Ramona Ambs

PEN: Auch Schweigen ist eine Haltung

Ramona Ambs Foto: privat

Nach Michael Wuliger sind auch Ernst Piper und Julia Franck aus dem PEN Berlin ausgetreten. Andere, zu denen auch ich bis vor Kurzem gehörte, fragen sich, ob sie bleiben wollen. Die Gründe sind die gleichen, und es ist etwas, was mehrere, insbesondere jüdische Schriftsteller, im Verband aufwühlt.

Auf den Vorwurf, die Kulturszene schweige zu den Ereignissen in Israel, hat Deniz Yücel als Sprecher des PEN Berlin dem Deutschlandfunk gesagt, einen »Bekenntniszwang« gebe es nur in totalitären Regimen, nicht aber in Demokratien. Zur Demokratie oder zur Meinungsfreiheit gehöre auch das Recht, die Klappe zu halten. Das stimmt natürlich.

Wenn man selektiv die Klappe hält, dann zeugt das auch von einer politischen Haltung.

Aber wenn man selektiv die Klappe hält, dann zeugt das auch von einer politischen Haltung. Wenn PEN Berlin also die Verschiebung einer Preisverleihung an die palästinensische Schriftstellerin Adania Shibli für so wichtig hält, dass er daraus als Verband nahezu eine Verfolgung konstruiert und eine Soli-Lesung veranstaltet, dann dokumentiert das eine Haltung – die nachträglich noch absurder ist, wenn man weiß, dass die Autorin der »taz« juristisch verbieten wollte, ihr israelfeindliches Buch zu kritisieren. So viel zur Freiheit des Wortes. Die taz hat jetzt übrigens vor Gericht gewonnen.

Wenn PEN Berlin aus einer vorübergehenden Verhaftung des palästinensischen Schriftstellers Abu Toha in einem Kriegsgebiet eine X-Meldung teilt, aber keine einzige zu dem Massaker und der Geiselnahme durch die Hamas, dann dokumentiert das eine Haltung. Wenn er sich zu der Kriminalisierung der »Letzten Generation« äußert, dann dokumentiert er damit eine Haltung. Wenn Regula Venske von ihrem Amt als Generalsekretärin des internationalen PEN zurücktritt, weil sie die empathielosen und tendenziell antisemitischen Bekundungen des Verbandes nicht länger aushält und der Verband dazu die Klappe hält, dann dokumentiert er damit eine Haltung.

Was als Einzelteil verschmerzbar wäre, wird in der Summe dann doch schwer erträglich. Auch ein pluralistischer und vielfältiger Verband braucht einen Minimalkonsens – und der droht beim PEN Berlin gerade verloren zu gehen. Deshalb bin auch ich nun ausgetreten.

Die Autorin ist Schriftstellerin und Poesietherapeutin in Heidelberg.

Kommentar

Zeit für ein Machtwort, Herr Woidke!

Brandenburg hat immer noch keinen Antisemitismusbeauftragten - dabei ist der jüngste Verfassungsschutzbericht alarmierend

von Michael Thaidigsmann  03.05.2024

Meinung

Propaganda-Krieg vor Gericht

Wie Israel kriminalisiert und das Gesetz zur Waffe im politischen Kampf gegen den jüdischen Staat wird

von Rafael Seligmann  02.05.2024

Nils Kottmann

Steinmeier auf Kuschelkurs mit einem Terrorfreund

Der Bundespräsident untergräbt mit seiner Schmeichelei gegenüber Recep Tayyip Erdogan einmal mehr Deutschlands Staatsräson

von Nils Kottmann  26.04.2024

Michael Thaidigsmann

Die UNRWA-Prüfung hat keine Konsequenzen

Der Prüfbericht liegt vor, Berlin nimmt seine Förderung des Palästinenserhilfswerks wieder auf. Das könnte sich noch rächen

von Michael Thaidigsmann  25.04.2024

Kommentar

AfD in Talkshows: So jedenfalls nicht!

Die jüngsten Auftritte von AfD-Spitzenpolitikern in bekannten Talk-Formaten zeigen: Deutsche Medien haben im Umgang mit der Rechtsaußen-Partei noch viel zu lernen. Tiefpunkt war das Interview mit Maximilian Krah bei »Jung & Naiv«

von Joshua Schultheis  24.04.2024

Meinung

Erinnert euch an Ägypten

Die wenigsten ägyptischen Juden haben ihre Heimat aus religiöser Sehnsucht verlassen – sie wurden vertrieben

von Mascha Malburg  22.04.2024

Saba Farzan

Gezielte Aktionen gegen das iranische Regime werden weitergehen müssen

Warum Teheran nicht nur eine Gefahr für die Region, sondern auch für die Ukraine ist

von Saba Farzan  19.04.2024

Ralf Balke

Den Ball flach halten

Warum die israelische Antwort auf den iranischen Angriff vom vergangenen Wochenende eher verhalten ausgefallen ist

von Ralf Balke  19.04.2024

Franz Zobel

Die Betroffenen nicht im Stich lassen

Es braucht den langfristigen Ausbau der fachspezifischen Gewaltopferberatungsstellen

von Franz Zobel  17.04.2024