Achim Doerfer

Plauen und die Ignoranz der Polizei

Achim Doerfer Foto: Mirko Plha

Ekelhafte Bilder: Nazis in uniformähnlichem Outfit marschieren durch Plauen. Wer als Opfer das Original noch kennt, hat das hoffentlich nicht gesehen. Die anderen werden es nicht schnell vergessen. Warum wurde dagegen nichts getan? Eine staatliche Reaktion, die vor Gericht nicht hält, ist für die Marschierer ein Sieg. Genauso dumm aber ist Wegschauen. Die SA-Wiedergänger sind schlau, wissen, wo die Grenzen sind und wie man sie verschiebt. Nun verbuchen sie einen Erfolg.

FÄHRTEN Auf die Frage eines Twitter-Nutzers zu einem Galgen, der gezeigt wurde, antwortete die Polizei: »Welche konkrete … Gruppe sehen Sie denn beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet?« Dabei ist klar, dass die Polizei die Frage selbst beantworten muss. Sollen wir à la »Bild«-Leserreporter auf Smartphone-Fotos setzen? Wohl kaum. Aber die kriminalistischen Fährten, zu schauen, ob etwas auf Galgen oder Bannern stand oder was gerufen wurde, wurden nicht verfolgt. Die Polizei wollte nichts sehen.

Die Frage, was auf Galgen oder Bannern stand, hat sich die Polizei nicht gestellt. Sie wollte nichts sehen.

Laut Polizei sind ja auch die identischen hellbraunen T-Shirts, getragen fast durchgängig zu schwarzen Hosen, keine durch das Versammlungsgesetz verbotene Kleidung. Sie begründet das mit einem Urteil des Bundegerichtshofs (BGH) vom Januar 2018, indem es um die Warnwesten der Wuppertaler »Scharia-Polizei« ging. Doch in diesem Urteil steht etwas anderes: Das Gesetz wurde nach den Erfahrungen mit SA-Aufmärschen geschaffen, und es komme darauf an, ob der Auftritt insgesamt einschüchtert, ob er zeigt, man wolle keinen freien Meinungsaustausch und sei notfalls gewaltbereit.

GLEICHSCHRITT Das trifft auf Plauen zu: Die Gesamtumstände waren neben Kleidung von Gleichschritt, martialischen Fahnen und nazimäßigen Trommeln geprägt. Sieht das nach freiem Meinungsaustausch aus? Und der Aufzug von 300 Rechtsradikalen soll weniger einschüchternd gewesen sein als der von elf Leuten, fünf davon in »handelsüblicher« (BGH) Warnweste, »räumlich verstreut« (BGH) in Wuppertal-Elberfeld? Deren Freispruch wurde nämlich vom BGH aufgehoben.

Wie hohl klingt dann der sächsische Innenminister, wenn er mitteilt, es würden »alle rechtsstaatlichen Spielräume genutzt, um rechtsradikale Aufmärsche zu erschweren«.

Der Autor ist Rechtsanwalt und im Vorstand der Jüdischen Gemeinde Göttingen.

Meinung

Die Siedlerfantasten in der israelischen Regierung

Ein Ex-Verteidigungsminister spricht von »ethnischer Säuberung« in Gaza. Premierminister Benjamin Netanjahu tut zu wenig, um den Vorwurf auszuräumen

von Joshua Schultheis  07.12.2024

Andreas Nachama

Gesine Schwan rechnet die Schoa gegen Israels Politik auf

Die SPD-Politikerin sollte die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit würdigen, doch ihre Rede geriet zur Anklage gegen Israel

von Rabbiner Andreas Nachama  07.12.2024

Chris Schinke

Die Universität Leipzig kuscht vor BDS-Anhängern

Die Absage eines Vortrags des Historikers Benny Morris legitimiert die Erpresserlogik israelfeindlicher Gruppen

von Chris Schinke  02.12.2024

Awi Blumenfeld

Staatstragende Zersetzung

Demokratisches Verständnis vortäuschen, um die Demokratie als Sprungbrett zu nutzen: das Beispiel Walter Rosenkranz

von Awi Blumenfeld  27.11.2024

Waffenstillstand

Echter Frieden herrscht erst, wenn die Hisbollah entwaffnet ist

Der Krieg ist vorerst gestoppt. Jetzt muss der iranische Einfluss im Libanon zurückgedrängt und die UN-Sicherheitsratsresolution 1701 umgesetzt werden

von Michael Thaidigsmann  27.11.2024

Meinung

Schluss mit dem Lamentieren - es ist Zeit zu handeln

Nach den Haftbefehlen gegen Netanjahu und Gallant reicht es nicht, den Lautstärkeregler hochzufahren. Konstruktive Vorschläge wären im Interesse Israels

von Michael Thaidigsmann  26.11.2024

Meinung

Wie rechtfertigt ihr euer Schweigen?

Am Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen erwähnen die meisten feministischen Organisationen die Jüdinnen in Hamas-Geiselhaft mit keinem Wort. Ein Kommentar von Sharon Adler

von Sharon Adler  25.11.2024

Meinung

Der Rubikon ist längst überschritten

Eine »globale Intifida« breitet sich auch im Westen aus. Es wäre an der Zeit, dass Regierungen klare rote Linien einziehen

von Jacques Abramowicz  25.11.2024

Meinung

Slowik muss sich an Golda Meir ein Vorbild nehmen

Die Polizeipräsidentin hat Juden zur Vorsicht vor arabischstämmigen Menschen gemahnt. Das ist das falsche Signal

von Sigmount A. Königsberg  25.11.2024