Sie ist ein Vierteljahrhundert alt und kein bisschen leise: die Pride Parade von Tel Aviv. Vor einer Woche feierten wieder mehr als 150.000 Menschen an der Strandpromenade der Mittelmeer-Metropole unter dem Regenbogen – aufgedreht, laut, unübersehbar und voller Lebenslust. Und das zum 25. Mal.
Es gibt viele in Israel, die die Parade der LGBTQ-Gemeinschaft am liebsten nie wieder sehen oder hören würden. Ultraorthodoxe und rechtsextreme Abgeordnete haben sich wiederholt gegen die Parade in Jerusalem ausgesprochen und die in Tel Aviv als »Biester-Show« verunglimpft. Likud-Minister Amichai Chikli bezeichnete die Parade als »schändliche Vulgarität« und schrieb in den sozialen Medien: »Sexualität ist eine banale Angelegenheit.«
gesellschaft Er fände es schöner, so Chikli, wenn sie »gedämpft« sei. Leider verfehlte der Minister mit seinen Aussagen das Thema. Denn bei der Parade geht es nicht vorrangig darum, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre Sexualität präsentieren. Oberflächlich mag das so sein, doch in erster Linie geht es ums Sehen und Gesehenwerden – und zwar als gleichwertige Mitglieder der Gesellschaft.
Ich weiß nicht, ob Sarit Ahmed auf der Pride Parade dabei war. Aber einen Tag später war die junge drusische Frau tot. Mit mehreren Schüssen in den Oberkörper ermordet. Vermutlich von einem ihrer Brüder, die ihr mehrfach mit dem Tod gedroht hatten. Immer heimlich, still und leise. Ihr einziges Vergehen war ihre sexuelle Orientierung. Sarit war sieben Jahre jünger als die Pride Parade.
Ihr Tod hat viele Menschen in Israel erschüttert. Er macht gleichzeitig deutlich, dass die Pride Parade nicht nur – noch immer – ihre Berechtigung hat, sondern überlebenswichtig für viele Mitglieder der queeren Gemeinschaft ist. Denn das Motto ist nicht nur sehen und gesehen werden, sondern auch: leben und leben lassen. Gut, dass die Mehrheit in Israel das genauso sieht.
Die Autorin ist Israel-Korrespondentin der Jüdischen Allgemeinen und lebt in Tel Aviv.