Zeitschiene

1985: Theaterskandal in Frankfurt

Friedman und Bubis bei der Uraufführung Foto: dpa

Zeitschiene

1985: Theaterskandal in Frankfurt

Unsere Serie über die Geschichte der Juden in Deutschland nach 1945: Folge 40

von Michael Brenner  05.08.2013 19:06 Uhr

Was antisemitisch ist, darüber wurde und wird regelmäßig heftig gestritten. Selten aber mit einer derartigen Vehemenz wie im Herbst 1985, als der neue Intendant des Frankfurter Schauspielhauses, Günther Rühle, das Theaterstück Der Müll, die Stadt und der Tod von Rainer Werner Fassbinder wieder ins Programm nahm, nachdem es im Jahr vorher aufgrund des Protests der jüdischen Gemeinde abgesetzt worden war. Das Drama traf mehrere Nerven auf einmal. Ganz allgemein musste man sich fragen, ob ein Stück, dessen negativer Protagonist einfach »der reiche Jude« hieß, in Deutschland 40 Jahre nach der Schoa aufgeführt werden könne und solle.

Zudem fühlten sich die Frankfurter jüdischen Immobilienmakler als Sündenböcke für die allgemeine Wohnungsmisere angeprangert. Den Hintergrund hierfür bildete ein jahrelanger, wenn nicht jahrzehntelanger antijüdischer Grundton in den Diskussionen um Frankfurter Bauspekulationen. Das Ganze spielte sich in einer ohnehin schon aufgeladenen Atmosphäre ab, nachdem im Mai Bundeskanzler Kohl und US-Präsident Reagan den Soldatenfriedhof in Bitburg mit seinen Waffen-SS-Gräbern besucht hatten.

Vorwurf Diesmal stand der Gegner allerdings nicht im politisch konservativen, sondern im vermeintlich fortschrittlich linken Lager. Rainer Werner Fassbinder schien vielen über jeden Vorwurf des Antisemitismus erhaben. Nicht jedoch den Mitgliedern der Frankfurter jüdischen Gemeinde, die in der Figur des »reichen Juden« ihren Vorsitzenden, Ignatz Bubis, der selbst für Sanierungen im Westend verantwortlich gewesen war, zu erkennen glaubten.

Gemeinsam mit Bubis besetzten etwa 25 Gemeindemitglieder am Abend der geplanten Premiere, am 31. Oktober 1985, die Bühne, um gegen den »subventionierten Antisemitismus« zu protestieren. Im Publikum forderten andere, darunter der ehemalige Hausbesetzer Daniel Cohn-Bendit, ein Ende der Bühnenbesetzung und die Aufführung des Stückes. Dazu kam es nicht. Der Müll, die Stadt und der Tod wurde schließlich vom Spielplan genommen und bis 2009 an keinem deutschen Theater gespielt.

Für das jüdische Leben in der Bundesrepublik markierte diese Bühnenbesetzung einen entscheidenden Einschnitt. Erstmals verließen sich führende Repräsentanten jüdischen Lebens nicht auf die altbewährten diplomatischen Kanäle, um ihren Protest zu signalisieren, sondern traten im Rampenlicht der Öffentlichkeit auf, um ihre Frustration kundzutun. Diese Art der öffentlichen Debatte, die sich bereits in Bitburg angedeutet hatte, sollte sich während der 90er-Jahre wiederholen. Da war Ignatz Bubis Präsident des Zentralrats geworden, Fassbinders »reicher Jude« aber weitgehend in Vergessenheit geraten.

Bundestag

Zentralrat verteidigt Weimers Gedenkstättenkonzept

Der Ausschuss für Kultur und Medien hörte Experten zu der Frage an, ob über den Holocaust hinaus auch andere Verbrechen Teil der deutschen Erinnerungskultur sein sollen

 19.12.2025

Frankreich

Drei Jahre Haft für antisemitisches Kindermädchen

Ein französisches Gericht hat eine Algerierin zur einer Gefängnisstrafe verurteilt, weil sie einer jüdischen Familie Reinigungsmittel ins Essen, Trinken und die Kosmetika mischte

 19.12.2025

Berlin

Bericht über Missbrauch internationaler Hilfe durch Hamas im Bundestag vorgestellt

Olga Deutsch von der Organisation NGO Monitor sagt, während die Bundesregierung über Beiträge zum Wiederaufbau Gazas berate, sei es entscheidend, auf bestehende Risiken hinzuweisen

von Imanuel Marcus  19.12.2025

Meinung

Heute Juden, morgen Christen

»Judenhass führt konsequent zum Mord. Dafür darf es kein Alibi geben«, schreibt Rafael Seligmann

von Rafael Seligmann  19.12.2025

Faktencheck

Berichte über israelischen Pass Selenskyjs sind Fälschung

Ukrainische Behörden ermitteln wegen hochrangiger Korruption. Doch unter diesen Fakten mischen sich Fälschungen: So ist erfunden, dass bei einer Razzia ein israelischer Pass Selenskyjs gefunden wurde

 19.12.2025

Tel Aviv/Berlin

Israel unterzeichnet weiteren Vertrag mit Deutschland über Raketenabwehr

Es handelt sich um das größte Rüstungsgeschäft in der Geschichte des jüdischen Staates

 19.12.2025

Sydney/Canberra

Nach Terroranschlag von Bondi Beach: Australien plant nationalen Trauertag

Die Regierung kündigt zudem umfassende Maßnahmen an. Dazu gehört eine landesweite Rückkaufaktion für Schusswaffen

 19.12.2025

New York

Antisemitische Äußerungen: Mitglied von Mamdanis Team tritt zurück

Die Tiraden von Catherine Almonte Da Costa sorgen für Entsetzen

 19.12.2025

Belgien

IS droht mit Anschlägen auf Synagogen und Kirchen

Die Hintergründe

 18.12.2025