Maram Stern

Urteil: Bühne frei für Roger Waters

Der Musiker darf nun doch in Frankfurt am Main auftreten, entschied ein Gericht. Die Begründung ist abenteuerlich

von Maram Stern  27.04.2023 09:16 Uhr

Maram Stern Foto: Marco Limberg

Der Musiker darf nun doch in Frankfurt am Main auftreten, entschied ein Gericht. Die Begründung ist abenteuerlich

von Maram Stern  27.04.2023 09:16 Uhr

Es war abzusehen, dass die mutige Entscheidung der Stadt Frankfurt, das geplante Konzert von Roger Waters in der Festhalle abzusagen, ein juristisches Nachspiel haben würde. Nicht abzusehen war jedoch, mit welch abenteuerlicher Begründung das Verwaltungsgericht das Auftrittsverbot verwerfen würde.

Waters habe einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf den Auftritt, argumentierten die Richter. Und das, obwohl auch sie anerkannten, dass sich der Künstler für seine Show »einer an die nationalsozialistische Herrschaft angelehnten Symbolik« bediene. Entscheidend sei jedoch allein, dass Waters mit seinem Auftritt nicht plane, NS-Verbrechen zu verherrlichen oder zu relativieren.

beeinträchtigung Die lapidare Schlussfolgerung: Eine »schwerwiegende Beeinträchtigung des Geltungs- und Achtungsanspruchs der in Deutschland lebenden Jüdinnen und Juden« lasse sich »nicht zweifelsfrei feststellen«, die Kunstfreiheit sei »schrankenlos«.

Die Kunstfreiheit erlaubt in Deutschland so ziemlich alles, auch Antisemitismus.

Diese Begründung klingt seltsam vertraut. Mit ähnlichen Worten wurden vergangenes Jahr auf der documenta in Kassel antisemitische Kunstwerke bagatellisiert oder gar gerechtfertigt. 1985 verhinderten Ignatz Bubis und seine Mitstreiter eine Aufführung von Rainer Werner Fassbinders antisemitisch angehauchtem Theaterstück Der Müll, die Stadt und der Tod.

kritik Sie ernteten damals viel Kritik, denn: Die Kunstfreiheit erlaubt in Deutschland so ziemlich alles, auch Antisemitismus. Mit anderen Worten: Die Messlatte liegt so hoch, dass man bequem darunter durchlaufen kann. Niemand darf also Waters verbieten, in Frankfurt, wo in der Pogromnacht 1938 Juden misshandelt wurden, ein Schwein mit Davidstern aufsteigen zu lassen. Es ist etwas faul in Deutschland.

Dieses Urteil darf nicht einfach hingenommen werden. Die Stadt sollte Beschwerde dagegen einlegen, und am 28. Mai sollten möglichst viele Frankfurter zur Festhalle kommen, um Flagge zu zeigen – so, wie Ignatz Bubis und andere es 1985 getan haben. Sie sollten es im Namen der Menschenwürde tun. Denn die ist tatsächlich schrankenlos.

Der Autor ist geschäftsführender Vizepräsident des Jüdischen Weltkongresses (WJC).

Reinhard Schramm

Die AfD und die »Niederlage« 1945

Die geschichtsrevisionistischen Ansichten der Partei sind eine Gefahr für unsere Demokratie

von Reinhard Schramm  02.06.2023

Toby Axelrod

Sorge um Evan Gershkovich

Der jüdisch-amerikanische Journalist sitzt seit über zwei Monaten in russischer Haft. Immer öfter sollen in Russland und weltweit mutige Journalisten zum Schweigen gebracht werden

von Toby Axelrod  02.06.2023

Daniel Killy

Es war Terror, keine »Schießerei«

Das Wort Schießerei taucht hierzulande medial bei fast jedem palästinensischen Terrorangriff gegen Israelis auf. Diese Art der verbalen Schuldumkehr ist unerträglich

von Daniel Killy  27.05.2023

Doron Rubin

Einspruch

Ein Grund zum Feiern

Doron Rubin ist davon überzeugt, dass unsere Verfassung der Garant für lebendiges Judentum in Deutschland ist

von Doron Rubin  25.05.2023

Meinung

Tora und Traktoren

Schawuot ist weniger bekannt als Pessach oder Sukkot. Dennoch sollte das Wochenfest seiner Bedeutung entsprechend gewürdigt werden

von Rabbiner Raphael Evers  25.05.2023

Meinung

Jewrovision: Die Bühne gehört den JuZes

Monatelang bereiten sich die Jugendlichen auf ihren Auftritt vor – das sollte im Mittelpunkt stehen

von Katrin Richter  25.05.2023

Michael Thaidigsmann

Beredtes Schweigen zu Israels Geburtstag

Das Verhältnis zwischen Deutschland und Israel ist, trotz »Staatsräson« und »Aussöhnung«, weiterhin kein einfaches

von Michael Thaidigsmann  18.05.2023

Daniel Killy

Null Punkte für Israel beim ESC

Mit allem scheinen sich Jury und Voter identifizieren zu können, nur nicht mit Israel – schade

von Daniel Killy  18.05.2023

Einspruch

Warum Adidas die Yeezys von Kanye West verramschen sollte

Marcel Reif hat eine Empfehlung zur Diskussion um Adidas, den Kanye-West-Skandal und die teuren Schuhe

von Marcel Reif  18.05.2023