Meinung

Marlene Engelhorn, die Gaza-Flotille und deutsche Schuldabwehr

Das Leben als Aktivistin im Internetzeitalter ist schwer. Die Schnelllebigkeit des Algorithmus, immer geringere Aufmerksamkeitsspannen, ein turbulentes Weltgeschehen. Und mittendrin Marlene Engelhorn: Buchautorin, Kämpferin für Gerechtigkeit und Nachfahrin Friedrich Engelhorns, dem Gründer des Chemiekonzerns BASF.

Die junge Frau setzt sich seit Jahren medienwirksam für eine stärkere Besteuerung von Superreichen ein und tingelte von Medienformat zu Medienformat mit dem Versprechen, von ihrem Erbe 25 Millionen Euro der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen.

Wie groß muss ihre Enttäuschung gewesen sein, als der Trubel um ihre Person überschattet wurde von den Ereignissen der Welt?

Doch zu Engelhorns Glück gibt es einen Zug, der seit Jahrtausenden am Rollen ist, auf den man immer zuverlässig aufspringen kann – der Antisemitismuszug. Heute muss man sich nur jenen Hamas-Apologeten anschließen, die Israelis und Juden weltweit verteufeln und jedes differenzierte Nachdenken über den Gazakrieg ablehnen, und schon ist einem neue Aufmerksamkeit gewiss.

Engelhorn missbraucht den Gedanken des »Nie wieder«, der wie kein anderer für die Schoa und die Erinnerung an diese steht.

Und so reist Marlene Engelhorn derzeit mit der »Freedom Flotilla Coalition« nach Gaza, weil sie »gegen Genozid, Apartheid und für ein freies Palästina ist«. Auf Instagram wirft sie voller Selbstgerechtigkeit der deutschen Regierung vor, ihr Versprechen des »Nie Wieder« nicht zu ehren und einen Genozid an den Palästinensern zu unterstützen. Einen Genozid, der nur keine Beachtung finde, weil die Opfer nicht »weiß und privilegiert« seien.

Mit Engelhorn schwingt sich ausgerechnet eine Person zur moralischen Instanz auf, deren Familie selbst an einem Völkermord verdient hat. Als Teil der IG Farben war die BASF an der Produktion von Zyklon B beteiligt, mit dem hunderttausende Juden vergast wurden. Dass sich die BASF-Erbin nun so auf den jüdischen Staat fixiert hat, folgt dem altbekannten Muster deutscher Schuldabwehr. 

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Engelhorn missbraucht den Gedanken des »Nie wieder«, der wie kein anderer für die Schoa und die Erinnerung an diese steht, für ihre eigene Agenda. Ihr geht es nicht in erster Linie um die Menschen, die vom Krieg in Nahost betroffen sind, oder um die richtigen Lehren aus dem Nationalsozialismus. Ihr geht es darum, wieder im Gespräch zu sein – und zumindest das hat Engelhorn erreicht.  

Die Autorin ist Rechtsreferendarin in Nordrhein-Westfalen und schreibt regelmäßig für EDA, das Magazin der Jüdischen Studierendenunion Deutschland (JSUD).

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