Sonia Simmenauer

Kunst ist essenziell

Sonia Simmenauer Foto: pr

Sonia Simmenauer

Kunst ist essenziell

Mehr noch als staatliche Hilfe brauchen wir eine Vision, wie es nach der Krise weitergehen soll

von Sonia Simmenauer  07.05.2020 08:33 Uhr

Wenn ich morgens aufwache, brauche ich Zeit, um mich zu erinnern, dass wir mittendrin in der Katastrophe sind: keine Konzerte mehr, ein Dutzend Mitarbeiter, eine Büromiete, laufende Kosten und kein Einkommen mehr. Nichts mehr.

Dennoch will sich keine Angst bei mir einstellen. Sorgen ja, aber Angst? Meine Großmutter, geflohen, versteckt, für immer emigriert, pflegte zu sagen: »Du willst nicht alles erleiden, was du ertragen könntest.« Das hilft mir gerade sehr, und ich bleibe dankbar.

SCHLEUDERGANG Würde morgen alles wieder losgehen, wäre es »nur« ein Albtraum gewesen. Bis Konzerte wieder stattfinden – und zwar solche, bei denen genügend Karten verkauft werden, um die Kosten zu tragen –, bis die Künstler anständig bezahlt werden – und in der Folge dann wir Agenten –, wird noch viel Zeit vergehen.

Fliegen dann die Flugzeuge? Gibt es dann noch Hotels? Und will noch jemand eine Konzertkarte kaufen? Die Krise hat uns kalt erwischt, mitten im Flug. Wie wird unsere schöne Musikwelt nach dem Schleudergang der höchsten Stufe aussehen? Total zerknittert! Wird man sie wieder glattbügeln können? Wollen wir sie überhaupt wieder so haben wie vorher?

Der Ruf nach dem Staat zeigt, dass wir offenbar schlechte Zeiten in unserem Plan nicht vorgesehen haben.

Nach sechs Wochen wächst auch bei den Künstlern, die zunächst noch entspannt warten konnten und das (erzwungene) Sabbatical bejubelten, das sie sich und ihren Nächsten schon seit Jahren versprachen, die reine existenzielle Sorge und vor allem die verrückte Angst, dass sie vielleicht nie mehr vor einem lebendigen Publikum spielen werden. Seit sie denken können, drehte sich alles darum, alles andere hintangestellt, und nun?

GELD Ja, es braucht jetzt unmittelbare Hilfe (sprich Hilfsgelder) für die Künstler und die Umgebung, die die Konzerte erst ermöglichen, aber noch dringender braucht es eine Vision, wie wir uns die Zukunft vorstellen wollen.

»Gib mir eine Chance, kauf dir ein Los!« Der Ruf nach dem Staat zeigt, dass wir offenbar schlechte Zeiten in unserem Plan nicht vorgesehen haben.

Der Staat ist keine abstrakte Person – wir zusammen bilden den Staat, und es liegt demnach auch an uns, dafür zu sorgen, dass Bildung, Kunst und Kultur als das behandelt werden, was sie sind: ein essenzieller Teil unserer täglichen Ernährung. Wichtig wie Wasser und Luft.

Die Autorin ist Inhaberin der Berliner Konzertagentur Impresariat Simmenauer.

Meinung

Die Columbia und der Antisemitismus

Ein neuer Bericht offenbart: An der US-Eliteuniversität sind die Nahoststudien ideologisch einseitig und jüdische Studenten nicht sicher. Es ist ein Befund, der ratlos macht

von Sarah Thalia Pines  22.12.2025

Meinung

Der Missbrauch von Anne Frank und die Liebe zu toten Juden

In einem Potsdamer Museum stellt der Maler Costantino Ciervo das jüdische Mädchen mit einer Kufiya dar. So wird aus einem Schoa-Opfer eine universelle Mahnfigur, die vor allem eines leisten soll: die moralische Anklage Israels

von Daniel Neumann  21.12.2025

Gastbeitrag

Liebe Kolleginnen und Kollegen, warum schweigt ihr?

Jan Grabowski fragt die deutschen Historiker, warum sie es unwidersprochen stehen lassen, wenn ein Holocaust-Experte für seine Forschungsarbeit diskreditiert wird

von Jan Grabowski  21.12.2025

Nahost

Warum Deutschland seine Botschaft nach Jerusalem verlegen sollte

Ein Kommentar von JA-Redakteur Imanuel Marcus

von Imanuel Marcus  21.12.2025

Essay

Chanukka und wenig Hoffnung

Das hoffnungsvolle Leuchten der Menorah steht vor dem düsteren Hintergrund der Judenverfolgung - auch heute wieder

von Leeor Engländer  21.12.2025

Meinung

Es gibt kein Weihnukka!

Ja, Juden und Christen wollen und sollen einander nahe sein. Aber bitte ohne sich gegenseitig zu vereinnahmen

von Avitall Gerstetter  20.12.2025

Meinung

Heute Juden, morgen Christen

Judenhass führt konsequent zum Mord. Dafür darf es kein Alibi geben

von Rafael Seligmann  19.12.2025

Meinung

Weitermachen oder die jüdische Resilienz

Verfolgung, Exil und Gewalt konnten es nicht brechen: Die Widerstandsfähigkeit des jüdischen Volkes prägt seine Geschichte bis heute

von Nicole Dreyfus  18.12.2025

Meinung

Unsere Antwort ist Leben!

Chanukka ist das beharrliche Bestehen darauf, dass Mord und Terror nicht das letzte Wort haben. Ein Kommentar zum Terroranschlag von Sydney

von Jan Feldmann  18.12.2025