Michael Thaidigsmann

Tiefstes Mitgefühl zum Tod eines Massenmörders?

Michael Thaidigsmann Foto: privat

Zur Außenpolitik gehören Höflichkeit und gute Manieren ebenso wie Heuchelei und scheinheiliges Agieren. Staatsmänner und Diplomaten müssen oft gute Miene zum bösen Spiel machen, den Anschein wahren. Sie müssen Dinge sagen, die nahe an der Unwahrheit sind, aber dennoch gewissen Mindestanforderungen in puncto Aufrichtigkeit genügen. Das internationale Parkett ist glatt. Aalglatt manchmal.

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Welche gravierenden Konsequenzen die Missachtung diplomatischer Usancen nach sich ziehen kann, lässt sich aktuell am Streit zwischen Spanien und Argentinien studieren.

Der argentinische Staatspräsident Javier Milei verweigerte bei einem Besuch in Madrid dem spanischen König Felipe die obligatorische Aufwartung und zog bei einer Veranstaltung vor 11.000 Rechtspopulisten über die Ehefrau des sozialistischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez vom Leder. Woraufhin Spaniens Botschafter aus Buenos Aires abgezogen wurde und die bilateralen Beziehungen zwischen Spanien und Argentinien auf den Gefrierpunkt fielen.

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Solche und ähnliche Verwicklungen dürften zahlreiche europäische Politiker im Kopf gehabt haben, als sie diese Woche der Islamischen Republik zum Unfalltod von Staatspräsident Ebrahim Raisi und Außenminister Hossein Amir-Abdollahian kondolierten. Die beiden waren am Sonntag bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben gekommen.

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»Mit stillem Gruß« tat Bundeskanzler Olaf Scholz seiner Kondolenzpflicht genüge. »Unser Beileid gilt der Regierung der Islamischen Republik Iran und den Familien der beim Absturz Getöteten«, schrieb er dem iranischen Interimspräsidenten Mohammad Mokhber.

Zu diesem Zeitpunkt hatten einige EU-Politiker schon kondoliert. Der Belgier Charles Michel, Präsident des Europäischen Rates, bekundete am Montagvormittag als Erster sein »aufrichtiges Beileid« und tat dies im Namen der Europäischen Union auf seinem persönlichen Account auf X.

Der Außenbeauftragte der Union und Vizepräsident der Europäischen Kommission, der spanische Sozialist Josep Borrell, der engen Kontakt zu Amir-Abdollahian gehalten und fast wöchentlich mit seinem iranischen Amtskollegen telefoniert hatte, schrieb in einer Erklärung: »Die Europäische Union bekundet ihr Beileid zum Tod des Präsidenten der Islamischen Republik Iran Ebrahim Raisi, des Außenministers Hussein Amir-Abdollahian und anderer iranischer Beamter, die am Sonntag bei dem tragischen Hubschrauberabsturz ums Leben gekommen sind. Die EU spricht den Familien aller Opfer und den betroffenen iranischen Bürgern ihr Mitgefühl aus.«

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Ungarns rechter Ministerpräsident Viktor Orbán kondolierte auf X gar dem »iranischen Volk« und sprach diesem sein »tiefstes Beileid zu dem tragischen Unfall« aus. »Unsere Gedanken und Gebete sind bei den Menschen in Iran.« Die Vereinten Nationen gingen noch einen Schritt weiter. Die Mitglieder des UN-Sicherheitsrates erhoben sich in New York zu einer Schweigeminute für die Toten, und Generalsekretär António Guterres ordnete sogar Trauerbeflaggung an UN-Vertretungen weltweit an.

Der vorzeitig aus dem Leben geschiedene iranische Präsident wurde so posthum von der westlichen Politik gewürdigt. Und das, obwohl Ebrahim Raisi weithin als islamistischer Hardliner galt und, was noch gewichtiger ist, sich in jungen Jahren als »Schlächter von Teheran« einen Namen machte. Ende der 80er Jahre hatte Raisi, damals Staatsanwalt, an vorderster Front dafür gesorgt, dass Tausende Regimegegner hingerichtet wurden. Stolz hatte er später beteuert, nur seine Pflicht getan zu haben. Reue? Fehlanzeige.

