Günter Jek

Kahlschlag der sozialen Infrastruktur

Günter Jek Foto: Gregor Matthias Zielke

Günter Jek

Kahlschlag der sozialen Infrastruktur

Die negativen Auswirkungen der geplanten Kürzungen zersetzen den gesellschaftlichen Zusammenhalt und stärken dadurch rechten Populismus

von Günter Jek  10.08.2023 09:22 Uhr

Das Miteinander der drei Ampel-Koalitionäre wird medial häufig als »knirschend« bezeichnet. Seltene Einigkeit herrscht dagegen beim Kahlschlag der sozialen Infrastruktur im aktuellen Haushaltsentwurf für das Jahr 2024.

Statt mit der Gartenschere geht der Regierungsentwurf mit der Kettensäge ans soziale Netz. Zwar dümpelt Deutschland im Index für digitale Wirtschaft und Gesellschaft der EU auf Platz 13, die Gelder für digitale Bürgerdienste werden trotzdem von 377 Millionen auf 3,3 Millionen Euro gesenkt.

rotstift Und wenn schon der Staat bei der Digitalisierung kapituliert, brauchen ja vulnerable Gruppen auch nicht mehr online zu gehen: Das Digitalisierungsprojekt der Wohlfahrtspflege, mit dem soziale Angebote für benachteiligte Menschen entwickelt und umgesetzt wurden, fällt komplett dem Rotstift zum Opfer. Während im Sommerloch die Pflichtdienstdebatte wiederbelebt wird, reduziert die Bundesregierung Freiwilligendienste in Kitas, Schulen, Sportvereinen, beim Naturschutz, in der Kultur oder in der Pflege um rund 24 Prozent.

Statt mit der Gartenschere geht der Regierungsentwurf mit der Kettensäge ans soziale Netz.

2022 sind 2,7 Millionen Menschen nach Deutschland zugewandert, darunter 1,2 Millionen Geflüchtete allein aus der Ukraine – die höchste Anzahl seit Beginn der statistischen Aufzeichnung im Jahr 1950. Statt, wie vom Bundeskanzler zugesagt, Aufnahme- und Hilfesysteme entsprechend zu stärken, sieht die Bundesregierung massive Kürzungen vor. Davon betroffen: psychosoziale Zentren, die durch Krieg und Folter besonders traumatisierte Geflüchtete betreuen, Empowerment-Projekte der Integrationsbeauftragten, die Unterstützung für Opfer von sexualisierter Gewalt und weitere besonders vulnerable Personen boten.

angebote Die Angebote der Migrationsberatung, als zentraler und themenübergreifender Anlaufstelle zur Unterstützung der Integration von zugewanderten Menschen, sollen um 30 Prozent reduziert werden. Abbau statt Aufbau.

Die mit dem Koalitionsvertrag neu eingeführte behördenunabhängige Asylverfahrensberatung wird gerade in der zweiten Jahreshälfte 2023 aufgebaut. Für die zwölf Monate des Jahres 2024 stellt die Bundesregierung jedoch die gleichen Finanzmittel bereit, wie im laufenden Jahr für sechs Monate, Abbau statt Aufbau. 

Ob bei der Digitalisierung, dem bürgerschaftlichen Engagement oder den Integrationsangeboten, es bleibt die schwache Hoffnung, dass der Bundestag, als Souverän über den Haushalt, dem Entwurf der Bundesregierung massiv entgegensteuert. Dessen negative Auswirkungen zersetzen den gesellschaftlichen Zusammenhalt und stärken dadurch rechten Populismus.

Der Autor ist Leiter des Berliner Büros der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden (ZWST).

Meinung

Embargo gegen Israel: Merz´ gefährliche Botschaft

Die Bundesregierung hat ein Exportverbot für Waffen an Israel verhängt und sendet damit fatale Signale: An Israel, an die Hamas und deren Unterstützer - und an die Juden in Deutschland

von Remko Leemhuis  22.08.2025

Meinung

Verbaute Perspektive

Minister Bezalel Smotrich hat Siedlungspläne genehmigt, die das Westjordanland teilen würden. Auch für Israelis ist das keine gute Nachricht

von Mascha Malburg  22.08.2025

Meinung

Israels Kräfte sind endlich

Der Rückzug aus Gaza 2005 führte zum Krieg gegen die Hamas. Rafael Seligmann fordert, den Konflikt endlich politisch zu lösen

von Rafael Seligmann  21.08.2025

Meinung

Für Juden in Frankreich ist das Spiel aus

Präsident Emmanuel Macrons antiisraelische Politik macht ihn zum Verbündeten der Islamisten und deren linken Mitläufern. Für Juden wird das Leben währenddessen immer unerträglicher

von Haïm Musicant  20.08.2025

Meinung

Diktatfrieden abgewendet?

Das Treffen zwischen Donald Trump, Wolodymyr Selenskyj und europäischen Spitzenpolitikern lief besser als erwartet. Doch es ist fraglich, wie lange die Erleichterung anhält

von Nils Kottmann  19.08.2025

Meinung

Rechtsextreme nicht gewähren lassen

Die AfD muss spüren: Wir sehen euch, wir widersprechen – und wir werden euch nicht gewähren lassen

von Tanya Yael Raab  15.08.2025

Einspruch

Wird Alaska das neue München?

Marieluise Beck warnt davor, dass die Verhandlungen zwischen Trump und Putin das Ende eines freien Europas einläuten könnten

von Marieluise Beck  13.08.2025

Debatte

Terrorist mit Presse-Weste

Anas al-Sharif war kein unschuldiger Journalist, sondern Terrorist der Hamas. Ein Kommentar von JA-Chefredakteur Philipp Peyman Engel

von Philipp Peyman Engel  12.08.2025

Debatte

Missbrauch der Sarajevo-Haggada für Hetze gegen Israel

Ein Kommentar von Rabbiner Pinchas Goldschmidt

von Rabbiner Pinchas Goldschmidt  11.08.2025