Der massive Anstieg antisemitischer Anfeindungen seit dem 7. Oktober ist alarmierend und hat zu einer spürbaren Verunsicherung innerhalb der jüdischen Gemeinden geführt. Obwohl die Zusammenarbeit mit der örtlichen Polizei Sicherheit bietet, bleiben alltägliche Wege ohne Schutz eine Herausforderung. In Arbeitsstätten, auf dem Campus, in Schulen und Sportvereinen sind Jüdinnen und Juden oft auf sich allein gestellt, was durch Erfahrungsberichte über verbale Angriffe, Bedrohungen und physische Gewalt deutlich wird.
Die Zivilgesellschaft wird in dieser Situation zu einem entscheidenden Akteur, um eine angstfreie Umgebung zu schaffen. Das Credo »Nie wieder ist jetzt« kann nur Realität werden, wenn die Zivilgesellschaft aktiv für die jüdische Gemeinschaft einsteht, solidarisch und ohne Abstriche. Die Reaktionen auf das Massaker am 7. Oktober haben gezeigt, wer wahre Freunde sind, die ohne Vorbehalte an der Seite von Jüdinnen und Juden stehen. Doch der Freundeskreis schrumpft täglich, und das »Aber« wird lauter.
Die jüdischen Gemeinden sind in hohem Maße beansprucht.
Die direkten Auswirkungen des Krieges in der Ukraine und in Israel sowie die Relativierung bis hin zu Leugnung des Terrors der Hamas auch in akademischen Kreisen beanspruchen die jüdischen Gemeinden in hohem Maße. Die emotionale Erschöpfung und Belastung der Mitglieder sind eine zunehmende Gefahr für zukünftiges Diaspora-Judentum. Die Stärkung des Zusammenhalts innerhalb der jüdischen Gemeinschaft ist jetzt entscheidend.
Der Gemeindetag bietet eine herausragende Gelegenheit, sich gegenseitig zu unterstützen und Kraft zu geben, um das lebendige und plurale Judentum zu bewahren. Ungeachtet der widrigen Umstände liegt es an uns, mit Entschlossenheit unser jüdisches Leben sowohl hier in Deutschland als auch in Israel zu schützen und aufrechtzuerhalten, denn: »Am Israel chai« ist jetzt und immer!
Die Autorin ist Vorsitzende des Landesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden von Niedersachsen.