Kommentar

Gaza: Das falsche Spiel der Vereinten Nationen

Für Francesca Albanese ist die Hamas eine legitime politische Kraft Foto: picture alliance / ipa-agency

Die Vereinten Nationen und ihre Unterorganisationen stehen zunehmend in der Kritik, wenn es um ihre Rolle und Aussagen im Nahostkonflikt geht. Während Israel seit dem Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 einen Verteidigungskrieg führt, wird das Land von Teilen der UN und ihrer Vertreter systematisch delegitimiert. Mehrere Beispiele zeigen, wie widersprüchlich und teilweise manipulativ die Argumentation der UN dabei wirkt.

In einem Interview erklärte die Sonderberichterstatterin des Menschenrechtsrates für die palästinensischen Gebiete, Francesca Albanese, die Hamas sei »eine politische Kraft, die in der demokratischsten aller Wahlen gewählt wurde« - auch wenn diese schon fast 20 Jahre zurückliegen.

Diese Darstellung hat jedoch einen entscheidenden Makel. Wenn die Hamas tatsächlich die demokratisch legitimierte Regierung Gazas sein soll, bedeutet dies im Umkehrschluss, dass ein vom Volk gewählter Akteur den Angriffskrieg am 7. Oktober begonnen hat, quasi mit Billigung der Wählerschaft. Israel befindet sich damit in einer Lage, die an Europas Kampf gegen das nationalsozialistische Deutschland erinnert: Ein mit demokratischen Mitteln an die Macht gekommenes brutales Regime überzieht die Nachbarn mit Krieg, und die Angegriffenen wehren sich.

Abgesehen davon blendet Albaneses Sichtweise komplett aus, dass die Hamas nach 2007 in einem brutalen Machtkampf die von der Fatah beherrschte Palästinensische Autonomiebehörde ausgeschaltet hat.

Opferzahlen und Zerstörung im Vergleich

Immer wieder wird Israel eine unverhältnismäßige Kriegsführung in Gaza vorgeworfen. Doch historische Vergleiche zeigen ein anderes Bild. Noch sind die genauen Zahlen nicht bekannt. Aber schon jetzt kann man festhalten: In kaum einem Krieg der letzten Jahrzehnte, bei der sich eine reguläre Armee in einem Häuserkampf einer Terrororganisation erwehren musste, weder in Mosul noch in Rakka im Krieg gegen den »Islamischen Staat« (ISIS), war das Verhältnis zwischen getöteten Kombattanten und Zivilisten so niedrig wie in Gaza.

Auch das Ausmaß der Zerstörung unterscheidet sich nicht von jenen Städten, die von der internationalen Koalitionen gegen ISIS schwer getroffen wurden. Der Unterschied ist nur, dass Israel auf sich allein gestellt ist.

Kampf um die Meinungshoheit

Regelmäßig verbreiten UN-Vertreter Behauptungen, die sich im Nachhinein als überzogen oder schlicht als falsch herausstellen. So behauptete Philippe Lazzarini, Chef des Hilfswerks UNRWA, im Mai 2025, innerhalb von 48 Stunden könnten »14.000 Kinder sterben«. Trotz der schlechten humanitären Lage im Gazastreifen war das eine abenteuerliche Behauptung.

Tom Fletcher, Leiter des UN-Amtes für humanitäre Angelegenheiten (OCHA), sagte im Juli, »6000 Lastwagen warten darauf, nach Gaza hineingelassen zu werden«. Auch das hielt einer Überprüfung nicht stand.

Doch darum ging es Lazzarini und Fletcher wahrscheinlich auch nicht. Ihre Aussagen rückten medienwirksam Israel in ein schlechtes Licht. Man könnte sie mit dem verständlichen Wunsch nach einer Verbesserung der Versorgung der Zivilbevölkerung in Gaza erklären. Doch Kritik an der dort herrschenden Hamas vernimmt man von UN-Vertretern selten.

Auffällig kritisch geht die UN hingegen mit der Gaza Humanitarian Foundation (GHF) ins Gericht. Diese erst Anfang des Jahres geschaffene Hilfsorganisation, die nachweislich Hilfe nach Gaza gebracht hat, wird von der UN nicht nur ignoriert, sondern sogar auf schwarze Listen gesetzt. Am 5. August forderten UN-»Experten« rund um Francesca Albanese die sofortige Auflösung der Stiftung. Ob das im Interesse der Menschen in Gaza war?

Hungersnot per definitionem

Einen Höhepunkt der Kampagne stellte die jüngste Deklaration auf Basis der »Integrated Food Security Phase Classification« (IPC) dar, wonach in Gaza nunmehr eine Hungersnot herrsche. Auffällig war dabei, dass kurz zuvor die Kriterien für eine solche Einstufung geändert worden waren. Allerdings nur für Gaza. Hinzu kamen fehlerhafte Modelle und statistische Verzerrungen, die den Verdacht nahelegen, dass das Ergebnis als politisch zu werten ist.

