Die Münchner Philharmoniker sind beim Flandern-Festival in Gent nicht mehr willkommen. Ihr für Donnerstag kommender Woche angesetztes Konzert in der Bavo-Kathedrale der schmucken Stadt an der Schelde wurde von den Veranstaltern kurzerhand abgesetzt. Ganz ungeniert gab das Festival zur Begründung an, dass der Dirigent des Orchesters, Lahav Shani, ein Israeli sei.
In einer vor Scheinheiligkeit triefenden Erklärung der Konzertveranstalter kann man dann lesen: »Die Entscheidung wurde aus unserer tiefsten Überzeugung heraus getroffen, dass Musik eine Quelle der Verbindung und Versöhnung sein sollte«. Das Festival sei ja »in erster Linie ein Ort, an dem Künstler, Publikum und Mitarbeiter Musik in einem Kontext des Respekts und der Sicherheit erleben können«.
Zudem sei Shani ein Mensch, der sich für Frieden und Versöhnung einsetze, so die Erklärung weiter. Aber wären das nicht Gründe, die einer Absage diametral entgegenstehen? Offenbar nicht.
Konzertveranstalter: »Genozidales Regime in Tel Aviv«
Die Begründung der Flamen, warum das Konzert mit Shani nicht stattfinden könne, folgt auf dem Fuße: »Angesichts seiner Funktion als Chefdirigent des Israelischen Philharmonischen Orchesters können wir keine ausreichende Klarheit über seine Haltung gegenüber dem genozidalen Regime in Tel Aviv schaffen.«
Schon die scheußliche Wortwahl erinnert an die hasserfüllten Verlautbarungen der Mullahs in Iran und nicht an die Organisatoren eines Musikfestivals im Herzen von Westeuropa. Aber genau solche Töne sind in Belgien – und nicht nur hier – immer häufiger zu vernehmen. Fast täglich nehmen kulturelle Institutionen, Universitäten und andere Verbände Stellung zum Nahostkonflikt. Und sie tun dies meist, um Israel die Schuld an allem zu geben.
Wie kurz der Weg vom Hass auf Israel zum Hass auf Israelis ist, zeigt das Statement des Festivals von Gent geradezu exemplarisch. Die in Handlungen und Zielen antisemitische BDS-Bewegung, vor zwei Jahren noch eine verschwindend kleine Minderheit im Königreich der Belgier, ist stark geworden. Sie bläst die Backen auf und zeigt ihren langen Arm.
Nicht nur Israelkritik, sondern unverhohlener Antisemitismus
Dass ist doch kein Antisemitismus, sondern eben ein Boykott von Israelis, werden einige nun einwenden. Sie liegen falsch. Doch, das ist Antisemitismus, genau das.
Warum? Weil niemand (Gott sei Dank!) in Belgien auf die Idee käme, ein Konzert eines deutschen Orchesters zu canceln, das von einem türkischen Dirigenten dirigiert oder einem chinesischen Pianisten oder einer russischen Sopranistin begleitet wird, um damit gegen politische Vorgänge in den jeweiligen Ländern dieser Künstler zu protestieren.
Doch bei Israelis, da statuiert man gerne mal ein Exempel. Nach dem Motto: Einen Israeli am Dirigentenpult kann man nach all den Schreckensnachrichten aus Gaza belgischen Konzertbesuchern beim besten Willen nicht zumuten.
Um Israel zu bestrafen, sind mittlerweile so ziemlich alle Mittel erlaubt. »Angesichts der derzeitigen unmenschlichen Situation [in Gaza], die auch in unserer Gesellschaft emotionale Reaktionen hervorruft, halten wir es nicht für wünschenswert, dieses Konzert stattfinden zu lassen«, schreibt das Flandern-Festival in seiner Mitteilung. Ziemlich zynisch geht es weiter: »Wir entscheiden uns dafür, die Gelassenheit unseres Festivals zu bewahren und das Konzerterlebnis für die Besucher und Musiker zu gewährleisten.« Kartenbesitzer würden nun persönlich kontaktiert und bekämen ihr Geld zurück.
Es fällt schwer, angesichts solcher Zeilen gelassen zu bleiben. Denn viel mehr Heuchelei geht kaum. Was in Gent passiert ist, ist eine Schande. Eine, die schlimmer ist als die Schande von Kassel 2022, als sich auf der documenta der Israel- und Judenhass offen manifestierte, auf Bildern und in Worten.
Eine klare Reaktion auch aus Deutschland ist jetzt nötig
Auch der Skandal von Gent schreit nach einer klaren Reaktion. Niemand sollte das einfach als ein Ereignis irgendwo in Belgien hinnehmen. Es braucht nun den Aufschrei. Die Empörung sollte bis nach Gent zu hören sein - auch aus dem deutschen Kulturbetrieb.
Wenn die Münchner Philharmoniker beim Flandern Festival nicht willkommen sind, bloß weil sie einen israelischen Dirigenten haben, dann sollten dort auch keine anderen Künstler mehr auftreten.
Boykottiert die Boykotteure, möchte man allen zurufen. Das wäre nicht nur ein Akt der Solidarität mit Lahav Shani. Es wäre auch ein Zeichen gegen den Antisemitismus.
thaidigsmann@juedische-allgemeine.de