Rückblende

1989: Mauerfall und Zuwanderung

Zäsur: Mauerfall am 9. November 1989 Foto: dpa

Rückblende

1989: Mauerfall und Zuwanderung

Unsere Serie über die Geschichte der Juden in Deutschland nach 1945: Folge 44

von Michael Brenner  02.09.2013 17:01 Uhr

Der 9. November ist der Schicksalstag der Deutschen. 1918 riefen sie gleich zwei Mal die Republik aus, 1923 verteidigten sie sie gegen den österreichischen Gefreiten beim Münchner Putsch, 1938 zündeten sie im ganzen Reich die Synagogen an und 1989 stürmten sie die Berliner Mauer. Kein Wunder, dass in der Öffentlichkeit gelegentlich der Ruf zu hören war, dies sei der eigentliche Nationalfeiertag Deutschlands.

stagnation Für die Juden in Deutschland brachte der 9. November 1989 Konsequenzen mit sich, die vorher kaum jemand erahnen konnte. Die jüdische Gemeinschaft in der Bundesrepublik stagnierte damals bei einer Mitgliederzahl von unter 30.000, die Gemeinden in der DDR hatten weniger als 400 Mitglieder – Tendenz in beiden Staaten fallend. Hätte 1989 jemand vorausgesagt, in Deutschland würden 20 Jahre später etwa 200.000 Juden zu Hause sein, man hätte ihn schlichtweg für verrückt erklärt.

Mit dem Fall der Mauer und dem Zerfall der Sowjetunion hatten nun die über zwei Millionen Juden in der ehemaligen UdSSR die Möglichkeit, das Land zu verlasen. Über eine Million ging nach Israel, einige Hunderttausende nach Amerika. Doch nicht alle wollten ins zwar heilige, aber auch konfliktgebeutelte Land ziehen, und nicht alle konnten in die Goldene Medine, denn diese hatte gerade ihre Einwanderungsbestimmungen verschärft. Deutschland war wohl das einzige Land, das aufgrund seiner Geschichte nicht dichtmachen konnte, wenn Juden an seine Türen klopften. Der Bundestag war sich einig wie selten, als Ende 1990 über die jüdische Zuwanderung aus der Sowjetunion diskutiert wurde.

»Kontingentflüchtlinge« So kam im Laufe der nächsten beiden Jahrzehnte etwa eine Viertelmillion sogenannter »Kontingentflüchtlinge« nach Deutschland. Wie viele von ihnen im strengen halachischen Sinn Juden waren, ist nicht genau zu bestimmen. Doch auch wenn viele nichtjüdische Familienangehörige darunter waren, einige ihre jüdische Identität gefälscht hatten und manche sich weigerten, einer Gemeinde beizutreten – die Zahl der Mitglieder in den deutschen Gemeinden vervierfachte sich in kurzer Zeit.

In den GUS-Staaten war es nun plötzlich »in«, Jude zu sein, denn so konnte man ausreisen. Welche Ironie der Geschichte für Russland – aber auch für Deutschland. Das Land, in dem nach dem Zweiten Weltkrieg eigentlich keine Juden mehr leben sollten, wurde nach 1989 zu dem Staat mit der am schnellsten wachsenden jüdischen Bevölkerung in der Diaspora. Der Integrationsprozess war zwar auch für die »alten« Gemeindemitglieder nicht immer einfach, doch eines steht fest: Ohne diese Zuwanderung gäbe es heute nur noch wenige jüdische Gemeinden in Deutschland.

Nuklearprogramm

Atominspektoren der IAEA verlassen den Iran

Nach dem Krieg mit Israel setzt Teheran weiter auf Konfrontation mit der Internationalen Atomenergiebehörde

 05.07.2025

Extremismus

BSW-Chefin Wagenknecht will Brandmauer zur AfD einreißen 

Gespräche zwischen BSW und AfD? Landespolitiker in Thüringen haben es vorgemacht. Selbstverständlich sei das auch auf Bundesebene möglich, sagen beide Seiten

von Torsten Holtz  04.07.2025

Medien

Eurovision künftig ohne Israel?

Die Regierung droht mit der Schließung des öffentlich-rechtlichen Senders Kan. Das könnte das Aus für die Teilnahme am weltgrößten Gesangswettbewerb sein

von Sabine Brandes  04.07.2025

Berlin

Russland steuert Hetzkampagne gegen Nicholas Potter

Das Propaganda-Portal »Red« ist Treiber der Diffamierungskampagne gegen den Journalisten. Das Auswärtige Amt ist sich nun sicher, dass Russland hinter dem Portal steht

 04.07.2025

USA

Edan Alexander bedankt sich bei Donald Trump

Die freigelassene Geisel Edan Alexander trifft erstmals US-Präsident Trump. Um sich zu bedanken und auch, um darauf zu drängen, alle verbleibenden Geiseln so schnell wie möglich nach Hause zu holen

 04.07.2025

Rassistischer Polizist bleibt im Dienst

Gericht »nicht auf rechtem Auge blind«

Der Verwaltungsgerichtshof München steht in der Kritik, weil er einen ehemaligen Personenschützer von Charlotte Knobloch im Dienst belassen hat - obwohl dieser Juden in KZs wünschte. Jetzt wehrt sich das Gericht

 04.07.2025 Aktualisiert

Berlin

Wie viel Migration verträgt das Klassenzimmer – und sind Grenzen nötig?

Bundesbildungsministerin Prien hält eine Obergrenze für Schüler mit Migrationshintergrund für denkbar

 04.07.2025

Österreich

Hitler-Geburtsort Braunau benennt Straßennamen mit NS-Bezug um

Ausgerechnet in Adolf Hitlers Geburtsort gibt es bis dato nach Nationalsozialisten benannte Straßen. Das soll sich ändern - und trifft bei einigen Politikern auf Widerstand

 03.07.2025

Hamburg

Hamas-Anhänger tritt bei staatlich gefördertem Verein auf

Das Bündnis Islamischer Gemeinden in Norddeutschland wird durch das Programm »Demokratie leben« gefördert und lud einen Mann ein, der Sinwar als »Märtyrer« bezeichnet hat

 03.07.2025