Ein detaillierter Report des Network Contagion Research Institute legt dar, wie gravierend die methodischen Mängel waren. So wurden Hilfslieferungen wie die der GHF in den Berechnungen bewusst ausgeblendet. Auch problematisch: Der Hauptautor des IPC-Berichts fiel bereits mehrfach durch Sympathiebekundungen für Hamas und die Huthi-Rebellen im Jemen auf.

Manipulation von Opferzahlen

Ein weiterer Punkt, der das Vorgehen der UN und verbundener Akteure verdeutlicht, betrifft Manipulationen bei der Darstellung ziviler Opferzahlen. Der Blogger Joey Hoffmann (alias U.M.) dokumentiert seit einigen Monaten auf X eindrücklich, wie Zahlen so aufbereitet werden, dass der Eindruck einer humanitären Katastrophe erzeugt wird. Selbst dann, wenn die zugrunde liegenden Daten eine deutlich differenzierteres Bild ergeben.

So werden reale Zahlen aus dem Kontext gerissen und in vereinfachter Form präsentiert, wodurch sie dramatischer wirken. Während die Details im Bericht komplexer und weniger alarmierend sind, prägt die reißerische Überschrift den öffentlichen Diskurs. Anstatt nüchtern zu informieren, werden Emotionen erzeugt und so das gewünschte politische Narrativ gestützt.

Die Zahlen dienen nicht der objektiven Analyse, sondern werden instrumentalisiert, um Israel als Aggressor erscheinen zu lassen und die humanitäre Lage als verheerender darzustellen, als sie in Wirklichkeit ist.

Doppelte Standards zu Lasten Israels

Während andere Kriege von der internationalen Gemeinschaft mitgetragen wurden, sieht sich Israel mit einer beispiellosen Welle an Vorwürfen und Desinformation konfrontiert. Manipulierte Zahlen, doppelte Standards, verrutschte Maßstäbe und voreingenommene Funktionäre prägen die Diskussion über den Konflikt in internationalen Gremien.

Dass Israel trotz massiver Bedrohungen verhältnismäßiger agiert, als dies westliche Koalitionen in vergleichbaren Konflikten (Afghanistan, Irak, Kampf gegen ISIS) getan haben, findet in den UN-Berichten keinen Einfluss. Stattdessen wird ein Narrativ gestützt, das Israel als genozidalen Aggressor erscheinen lässt. Mit Wahrheit und Ausgewogenheit hat das nichts mehr zu tun.

Glosse

Der Klinkenputzer der Islamisten

Jürgen Todenhöfer trifft sich in Katar mit Vertretern der Hamas zum Gespräch und verbreitet danach ihre Propaganda.

von Ralf Balke  22.10.2025

Meinung

Wer stoppt die Hamas?

Die Entwaffnung der palästinensischen Terrororganisation ist und bleibt der Schlüssel zum Frieden in Nahost

von Philipp Peyman Engel  22.10.2025

Meinung

Die Abkehr des Kanzlers von der Staatsräson: Kein Grund zur Trauer

Der von Altkanzlerin Angela Merkel geprägte Begriff war schon immer vage. Es ist auch wesentlich leichter, wohlklingende Erklärungen abzugeben, als danach zu handeln. Friedrich Merz sollte endlich Taten folgen lassen

von Daniel Neumann  22.10.2025

Meinung

Warum ich Angst vor der politischen Linken habe

Dass Links bedeutet, sich für mit sozialem Gewissen für die Schwachen einzusetzen, gehört längst der Vergangenheit an

von Michel Ronen  20.10.2025

Israel

Warum ich meine gelbe Schleife nicht ablege

Noch immer konnten nicht alle Angehörigen von Geiseln Abschied von ihren Liebsten nehmen

von Sophie Albers Ben Chamo  17.10.2025

Meinung

Das moralische Versagen der Linken

Wenn Antisemitismus offen auf der Straße marschiert, dann hört man aus den linken Reihen: nichts

von Nicole Dreyfus  17.10.2025

Meinung

Wenn plötzlich vom »Geiselaustausch« die Rede ist

Die Berichterstattung vieler Medien über den Gaza-Deal zeigt einmal mehr, was passiert, wenn journalistische Maßstäbe missachtet werden

von Jacques Abramowicz  17.10.2025

Meinung

Amichai Chikli: Ein Minister gegen die Diaspora

Statt die Beziehungen zu den Juden außerhalb Israels zu pflegen, gefährdet der Diasporaminister diese. Jüngstes Beispiel: Auf Einladung des Likud-Politikers besucht derzeit der britische Rechtsextremist Tommy Robinson den jüdischen Staat

von Ruben Gerczikow  16.10.2025

Kommentar

Europa ist im Nahen Osten bedeutungsloser denn je

Während die USA unter Präsident Donald Trump keinen Zweifel darüber haben aufkommen lassen, wo es steht, hat Europa komplett versagt

von Daniel Neumann  13.10.2025