Meinung

Es braucht einen Neuanfang

Achim Doerfer Foto: picture alliance / dpa

Meinung

Es braucht einen Neuanfang

Warum nach den Vorwürfen gegen Walter Homolka Rücktritt die einzige Lösung ist

von Achim Doerfer  20.10.2022 07:15 Uhr

Seit Monaten beschäftigt uns der Vorwurf von sexueller Grenzverletzung und Machtmissbrauch um das Abraham Geiger Kolleg (AGK). Das 1999 gegründete Rabbinerseminar in Potsdam untersucht die gravierenden Vorwürfe, wie auch die vom Zentralrat der Juden in Deutschland beauftragte Kölner Rechtsanwaltskanzlei Gercke Wollschläger.

Sehr still jedoch bleibt der Vorstand der Union progressiver Juden (UpJ), inhaltlich und personell dem AGK nahe, über Walter Homolka, der unter anderem sein Amt als Rektor des AGK und als Vorsitzender der UpJ ruhen lässt. Die UpJ klärt wenig, wo längst intern Fragen kamen. (Nicht) beantwortet werden sie oft mit »Unschuldsvermutung«. Ein strafrechtliches Prinzip. Doch läuft kein Strafverfahren. Nur durch Homolka angestrengte presserechtliche Prozesse. Die Gerichte werden es klären, soll man denken.

bilanz Aber gemach: Anders als Homolka etwa am 25. Juli schrieb, ist seine juristische Bilanz sehr durchwachsen. Die Mühlen der Justiz werden Jahre mahlen – eine Hängepartie, wo Handlung nottut. Geht nicht ohnehin der Verweis auf das Juristische fehl? Gibt es nicht auch andere Normen, Werte?

Doch, mindestens ebenso wichtig: Anstand, Respekt, Religion, Moral, Verantwortung, gute Zusammenarbeit etwa. Erst recht für Rabbiner oder Rektoren. Das ist äußerst relevant, da fast exklusiv Homolka in tragenden Institutionen herrscht, unter weiter Umgehung demokratischer und sonstiger Kontrolle; Christoph Schulte hat es jüngst in der FAZ ebenso präzise wie aufschlussreich aufgezeigt.

Es geht nicht um Recht, sondern um Vertrauen – personell und institutionell.

Wer »Unschuldsvermutung« ruft, versteht das nicht. Und will vielleicht verwischen: Es geht nicht um Recht, sondern um Vertrauen – personell und institutionell. Vertrauen, das nur Transparenz und nicht das alleinige Ruhen von Ämtern schafft. Vertrauen, das Dialog erfordert, nicht Justiz. Vertrauen, das nur entsteht durch Verantwortungsübernahme für offene Fragen und Einleitung konkreter Reformschritte.

Ohne dies gilt: Ich habe kein Vertrauen mehr. Niemand darf einen Zweig des Judentums in die Krise stürzen, weil er mit ungewissem Ausgang allein juristisch agieren will. Die einzig richtige Lösung: Rücktritt und ein echter Neuanfang, der nur mit weitreichenden Umbrüchen gelingen kann.

Der Autor ist Jurist, Vize-Chef des Landesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden von Niedersachsen und stellvertretender Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Göttingen, die der Union progressiver Juden angehört.

Meinung

Die Namen in die Welt schreien

24 junge Männer in der Gewalt der Hamas sind wahrscheinlich noch am Leben - sie können und müssen durch ein Abkommen gerettet werden

von Sabine Brandes  28.04.2025

Meinung

Die UN, der Holocaust und die Palästinenser

Bei den Vereinten Nationen wird die Erinnerung an den Holocaust mit der »Palästina-Frage« verbunden. Das ist obszön, findet unser Autor

von Jacques Abramowicz  25.04.2025

Meinung

Nur scheinbar ausgewogen

Die Berichte der Öffentlich-Rechtlichen über den Nahostkonflikt wie die von Sophie von der Tann sind oft einseitig und befördern ein falsches Bild von Israel

von Sarah Maria Sander  24.04.2025

Essay

Der verklärte Blick der Deutschen auf Israel

Hierzulande blenden viele Israels Vielfalt und seine Probleme gezielt aus. Das zeigt nicht zuletzt die Kontroverse um die Rede Omri Boehms in Buchenwald

von Zeev Avrahami  24.04.2025

Meinung

Ich habe versagt

Damit sich ein Ereignis wie die Schoa nicht wiederholt, kommt es darauf an, wie wir erinnern. Doch wir sind offenbar dabei, genau das den Falschen zu überlassen

von Sophie Albers Ben Chamo  23.04.2025

Jom Haschoa

Zwei Minuten Stillstand?

Sollte in Deutschland in derselben Art und Weise wie in Israel an die Opfer der Schoa erinnert werden? Ein Gastbeitrag von Felix Klein

von Felix Klein  22.04.2025

Kommentar

Bezalel Smotrich, die Geiseln in Gaza und der moralische Teufelskreis

Zum Gesellschaftsvertrag in Israel gehört es, dass kein Soldat und kein Opfer von Terror zurückgelassen wird. Niemand! Niemals! Koste es, was es wolle. Was es bedeutet, dies nun in Frage zu stellen

von Daniel Neumann  22.04.2025

Kommentar

Bis zuletzt wollte Mustafa A. aus Lahav Shapira einen Täter machen

Dem Täter tue es leid, dass sein Angriff »instrumentalisiert wird, um jüdischen Bürgern Angst einzuflößen«. Ein unverfrorener Satz

von Nils Kottmann  17.04.2025

Volker Beck

Den Kampf gegen Antisemitismus nicht vereinnahmen

US-Präsident Trump nimmt den Antisemitismus an der Harvard University zum Anlass für einen Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit und die Rechtsgleichheit für alle

von Volker Beck  16.04.2025