Sabine Brandes

Im Gepäck: Normalität

Sabine Brandes Foto: privat

Sabine Brandes

Im Gepäck: Normalität

Dass Normalität zwischen den gemäßigten Staaten in ganz Nahost irgendwann Alltag sein könnte, ist mit Bidens Besuch noch etwas näher gerückt

von Sabine Brandes  21.07.2022 11:39 Uhr

In der westlichen Welt ist »normal« alles andere als ein Lob. Wer will schon »Normalo« sein? Im Nahen Osten aber ist es die neue Lebenslust. Denn wer hätte noch vor wenigen Jahren gedacht, dass Israelis scharenweise in Dubai Urlaub machen? Dass Scheichs aus Golfnationen Selfies von der Tel Aviver Promenade posten? Dass jüdische und arabische Messebesucher in den Vereinigten Arabischen Emiraten gemeinsam über Technik fachsimpeln?

Seit Jahrzehnten war das Wort »Nahost« Synonym für Aufruhr, Unruhe und Krieg. Alles war negativ behaftet, kaum etwas normal. Auch heute ist mitnichten alles eitel Sonnenschein, doch der Besuch von US-Präsident Joe Biden in Israel hat die immense Bedeutung der Normalität untermauert.

annäherung Nicht nur betonte er mit Worten die Bedeutung der Annäherung, er setzte mit seinem Direktflug von Tel Aviv nach Riad ein Zeichen und schaffte Fakten. Leicht dürfte es ihm nicht gefallen sein. Schließlich hatte er versichert, Saudi-Arabien mit seinem heftig umstrittenen Kronprinzen Mohammed bin Salman nach der Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi als Paria behandeln zu wollen.

Seit Jahrzehnten war das Wort »Nahost« Synonym für Aufruhr, Unruhe und Krieg.

Die Energiekrise durch den russischen Krieg in der Ukraine wird bei dieser Entscheidung eine wichtige Rolle gespielt haben, doch das Ergebnis für Israel ist dasselbe: Es darf jetzt offen sagen, dass es mit Saudi-Arabien Frieden wünscht. Bald werden die geheimen Beziehungen, die es bereits gibt, nicht mehr geheim sein müssen.

wirtschaftsforum Die Gründung des Wirtschaftsforums »I2U2« während der Visite ist bedeutsam, die Jerusalem-Erklärung, dass der Iran niemals Atommacht sein darf, für Israels Überleben unabdingbar. Doch das, was das tägliche Leben von Israelis und allen Menschen in der Gegend unmittelbar bedingt, ist die Schaffung von Normalität.

Dass diese zwischen den gemäßigten Staaten in ganz Nahost irgendwann Alltag sein könnte, ist mit Bidens Besuch noch etwas näher gerückt. Normalität ist die Verheißung, die nicht nur verspricht, sondern lebt – und alle Normalos leben lässt.

Die Autorin ist Israel-Korrespondentin dieser Zeitung und lebt in Tel Aviv.

Kommentar

Wer Glaubenssymbole angreift, will Gläubige angreifen

Egal ob abgerissene Mesusot, beschmierte Moscheen oder verwüstete Kirchen: Politik und Religion werden zurzeit wieder zu einem hochexplosiven Gemisch. Dabei sollte man beides streng trennen

 29.12.2025

Meinung

Die Columbia und der Antisemitismus

Ein neuer Bericht offenbart: An der US-Eliteuniversität sind die Nahoststudien ideologisch einseitig und jüdische Studenten nicht sicher. Es ist ein Befund, der ratlos macht

von Sarah Thalia Pines  22.12.2025

Meinung

Der Missbrauch von Anne Frank und die Liebe zu toten Juden

In einem Potsdamer Museum stellt der Maler Costantino Ciervo das jüdische Mädchen mit einer Kufiya dar. So wird aus einem Schoa-Opfer eine universelle Mahnfigur, die vor allem eines leisten soll: die moralische Anklage Israels

von Daniel Neumann  21.12.2025

Gastbeitrag

Liebe Kolleginnen und Kollegen, warum schweigt ihr?

Jan Grabowski fragt die deutschen Historiker, warum sie es unwidersprochen stehen lassen, wenn ein Holocaust-Experte für seine Forschungsarbeit diskreditiert wird

von Jan Grabowski  21.12.2025

Nahost

Warum Deutschland seine Botschaft nach Jerusalem verlegen sollte

Ein Kommentar von JA-Redakteur Imanuel Marcus

von Imanuel Marcus  21.12.2025

Essay

Chanukka und wenig Hoffnung

Das hoffnungsvolle Leuchten der Menorah steht vor dem düsteren Hintergrund der Judenverfolgung - auch heute wieder

von Leeor Engländer  21.12.2025

Meinung

Es gibt kein Weihnukka!

Ja, Juden und Christen wollen und sollen einander nahe sein. Aber bitte ohne sich gegenseitig zu vereinnahmen

von Avitall Gerstetter  20.12.2025

Meinung

Heute Juden, morgen Christen

Judenhass führt konsequent zum Mord. Dafür darf es kein Alibi geben

von Rafael Seligmann  19.12.2025

Meinung

Weitermachen oder die jüdische Resilienz

Verfolgung, Exil und Gewalt konnten es nicht brechen: Die Widerstandsfähigkeit des jüdischen Volkes prägt seine Geschichte bis heute

von Nicole Dreyfus  18.12.2025