Michael Fürst

Wirklich grenzwertig, Herr Staatsanwalt?

Michael Fürst Foto: privat

Die Generalstaatsanwaltschaft Braunschweig praktiziert das Recht unter einer für das neue Deutschland wichtigen Adresse: Fritz-Bauer-Platz 1. Dessen Name ist engstens verbunden mit den Frankfurter Auschwitz-Prozessen, die ohne ihn – deutscher Jurist und Jude, zwölf Jahre Generalstaatsanwalt in Hessen – niemals stattgefunden hätten, aber in seine Zeit fällt auch die positive Neubewertung der Widerstandskämpfer des 20. Juli.

Die aktuelle Entscheidung der Staatsanwaltschaft Braunschweig, ein Volksverhetzungsverfahren gegen einen Rechtsextremisten einzustellen, ist sicherlich nicht ohne das Einvernehmen mit dem Generalstaatsanwalt in Braunschweig gefallen, aber ob der damalige Generalstaatsanwalt Fritz Bauer diese Entscheidung genehmigt hätte, ist mehr als fraglich.

wahlplakate Sie reiht sich nahtlos ein in die Beschlüsse des Amtsgerichts und des Landgerichts Hannover des vergangenen Jahres zu den Wahlplakaten der Partei »Die Rechte« im niedersächsischen Landtagswahlkampf mit der Aufschrift »Israel ist unser Unglück!«.

Es sind Begriffe der heutigen Rechtsextremisten, die von Judenpresse reden und Juden meinen.

Da kämpfte die Generalstaatsanwaltschaft Celle mit guten Gründen für eine Anklage wegen Volksverhetzung, denn die Gesetze für Beleidigung, Verleumdung und Volksverhetzung sind allemal ausreichend, dass selbst bei grenzwertigen Äußerungen Anklagen erhoben werden sollen, nein, müssen, damit ein Gericht eine Entscheidung treffen kann. Aber die Richter wollten nicht.

grenzen Sind Ausdrücke wie »Judenpresse«, »Feuer und Benzin für euch!«, geschleudert aus dem Mund eines Rechtsextremisten, etwa grenzwertig? Oder haben sie nicht vielmehr die Grenzen weit überschritten? Es sind Begriffe des »Stürmers«, jenes Naziorgans, mitverantwortlich für sechs Millionen ermordete Juden.

Es sind Begriffe der heutigen Rechtsextremisten, die von Judenpresse reden und Juden meinen. Hat die Staatsanwaltschaft vielleicht bei ihrer Entscheidung, das Verfahren einzustellen, auch über den Begriff »Holocaust« nachgedacht? Brandopfer! Wirklich grenzwertig, Herr Staatsanwalt?

Der Autor ist Vorsitzender des Landesverbands der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen sowie der Jüdischen Gemeinde Hannover.

Sigmount A. Königsberg

Mendel, Waters und »Der Spiegel«

Der Leiter der Bildungsstätte Anne Frank hat einem Musiker, der immer wieder mit antisemitischen Aussagen auffällt, einen Koscher-Stempel verpasst

von Sigmount A. Königsberg  23.03.2023

Nathalie Schomerus

Die Jüdischen Gemeinden müssen nachhaltiger werden

Auch die jüdische Gemeinschaft ist in der Pflicht, die Umweltverschmutzung zu bekämpfen

von Nathalia Schomerus  17.03.2023

Einspruch

Rechtsextreme als Schöffen verhindern

Doron Rubin plädiert dafür, die Verfassungstreue von Schöffen gesetzlich zu verankern

von Doron Rubin  17.03.2023

Lamya Kaddor

Tödlicher Antijudaismus

Die menschenverachtende und antisemitische Ideologie des Hamburg-Attentäters war bekannt. Hätte der Amoklauf verhindert werden können?

von Lamya Kaddor  14.03.2023

Ruben Gerczikow

Sportvereine: Kein Handschlag mit Nazis

Die Mär vom unpolitischen Sport muss endlich grundsätzlich hinterfragt werden

von Ruben Gerczikow  10.03.2023

Meinung

Die Hoffnung nicht verlieren

Unsere Redakteurin sorgt sich wegen der Justizreform um Israels Zukunft – und will gerade deshalb den Kontakt nicht abreißen lassen

von Ayala Goldmann  07.03.2023

Hajo Funke

Ein Mittel der Holocaust-Leugnung

Der Inhalt der gefälschten Hitler-Tagebücher wurde erst jetzt rekonstruiert und veröffentlicht – sie offenbaren einen Abgrund an Verzerrung, Geschichtsklitterung und Dreistigkeit

von Hajo Funke  03.03.2023

Aras-Nathan Keul

Symbol einer verfehlten Iran-Politik

Das Islamische Zentrum Hamburg ist laut Verfassungsschutz ein Außenposten der Islamischen Republik – und konnte sich dennoch auf der Leipziger Buchmesse für einen Stand anmelden

von Aras-Nathan Keul  03.03.2023

Meinung

Ethisch und moralisch am Ende

Die Reaktion von Rabbiner Walter Homolka auf das Urteil des Landgerichts Berlin lässt einmal mehr tief blicken

von Philipp Peyman Engel  01.03.2023