Anna Staroselski

Inszenierte Schuldentlastung

Die destruktive Abwehrhaltung gegen Kritik von Juden hat im Kunstbetrieb System

von Anna Staroselski  17.11.2022 09:09 Uhr

Anna Staroselski Foto: Gregor Zielke

Die destruktive Abwehrhaltung gegen Kritik von Juden hat im Kunstbetrieb System

von Anna Staroselski  17.11.2022 09:09 Uhr

Die destruktive Abwehrhaltung gegen Kritik von Juden hat im Kunstbetrieb System. Beim documenta-Skandal haben wir erlebt, wie jüdische Stimmen als überempfindliche Störenfriede abgetan und berechtigte Kritik als »Antisemitismuskeule« verunglimpft wurden. Ein ähnlicher Fall ereignete sich nun am Münchener Metropoltheater.

Nach Jochen Schölchs Inszenierung des Stückes Vögel von Wajdi Mouawad waren jüdische Studierende entsetzt über die darin bedienten antisemitischen Tropen: Ein Schoa-Überlebender raubt als israelischer Soldat ein palästinensisches Kind und erzieht es zum Juden um, womit das Narrativ des kulturellen Genozids an den Palästinensern bedient wird. Der Enkel fordert von seinem Großvater, nicht alles mit »seinem Scheiß-KZ« zu vergleichen – Schlussstrichforderung aus dem Mund eines Juden, wie entlastend.

jubelgeschrei Eine israelische Soldatin beschreibt, wie Juden sich mit »Jubelgeschrei und Heiterkeit« über tote Palästinenser freuen würden, und eine palästinensische Doktorandin behauptet im Gespräch mit ihrem jüdischen Freund: »Was dir zustößt, ist wichtiger, als was mir zustößt. Denn du bist ein Mann und ein Jude, und ich bin eine Frau und Araberin. Und was ist die erbärmliche Geschichte der Araber gegen die der Juden?«

Das deutsche Publikum wird in Vögel zur kollektiven Schuldentlastung eingeladen. Das wollten wir nicht unwidersprochen lassen! Anstatt aber die Kritik ernst zu nehmen und sich damit inhaltlich auseinanderzusetzen, warf der Intendant und Regisseur Schölch uns vor, mit einem »moralischen Fallbeil« den Ruf des Privattheaters beschädigen zu wollen.

Münchens ehemaliger Oberbürgermeister Christian Ude unterstellte uns, »ein Reizthema zum 9. November« bedienen zu wollen.

Münchens ehemaliger Oberbürgermeister Christian Ude unterstellte uns obendrein, »ein Reizthema zum 9. November« bedienen zu wollen. Über die Dämonisierung von Israel und Juden sowie die Schoa-Relativierungen im Stück wird bewusst hinweggesehen, die Betroffenheit der jüdischen Zuschauer wird ignoriert. Stattdessen werden auf perfide Art und Weise die jüdischen Studenten zu Aggressoren stilisiert. Willkommen im Kulturbetrieb Deutschlands.

Die Autorin ist Präsidentin der Jüdischen Studierendenunion Deutschland (JSUD).

Meinung

Reichsbürger als Fake Jews: eine makabere Strategie

Ausgerechnet die Rechtsextremisten wollen plötzlich Juden sein

von Julian Feldmann  26.09.2023

Oleg Shevchenko

Thüringen: Brücke statt Brandmauer

Die AfD wird gefährlich normalisiert, und demokratische Parteien geben ihr Rückendeckung

von Oleg Shevchenko  21.09.2023

Meinung

Die Aiwanger-Affäre bedeutet Grünes Licht für Antisemiten

Der Fall zeigt, dass Wählerstimmen und Koalitionen mehr zählen als das viel beschworene »Nie wieder!«

von Hanna Veiler  20.09.2023

Alexander Friedman

Putin und sein Hass auf Selenskyj

Der Kreml-Chef möchte die Ukraine als »Nazi-Staat« delegitimieren und setzt auf das probate Mittel Antisemitismus

von Alexander Friedman  14.09.2023

Menachem Z. Rosensaft

Hände weg von Yad Vashem!

Wenn es um die Holocaust-Gedenkstätte in Jerusalem geht, hat die Diaspora das Recht, ihre Stimme zu erheben

von Menachem Z. Rosensaft  14.09.2023

Einspruch

Serientäter Abbas

Ahmad Mansour beklagt, dass selbst »moderate« palästinensische Politiker maximal antisemitische Einstellungen vertreten

von Ahmad Mansour  14.09.2023

Günter Jek

Eine Bürgergeld-Erhöhung reicht nicht aus

Arbeits- und Sozialminister Heil will die Sozialleistung erhöhen – und erntet Kritik aus der Opposition und von Arbeitgeberverbänden

von Günter Jek  13.09.2023

Ahmad Mansour

Universitäten im Spannungsfeld von Meinungsfreiheit und Aktivismus

Fanatische, linksradikale Aktivisten teilen an Hochschulen die Welt zunehmend in »gut« und »böse« - eine Entwicklung, die jeden besorgen sollte

von Ahmad Mansour  08.09.2023

Peter Bollag

Schweizer Verfassung: Kein Grund zum Feiern

Die Schweiz soll einen zusätzlichen Feiertag bekommen – gut gemeint, aber nicht gut durchdacht

 07.09.2023