ab

 16.11.2025

Meinung

Die Ukrainer brauchen unsere Hilfe

Die Solidarität mit ukrainischen Geflüchteten in Deutschland nimmt ab. Aus einer jüdischen Perspektive bleibt es jedoch wichtig, auch weiterhin nicht von ihrer Seite abzuweichen

von Rabbinerin Rebecca Blady  16.11.2025

Berlin

Angriff auf Leiter deutsch-arabischer Schule in Neukölln

Al-Mashhadani gilt als Kritiker islamistischer Netzwerke und setzt sich für einen arabisch-israelischen Austausch ein

 15.11.2025

Debatte

»Hitler hatte eine unentdeckte genetische sexuelle Störung«

Eine neue britische Dokumentation über Adolf Hitler sorgt für Diskussionen: Kann die Analyse seiner DNA Aufschluss über die Persönlichkeit des Massenmörders geben?

 15.11.2025

Deutschland

Auschwitz-Komitee: Geplante Auktion ist schamlos 

Ein Neusser Auktionshaus will einen »Judenstern« und Briefe von KZ-Häftlingen und deren Angehörigen versteigern. Das internationale Auschwitz-Komitee reagiert

 15.11.2025

Debatte

Verbot durch US-Präsident Trump: Wie gefährlich ist die »Antifa-Ost« wirklich?

In einem ungewöhnlichen Schritt stuft die Trump-Regierung vier linksextreme Organisationen als Terrorgruppen ein - in Europa. Betroffen ist auch eine Gruppierung in Deutschland

von Luzia Geier  14.11.2025

Nahostkonflikt

Indonesien will 20.000 Soldaten für Gaza-Truppe bereitstellen

Der US-Plan für die Stabilisierung des Küstenstreifens sieht eine internationale Eingreiftruppe vor. Einige Staaten haben bereits Interesse bekundet

 14.11.2025