Rüdiger Mahlo

Es braucht endlich ein Restitutionsgesetz!

Rüdiger Mahlo Foto: Benyamin Reich

Der größte kulturelle Raubzug der Weltgeschichte war ein effizientes System. Innerhalb von zwölf Jahren raubten die Nazis und ihre Verbündeten der jüdischen Bevölkerung Europas gezielt ihre Kulturgüter: Gemälde, Skulpturen und Bücher, aber auch Kunsthandwerk, liturgische Objekte und Musikinstrumente.

Die Restitution dieser Kulturgüter allerdings folgt heute keinem effizienten System. Fast 80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs diskutieren wir immer noch darüber, wie NS-Raubkunst, die sich heute in öffentlicher und privater Hand befindet, restituiert werden kann.

Die Ampelregierung versprach im Koalitionsvertrag, Verbesserungen vorzunehmen. Dazu gehörte unter anderem die »Stärkung der Beratenden Kommission« und ein einseitiges Recht auf Anrufung dieser Kommission für die Nachfahren der Opfer. Die Familien, die von den Nazis beraubt wurden, sollten nicht länger als Bittsteller um Rückgabe betteln müssen, wie Claudia Roth es formulierte, die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien (BKM).  

Jetzt aber mündet die angekündigte Stärkung der Beratenden Kommission in deren Auflösung. Dadurch wird die bisher ohnehin nur symbolische Einbeziehung der Opferseite, repräsentiert durch die zwei jüdischen Vertreter in der Kommission, abgeschafft. An die Stelle der Beratenden Kommission soll bis Ende des Jahres eine nicht näher definierte »Schiedsgerichtsbarkeit« treten. Und ein vom BKM beauftragtes Gutachten schwächt die Opferseite nach unserer Einschätzung noch weiter.

Die Claims Conference ist sehr besorgt. Fast 80 Jahre nach der Befreiung von den Nazis dürfen die Nachfahren der Opfer in ihrem Kampf um Restitution nicht noch weiter degradiert werden. Denn Opferfamilien, die heute ein Restitutionsbegehren anmelden, begeben sich auf eine Odyssee: Sie müssen die Provenienz-Recherche und den rechtlichen Beistand vorfinanzieren ohne den Anspruch zu haben gehört zu werden. Sie müssen in einem aufwendigen Ausschlussverfahren die «Objektidentität« belegen.

Außerdem müssen sie die Bösgläubigkeit derer nachweisen, die diese Objekte erworben haben. Zudem ziehen sich die Verfahren über Jahrzehnte hin und den Opferfamilien werden Informationen vorenthalten, wie etwa im Ringen um die Restitution von Picassos Gemälde Madame Soler, das im Besitz der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen ist.

All dies erklärt die hohe Zahl von allein 70.000 Verdachtsfällen, die wir derzeit in der Lost Art-Datenbank sehen. Um die Nachfahren der Opfer endlich aus ihrer Bittsteller-Position zu befreien, brauchen wir transparente und berechenbare Verfahren.

Voraussetzung dafür ist ein Restitutionsgesetz. Nur auf der Grundlage eines rechtlich verbindlichen Regelwerks kann die Bundesregierung das Vertrauen der Opferfamilien gewinnen und glaubwürdig vertreten, dass sie das seit fast 80 Jahren de facto weiter geltende NS-Unrecht tatsächlich beenden will.

In der Diskussion um die Restitution von NS-Raubgut vermisse ich schmerzlich die moralische Klarheit und politische Durchsetzungskraft, die Konrad Adenauer 1952 trotz aller Widerstände zur Unterzeichnung der »Luxemburger Abkommen« motiviert haben.

Der Autor ist Europa-Repräsentant der Jewish Claims Conference.

Meinung

Der erfundene »Völkermord«

Wer für einen Genozid verantwortlich ist, versorgt dessen angebliche Opfer nicht, warnt sie nicht vor Angriffen und richtet weder Fluchtrouten noch humanitäre Zonen ein

von Imanuel Marcus  18.09.2025

Meinung

Vereinte Nationen: Alter Wein in neuen Schläuchen

Kommende Woche soll in New York eine Resolution zum Nahostkonflikt verabschiedet werden. Sie ist hochproblematisch. Deutschland sollte dagegen stimmen

von Jacques Abramowicz  18.09.2025

Kommentar

Die Tränen des Kanzlers

Bei seiner Rede in München gab Friedrich Merz ein hochemotionales Bekenntnis zur Sicherheit jüdischen Lebens ab. Doch zum »Nie wieder dürfen Juden Opfer werden!« gehört auch, den jüdischen Staat nicht im Stich zu lassen

von Philipp Peyman Engel  18.09.2025 Aktualisiert

Meinung

Für das Leben entscheiden

Die Fortführung der Kampfhandlungen in Gaza gefährdet das Leben der Geiseln und den moralischen Fortbestand Israels. Es ist Zeit, diesen Krieg zu beenden

von Sabine Brandes  16.09.2025

Kommentar

Das Geraune von der jüdischen Lobby

Der Zürcher »Tages-Anzeiger« befasst sich kritisch mit dem Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund, der die Absage einer Veranstaltung mit Francesca Albanese an der Uni Bern gefordert hatte. Dabei war diese Intervention richtig

von Michael Thaidigsmann  15.09.2025

Meinung

Lasst uns nicht allein!

Nach dem Canceln von Lahav Shani durch das Flandern-Festival in Gent befürchtet Maria Ossowski, dass Juden Europa jetzt verlassen wollen

von Maria Ossowski  11.09.2025

Meinung

Gent: Boykottiert die Boykotteure!

Dass die Münchner Philharmoniker in Gent nicht auftreten dürfen, weil sie mit Lahav Shani einen israelischen Dirigenten haben, ist eine Schande - und erfordert eine deutliche Antwort deutscher Kulturschaffender

von Michael Thaidigsmann  10.09.2025

Meinung

Wenn Wutausbrüche Diplomatie ersetzen

So verständlich der Frust ist, tut sich Israels Regierung mit ihrer aggressiven Kritik an westlichen Regierungen und ihren Einreiseverboten für europäische Politiker keinen Gefallen

von Michael Thaidigsmann  08.09.2025

Meinung

Bitte mehr Sorgfalt, liebe Kollegen!

Weltweit haben Medien die Geschichte verbreitet: In Gaza sei ein hilfesuchendes Kind von Israelis erschossen worden. Es stimmt nur nicht, wie sich nun herausstellt. Von professionellen Journalisten darf man eigentlich mehr erwarten

von Susanne Stephan  08.09.2025