Die wenigsten Bezirksbürgermeister sind den Berlinern mit Namen und Gesicht bekannt. Martin Hikel von der SPD ist eine Ausnahme. Läuft der über zwei Meter große Mann durch die Neuköllner Sonnenallee, rufen ihm Jugendliche »Hey, Bürgermeister!« hinterher. Der 39-jährige Politiker hat Strahlkraft über Berlin hinaus. Nicht zuletzt, weil er Tacheles redet, wenn es um die Probleme Neuköllns geht: zunehmender öffentlicher Drogenkonsum, organisierte Kriminalität sogenannter Clans, grassierender Antisemitismus.
Betroffene islamistischer und judenfeindlicher Gewalt sehen in Hikel einen Verbündeten. Einer, der nicht schweigt zum Mordversuch an Hudhaifa Al-Mashhadani, Leiter der deutsch-arabischen Schule und aktiv im muslimisch-jüdischen Dialog. Einer, der öffentlich seine Solidarität zeigt, wenn es wieder einmal einen Brandanschlag auf die Programmschenke Bajszel gab, weil diese linkem Israelhass entgegentritt.
Hikel verkörpert den Typ zupackender Lokalpolitiker, von dem die SPD mehr und nicht weniger braucht.
Doch so beliebt Hikel bei den einen sein mag, nicht alle sehen in ihm den Richtigen für das Amt – selbst in seiner eigenen Partei nicht. Bei der Wahlversammlung der Neuköllner SPD warfen ihm insbesondere jüngere Sozialdemokraten vor, allzu medienwirksam gegen Clankriminalität vorzugehen und den Begriff »antimuslimischer Rassismus« nicht benutzen zu wollen. Mit eher schwachen 68,5 Prozent der Stimmen wurde er schließlich zum Spitzenkandidat für die Bürgermeisterwahl 2026 gekürt. Das sei zu wenig Rückenwind, beklagte Hikel, und lehnte die Wahl ab.
Den Schaden haben nun zunächst diejenigen Neuköllner, die gegen antisemitische Auswüchse im Bezirk vorgehen und dabei ihre körperliche Unversehrtheit riskieren. Doch auch für die SPD selbst ist es ein Desaster, wie die Parteilinke mit Hikel, einem Pragmatiker, umgegangen ist. Er steht für den Typ zupackender Lokalpolitiker, von dem die SPD mehr und nicht weniger braucht. Hoffentlich ist das auch den Genossen bewusst – wenn schon nicht in Neukölln, dann im Rest der Republik.
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