Kommentar

Zeit für ein Machtwort, Herr Woidke!

Man kann es nicht anders sagen: In Brandenburg brennt die Hütte. Extremisten und Antisemiten gewinnen im politischen Raum an Einfluss.

Der Anfang der Woche vorgestellte Bericht des Landesverfassungsschutzes zeigt, wie dramatisch vor allem der Rechtsextremismus und die Gewaltbereitschaft am rechten Rand zugenommen haben. Fast die Hälfte der Mitglieder des brandenburgischen Landesverbands der AfD werden mittlerweile als rechtsextremistisch eingestuft. Darunter ist auch die Spitze der AfD-Fraktion im Landtag. Auch bei anderen Parteien und Gruppierungen am äußersten rechten Rand kann man sich über Zulauf nicht beklagen. Der Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz, Jörg Müller, sprach nun von einem »historischen Höchststand«.

Am anderen Ende des Spektrums sieht es ebenfalls düster aus. Die Zahl gewaltbereiter Linksextremisten ist zwar niedriger als die der Rechtsextremen. Sie ist aber auf stabil hohem Niveau. Hinzu kommt, dass die islamistische Szene nicht nur in den Großstädten aktiv ist, sondern selbst im ländlich geprägten Brandenburg an Boden gewinnt. Seit dem Hamas-Massaker in Israel am 7. Oktober 2023 habe es gerade in diesem Bereich eine enorme Mobilisierung gegeben, so der brandenburgische Verfassungsschutz in seinem jüngsten Jahresbericht. Der Judenhass sei bei den Islamisten »ein bestimmendes Element islamistischer Ideologie und Agitation«.

Argumente, endlich das neue Amt eines Antisemitismusbeauftragten des Landes zu besetzen, gibt es also reichlich. Denn in diesem Punkt ist Brandenburg, zusammen mit Bremen, trauriges Schlusslicht in der Bundesrepublik. Zwar gibt es in beiden Ländern in den jeweiligen Staatskanzleien angesiedelte Referatsleiter, die als Ansprechpartner fungieren. Unabhängige, von den Landesparlamenten bestellte Beauftragte, die sich ohne politische Rücksichtnahmen in der öffentlichen Debatte zu Wort melden können, gibt es in Brandenburg und Bremen aber nicht.

Dabei hat gerade Brandenburg den übrigen Bundesländern etwas voraus. Seit 2022 benennt die Landesverfassung das Eintreten gegen Judenhass als Staatsziel und damit als Auftrag der Politik. Der neue Artikel 7a der Verfassung sagt auch: »Das Land fördert das jüdische Leben und die jüdische Kultur.«

Demnächst wird die Neue Synagoge im Herzen Potsdams eingeweiht. Das ist ein schönes Zeichen, dass es der Landespolitik mit dem Leitmotiv der Verfassung durchaus ernst ist. Weniger schön ist aber, dass die »Kenia-Koalition« aus SPD, CDU und Grünen nicht willens oder in der Lage zu sein scheint, noch vor der Neuwahl des Landtags im September das Amt des Antisemitismusbeauftragten zu besetzen. Und das, obwohl eine geeignete Kandidatin, die auch das Vertrauen der jüdischen Gemeinden im Land genießt, dem Vernehmen nach längst gefunden ist.

Der gute Ruf Brandenburgs steht auf dem Spiel

Die von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) geführte Landesregierung hat die Sache an die Fraktionen im Landtag abgegeben, weil der neue Beauftragte dort angesiedelt sein wird. Das war, wie sich nun herausstellt, ein Fehler. Denn die Bennenung des Antisemitismusbeauftragten geriet so zu einer Hängepartie, das Amt wurde zur Manövriermasse für die Parteipolitik.

Es wäre an der Zeit, dass Woidke, der auch Mitglied des Parlaments ist und zudem SPD-Landesvorsitzender, endlich aufwacht und ein Machtwort spricht. Denn es brauchte sicherlich nicht des Verfassungsschutzberichts, um zu erkennen, wie gefährdet das jüdische Leben auch in seinem Bundesland ist. Die offenkundige Unfähigkeit der drei Koalitionsparteien zu handeln ist dem guten Ruf Brandenburgs nicht zuträglich.

Sicher, Antisemitismusbeauftragte sind kein Allheilmittel. Mit ihrer Einsetzung verschwindet der Judenhass nicht einfach. Im Gegenteil: Er wird manchmal nur noch sichtbarer. Antisemitismusbeauftragte sind aber für die jüdischen Gemeinschaften vor Ort wichtige Verbündete. Und sie können Impulse geben für den Rest der Gesellschaft. Vor allem aber sie sind ein Zeichen, dass die Politik es ernst meint mit dem Schutz jüdischen Lebens.

Ein solches Zeichen braucht es jetzt auch in Potsdam. Am besten noch vor der Wahl.

Kommentar

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