Sabine Brandes

Israel unterm Regenbogen

Sabine Brandes Foto: privat

Sabine Brandes

Israel unterm Regenbogen

Auch wenn die Pride Week manchen zu bunt, zu laut oder zu knapp bekleidet sein mag: bei LGBTQ-Rechten ist Israel Vorreiter

von Sabine Brandes  22.06.2021 12:56 Uhr

Israel wird oft als einzige Demokratie in Nahost bezeichnet. Gern von Israelis selbst. Während das faktisch korrekt ist, stört mich dieser Vergleich. Das Land hat es nicht nötig, sich mit Diktaturen der Region zu vergleichen, deren Anführer das Wort Menschenrechte nicht einmal in den Mund nehmen.

Das kann daran liegen, dass ich privilegiert bin und niemals irgendwo anders leben musste als in einem demokratischen Land. Trotzdem: Mir gefällt Start-up-Nation besser. Oder Vorreiter bei LGBTQ+-Rechten.

PLAKATE Das klingt so, wie es ist: bunt. Und farbenfroh mochte ich schon immer. Jetzt ist es sogar kunterbunt. Denn Tel Aviv feiert die Pride Week. Und zwar gehörig. Überall schimmern Regenbogen in der Sonne. Auf Plakaten der Supermarktkette am:pm gibt es derzeit keine Angebote aus der Tiefkühltruhe, sondern geht es heiß her: Zwei Männer küssen sich offen auf den Mund. Oder zwei Frauen. Mich hat es nie gestört, wer wen liebt. Privateres gibt es ja wohl nicht.

Ich erwarte von dem Staat, in dem ich lebe, dass dieses Recht geschützt wird und sich niemand verstecken muss.

Ich erwarte von dem Staat, in dem ich lebe, dass dieses Recht geschützt wird und sich niemand verstecken muss. Egal, wen er oder sie küsst. In der vergangenen Regierung aus rechten und religiösen Parteien gab es mit Amir Ohana einen schwulen Minister für öffentliche Sicherheit. Chef im Gesundheitsressort der neuen Einheitsregierung ist Nitzan Horowitz, auch er lebt offen homosexuell. LGBTQ+-Rechte sind in Israel weit fortgeschritten.

Heiraten dürfen Gays aber nicht. Allerdings ist das auch anderen untersagt, denn Eheschließungen werden vom ultraorthodoxen Rabbinat kontrolliert. In Tel Aviv können sich Homosexuelle, die zusammenleben, seit 2020 als »verheiratet« eintragen lassen – inklusive Steuervorteilen.

TOLERANZ Am Montag wehte zum ersten Mal die Regenbogenflagge vorm Außenministerium in Jerusalem. Außenminister Yair Lapid tweetete: »Das Außenministerium und seine Angestellten verkünden die Botschaft der Toleranz, Brüderlichkeit und Freiheit.« Mag sein, dass die Pride Week manchen zu bunt, zu laut oder zu knapp bekleidet ist. Ich aber lebe gern unterm Regenbogen – ob in Nahost oder sonstwo.

redaktion@juedische-allgemeine.de

Kommentar

Den Nachkommen der Schoa-Opfer kaltschnäuzig und nassforsch die Leviten gelesen

Ausgerechnet zum 60. Jubiläum der deutsch-israelischen Beziehungen kritisiert die ARD-Korrespondentin Sophie von der Tann die Kriegsführung in Gaza, und das auch noch, ohne die Hamas zu erwähnen

von Esther Schapira  16.05.2025

ESC

Kraftvolle Stimme der Resilienz

Yuval Raphael qualifiziert sich am Donnerstagabend in Basel für das Finale und bietet allen Buhrufern entschlossen die Stirn. Ein Kommentar

von Nicole Dreyfus  16.05.2025

Meinung

Neukölln stigmatisiert sich selbst

Heleen Gerritsen, künftige Leiterin der Deutschen Kinemathek, unterschrieb 2023 einen Boykottaufruf gegen Lars Henrik Gass. Jetzt liefert sie eine schräge Begründung nach

von Stefan Laurin  16.05.2025

Kommentar

Journalistisch falsch, menschlich widerlich

»News WG«, ein Format des Bayerischen Rundfunks, hat eine Umfrage darüber gestartet, ob man Yuval Raphael, eine Überlebende der Massaker des 7. Oktober, vom ESC ausschließen soll

von Johannes Boie  15.05.2025

Meinung

Jude gesucht für Strafantrag

Dass Staatsanwaltschaften selbst bei judenfeindlichen Hasskommentaren untätig bleiben, ist symptomatisch für den Kampf gegen Antisemitismus in Deutschland

von Alon David  14.05.2025

Meinung

Bruch von Weimer mit Roths Politik: Ein notwendiger Neuanfang

Selten haben so viele kultivierte Menschen einen Kulturstaatsminister so heftig kritisiert wie Wolfram Weimer. Dabei hat er innerhalb von wenigen Tagen gleich zwei wichtige Zeichen gesetzt

von Maria Ossowski  13.05.2025

Meinung

Die Linkspartei, ihr Bundesparteitag und der Abschied vom Eintreten gegen Judenhass

Wer sich als vorgeblich sozialistische Partei mit einer Bewegung solidarisiert, die Frauen steinigt, Homosexuelle verbrennt und den Judenmord als oberstes Ziel ihrer Bemühungen proklamiert, hat keine Ehre. Ein Kommentar von Andrej Hermlin

von Andrej Hermlin  13.05.2025 Aktualisiert

Nicole Dreyfus

Codewort: Heuchelei

Nemo fordert den Ausschluss Israels beim ESC in Basel. Damit schadet die Siegerperson des vergangenen Jahres der Schweiz und der eigenen Community

von Nicole Dreyfus  11.05.2025

Julia Bernstein

»Nichts ist mehr wie zuvor«: Wie junge jüdische Münchner den 7. Oktober erleben

»Jüdisch oder gar israelisch zu sein, ist heute in Deutschland eine äußerst politische Angelegenheit oder gar für manche eine Provokation«, schreibt unsere Autorin

von Julia Bernstein  09.05.2025