Meinung

Wer Antisemitismus sichtbar macht, wird mit Dreck beworfen

Sigmount A. Königsberg Foto: Gregor Zielke

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Wer Antisemitismus sichtbar macht, wird mit Dreck beworfen

Die »Diaspora Alliance« hat einen Bericht veröffentlicht, in dem die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus diffamiert wird. Wieder einmal erweist sich ein Diktum Kurt Tucholskys als richtig

von Sigmount A. Königsberg  12.06.2025 12:28 Uhr Aktualisiert

Als im Sommer 2014 in Deutschland skandiert wurde »Hamas, Hamas, Juden ins Gas«, da gab es keine Stelle, die Antisemitismus erfasste. Betroffene judenfeindlicher Beleidigungen oder Angriffe hatten keine Möglichkeiten, diese zu melden.

Aus dieser Situation heraus gründete sich die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (Rias), die parteiisch ist und sich an den Bedürfnissen und Wahrnehmungen der Betroffenen, ihrer Angehörigen oder der Zeugen orientiert. Viel zu oft mussten diese zuvor erleben, dass Antisemitismus-Erfahrungen relativiert, bagatellisiert oder gar geleugnet wurden.

Die Arbeit von Rias zeichnet sich durch eine niederschwellige Erfassung der Vorfälle sowie ihre transparente Dokumentation aus. Mit ihrem Kampf gegen Antisemitismus erweist die Meldestelle nicht nur den Juden einen Dienst, sondern der gesamten offenen, toleranten und demokratischen Gesellschaft. Wie schwer dieser Kampf ist, hat der vergangene Woche veröffentlichte Jahresbericht des Rias-Bundesverbands gezeigt, der einen traurigen Rekord von über 8.600 antisemitischen Vorfällen verzeichnete.

»Der israelbezogene Antisemitismus ist die Umwegkommunikation, mit der man seinen Judenhass in einer Form ausdrücken kann, die sozial akzeptiert wird.«

Doch die »Diaspora Alliance« hat derzeit offenbar nichts Besseres zu tun, als Rias zu diskreditieren. Der Verein veröffentlichte eine Studie des Journalisten Itay Mashiach, der, kurz zusammengefasst, Rias vorwirft, den israelbezogenen Antisemitismus überzubewerten und den der extremen Rechten zu vernachlässigen.

Fakt ist aber: Der israelbezogene Antisemitismus ist die Umwegkommunikation, mit der man seinen Judenhass in einer Form ausdrücken kann, die sozial akzeptiert wird. Ein Umstand, den viele Mitglieder der »Diaspora Alliance« – etwa Stefanie Schüler-Springorum oder Susan Neiman – allzu gerne leugnen.

Wieder einmal bestätigen sich Kurt Tucholskys Worte: »Im Übrigen gilt ja hier derjenige, der auf den Schmutz hinweist, für viel gefährlicher als der, der den Schmutz macht.« Man bewirft diejenigen mit Dreck, die Antisemitismus sichtbar machen, und exkulpiert gleichzeitig Judenhasser.

Der Autor ist Antisemitismusbeauftragter der Jüdischen Gemeinde zu Berlin.

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