Boris Moshkovits

Mehr gelebte Willkommenskultur!

Eine Studie zu Religiosität unter Zuwanderern zeigt: Es mangelt an einer gemeinsamen Basis der Zusammengehörigkeit

von Boris Moshkovits  09.02.2021 13:04 Uhr

Boris Moshkovits Foto: Gregor Zielke

Eine Studie zu Religiosität unter Zuwanderern zeigt: Es mangelt an einer gemeinsamen Basis der Zusammengehörigkeit

von Boris Moshkovits  09.02.2021 13:04 Uhr

Wie religiös sind die Menschen in Deutschland? Mit dieser Frage beschäftigte sich die Konrad-Adenauer-Stiftung in ihrer Umfrage »Was eint die Einwanderungsgesellschaft?«. Heraus kam, dass Deutsche »ohne Wurzeln im Ausland« weniger religiöse Bindungen haben, sich öfter als »nicht-religiös« bezeichnen und weniger oft beten.

Im Umkehrschluss sagt die Studie, dass Menschen mit polnischem, russischem und türkischem Hintergrund in der Mehrheit ihre Werte mit ihrer Religion verbinden und Themen wie gleichgeschlechtlicher Ehe, Abtreibung und »Mischehen« kritisch gegenüberstehen.

ORIENTIERUNG Doch was bedeutet dies wirklich, was steht zwischen den Zeilen? Mangelt es vielleicht an einer Willkommenskultur in Deutschland und einer gemeinsamen Basis der Zusammengehörigkeit, da letztlich die Mehrheitsgesellschaft die zu lebenden Werte und Orientierung vorgibt?

Wie kommt es, dass wir uns bei der Kommunikation so einschneidender Beschränkungen unserer Grundrechte an christlichen Festen orientieren?

Dass vor allem türkischstämmige Befragte zu 82 Prozent angeben, »etwas« oder »sehr« religiös zu sein, stimmt nachdenklich. Die erste »Gastarbeiter-Zuwanderung« in den 60er-Jahren war geprägt von einer Trennung von Staat und Religion. Zeitgleich wurden in Deutschland Ehen von Katholiken und Protestanten noch als »Mischehen« geschmäht.

SÄKULARISIERUNG Die politische Landschaft hat sich seitdem gewandelt. In Deutschland nimmt in der Tat die Säkularisierung weiter Bevölkerungsteile zu, während dagegen in der Türkei Religion eine immer bedeutendere Rolle spielt. Dieses Phänomen spiegelt sich in der Zuwanderer-Community wider.

Auch die betrachteten Gruppen mit polnischen und russischen Wurzeln kommen aus Gesellschaften, die einen großen politischen Wandel erlebt haben: aus kommunistischen Tagen, in denen Religion staatlich geächtet war, über Zeiten des Umbruchs hin zu nun wieder konservativen und in Teilen undemokratischen Regierungen.

Sind wir als Gesellschaft befreit von religiösen Zwängen und Traditionen? Wohl kaum.

Die nationalistisch ausgerichteten Regierungen integrieren jetzt die Kirche und die religiösen Werte, um einen konservativen Wertekanon zu rechtfertigen. Sind wir in Deutschland darüber erhaben und als Gesellschaft befreit von religiösen Zwängen und Traditionen? Wohl kaum.

FESTE Zu Weihnachten gab es den »Lockdown light«, und spätestens zu Ostern soll der harte Lockdown fallen. Wie kommt es, dass wir uns bei der Kommunikation so einschneidender Beschränkungen unserer Grundrechte an christlichen Festen orientieren?

Bei aller Säkularisierung bleibt die Politik den alten Werten und Traditionen treu und setzt damit klare Zeichen für die Zuwanderungs-Community. Deutschland hat noch einen langen Weg vor sich – hin zur Einwanderungsgesellschaft mit einer gelebten Willkommenskultur, die uns eint.

Der Autor ist freier Berater und Unternehmer in Berlin und Mitglied der Jüdischen Gemeinde zu Berlin.

Kommentar

Bleibt stark, Emily, Romi und Doron!

Die drei jungen Frauen sind endlich in Israel. Emily Damari gab nach ihrer Freilassung ein Zeichen, das ihren Schmerz zeigt – aber viel mehr noch ihre Kraft

von Katrin Richter  19.01.2025

Meinung

Trump und Israel: Eine unbequeme Wahrheit

Der designierte 47. US-Präsident hat noch vor Amtsantritt mit seiner Nahostpolitik der maximalen Abschreckung und Härte mehr in Israel und Gaza erreicht als die Biden-Administration und die Europäer in den vergangenen 13 Monaten

von Philipp Peyman Engel  19.01.2025

Meinung

Verrat an Frauen und an der Mitmenschlichkeit

Wie viele Fälle sadistischer Gewalt müssen noch nachgewiesen werden, damit die Welt endlich Mitgefühl mit den Opfern des 7. Oktober zeigen kann?

von Sarah Maria Sander  19.01.2025

Kommentar

Warum bejubelt ihr den Terror, statt euch über Frieden zu freuen?

Ein Kommentar von JA-Chefredakteur Philipp Peyman Engel über die israelfeindlichen Demonstrationen in Berlin-Neukölln nach Verkündung der Gaza-Waffenruhe

von Philipp Peyman Engel  17.01.2025

Meinung

Die linke Tour der Alice Weidel

Mit ihren Aussagen zu Adolf Hitler im Gespräch mit Elon Musk hat die AfD-Chefin erneut ihre Inkompetenz bewiesen

von Michael Thaidigsmann  17.01.2025

Meinung

Ein Waffenstillstand ohne Sieger

Nicole Dreyfus wägt Chancen und Risiken des sich abzeichnenden Abkommens zwischen Israel und der Hamas ab

von Nicole Dreyfus  16.01.2025

Meinung

Gebt endlich ihre Tochter zurück!

Bei einem Geisel-Deal geht es nicht um Ideologien, sondern um einen einzigen Wert: den, unschuldiges Menschenleben zu schützen

von Sabine Brandes  16.01.2025

Meinung

Die Kürzung der Fördermittel für antizionistische Vereine ist richtig

Unterstützung für Menschenrechtsorganisationen darf nicht bedeuten, dass man am Ende Hass und Hetze unterstützt

von Olga Deutsch  16.01.2025

Meinung

98-mal Hoffnung

Melody Sucharewicz sieht die Hamas entschieden geschwächt und bangt mit ganz Israel um die Geiseln in Gaza

von Melody Sucharewicz  15.01.2025