Meinung

Suspekte Neutralität

Ralf Balke Foto: Marco Limberg

Lektion gelernt, könnte man meinen. Vor mehr als zwei Wochen hatte die Tagesschau über einen mutmaßlichen israelischen Raketenangriff auf ein Krankenhaus in Gaza berichtet, bei dem mehrere hundert Menschen zu Tode gekommen seien – nur um kurz danach wieder zurückzurudern, weil man ungeprüft eine Meldung übernommen hatte, die ursprünglich aus dem Gesundheitsministerium der Hamas stammte, sich aber rasch als Propagandalüge herausstellen sollte.

Seither will man vorsichtiger sein. »Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Stellen der palästinensischen und der israelischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden«, heißt es beispielsweise im Liveblog von tagesschau.de zu den Geschehnissen in Israel, dem Westjordanland oder dem Gazastreifen.

Das ist sehr lobenswert. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser – diese alte Regel sollte selbstverständlich auch im Journalismus gelten. Faktenchecks können nie schaden. Doch dann liest man unter der Überschrift: »Neun israelische Soldaten bei Kämpfen getötet« folgendes: »Bei Kämpfen gegen die Hamas sind nach Angaben der israelischen Armee neun ihrer Soldaten im Gazastreifen getötet worden. Zwei Soldaten seien schwer verletzt worden. Damit erhöhte sich die Zahl der seit dem 7. Oktober getöteten israelischen Soldaten den Angaben zufolge auf 326. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen.«

Journalistische Sorgfalt kommt hier einer Äquidistanz gleich, die hochproblematisch ist. Zum einen existieren ganz reale 326 Gräber von Soldatinnen und Soldaten. Man kann sie sogar alle besuchen, die Zahl lässt sich also durchaus »unabhängig überprüfen«. Warum also dieser Zusatz? Zum anderen schwingt in dieser vermeintlichen Neutralität aber auch die Unterstellung mit, dass den Angaben der israelischen Armee zu ihren Gefallenen ebenso wenig zu trauen sei wie denen der Hamas – einer Terrororganisation, die zurecht von tagesschau.de und anderen Medien mittlerweile immer öfter auch als solche bezeichnet wird.

Offensichtlich will man einfach nur hyperneutral sein und so superkorrekt im Ausdruck wie möglich. Das ist nicht nur moralisch suspekt, weil als Resultat hier eine Demokratie mit einer Terrormiliz gleichstellt wird, sondern kippt das Ganze dann auch ins Absurde wie beim Instagram-Auftritt der Tagesschau. »Nach Angaben des israelischen Militärs hatten Terrorist:innen versucht, über Tunnel von der Küste aus in den Süden des Landes zu gelangen.«

Das wirft Fragen auf, liebe Tagesschau, und zwar: Wie genderfluid oder queer-feministisch sind die Mörderbanden der Hamas tatsächlich?

Der Autor ist Historiker und Publizist in Berlin.

Meinung

BSW und AfD: Zwei Ausprägungen desselben autoritären Denkens

Sahra Wagenknecht und ihre Partei nähern sich den Rechtsextremen immer weiter an. Spätestens jetzt ist klar: Am BSW gibt es nichts Progressives

von Igor Matviyets  09.07.2025

Meinung

»Demokratie leben« braucht eine Inventur

Die Idee hinter dem Förderprogramm des Bundes mag gut sein, die Umsetzung ist es nicht. Viel zu oft profitieren Extremisten und Israelhasser von den öffentlichen Geldern

von Lennart Pfahler  08.07.2025

Meinung

Die Kirche schafft sich ab

Jetzt soll ausgerechnet der Antizionismus helfen, den gesellschaftlichen Niedergang der Kirche zu stoppen

von Josias Terschüren  08.07.2025

Michael Roth

Warum Jean Asselborn nicht mehr mein Freund ist

Luxemburgs langjähriger Außenminister verbreitet bei Tilo Jung Verschwörungstheorien über Israel. Nun kündigt ihm ein sozialdemokratischer Weggefährte die Freundschaft

von Michael Roth  07.07.2025 Aktualisiert

Meinung

New York: Zohran Mamdani und der Clash der Generationen

Der Bürgermeisterkandidat der Demokraten wurde nicht zuletzt wegen seiner antizionistischen Haltung gewählt. Während er unter jungen jüdischen New Yorkern Unterstützer hat, stehen die älteren überwiegend fest an Israels Seite

von Hannes Stein  06.07.2025

Kommentar

Zürich sollte Francesca Albanese keine Bühne bieten

Die antisemitische UN-Sonderberichterstatterin tritt am Freitag in der Zürcher Zentralwäscherei auf - subventioniert durch die Steuerzahler der Stadt

von Ronny Siev  03.07.2025

Kommentar

Liebe statt Tod

Die israelische Armee kämpft für unsere Freiheit, auch die der verlorenen Seelen auf dem Glastonbury-Musikfestival, die den Tod israelischer Soldaten gefordert haben

von Frank Schmiechen  03.07.2025

Kommentar

Justiz: Im Zweifel für Antisemitismus?

Ein Verwaltungsgerichtsurteil lässt große Zweifel aufkommen, dass es alle mit der Bekämpfung von Antisemitismus unter Beamten ernst meinen

von Michael Thaidigsmann  02.07.2025

Meinung

Die Erforschung von Antisemitismus braucht Haltung und Strukturen

Damit die universitäre Wissenschaft effektiv zur Bekämpfung von Judenhass beitragen kann, muss sie zum einen schonungslos selbstkritisch sein und zum anderen nachhaltiger finanziert werden

von Lennard Schmidt, Marc Seul, Salome Richter  02.07.2025