Das iranische Volk verfiel ob seines plötzlichen Ablebens denn auch keineswegs in kollektive Trauer. Im Gegenteil: Auf einigen Straßen wurden nach Bekanntwerden der Nachricht vom Absturz des Helikopters Freudenfeuerwerke abgebrannt.

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Dass die westlichen Staatenlenker trotz der Untaten Raisis dem Regime kondolierten, könnte man ja noch als diplomatische Geste durchgehen lassen, hätte man damit gewisse Zugeständnisse des Regimes »erkaufen« können, die im europäischen Interesse liegen. Doch in Bezug auf die Islamische Republik steht die EU mit leeren Händen da, aller diplomatischen Nettigkeiten zum Trotz.

Der Iran steht aktuell fest an der Seite Russlands, liefert dem Kreml Kampfdrohnen für den Krieg gegen die Ukraine. Und er umgeht dank der Mithilfe Chinas auch seine sanktionsbedingte Isolierung. Der Architekt des Ganzen: Ebrahim Raisi.

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Die Proteste der iranischen Bevölkerung gegen das Regime wurden wieder einmal niedergeknüppelt – Hunderte, wenn nicht Tausende mussten die staatliche Repressionswelle der letzten Jahre mit dem Leben bezahlen. Der Hauptverantwortliche: Ebrahim Raisi. Der deutsche Bundeskanzler, ein gewisser Olaf Scholz, fragte damals zu Recht an die Adresse Teherans gewandt: »Was sind Sie für eine Regierung, die auf die eigenen Bürgerinnen und Bürger schießt?«

Fast täglich werden seitdem im Iran Menschen von der Staatsmacht hingerichtet. Die Todeszellen des Landes sind voll. Auch zahlreiche europäische Staatsbürger, darunter zwei Deutsche und ein schwedischer EU-Diplomat, sitzen in iranischen Gefängnissen ein. Einen fairen Prozess bekommen sie dort nicht. Eher einen kurzen. Der Hauptverantwortliche: Ebrahim Raisi. Von Olaf Scholz hört man zu diesem Thema nicht viel.

Und dann wären da noch das iranische Atomprogramm, die Hetze des iranischen Regimes gegen Israel, seine Unterstützung für Hamas, Hisbollah und Co., und die destabilisierende Rolle, die die Islamische Republik weit über den Nahen und Mittleren Osten hinaus spielt. Vor kurzem hat das Oberlandesgericht Düsseldorf festgestellt, dass die Islamische Revolutionsgarde des Iran hinter einem versuchten Brandanschlag auf die Bochumer Synagoge steckt. Hat Olaf Scholz das schon vergessen?

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Das lateinische De mortuis nihil nisi bene (»Über Tote soll man nur Gutes sagen«) taugt jedenfalls nicht als Leitspruch für die europäische Außenpolitik. Der Satz kann nicht für Diktatoren, Massenmörder und Staatsterroristen gelten. Denn: Über bestimmte Verstorbene lässt sich einfach nichts Gutes sagen.

Als Anfang Mai 1945 der damalige irische Premierminister Éamon de Valera vom Tod Adolf Hitlers erfuhr, überbrachte er der deutschen Botschaft in Dublin sein Beileid. De Valera war ein umstrittener Politiker, ein Nazi war er nicht. Die westlichen Politiker, die jetzt dem Regime kondoliert haben, sind sicherlich auch keine Freunde des iranischen Regimes. Mit ihrer Geste der Anteilnahme zeigen sie aber, dass ihnen das Leid der Menschen im Iran herzlich egal ist.

Man kann das alles Realpolitik nennen, bitteschön. Aber wo sind die Ergebnisse dieser Außenpolitik? Wo sind die freigelassenen Gefangenen? Wo ist die Kehrtwende beim iranischen Atomprogramm? Warum liefert Teheran immer noch Waffen?

Die entscheidende Frage ist (wie immer in der Politik): Was hat die ganze Diplomatie gebracht? In Bezug auf Iran muss man leider ernüchtert feststellen: nicht viel.

Michael Roth

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