Martin Krauß

Entschädigung: Wichtig, doch nie genug

Martin Krauß Foto: Chris Hartung

Um es jahreszeitlich auszudrücken: Die einmalige Zahlung von 2500 Euro ist eine Art Weihnachtsgeld, das die mittlerweile über 80-jährigen früheren Kinder erhalten, die ab November 1938 im Rahmen der Kindertransporte nach Großbritannien kamen und so die Schoa überlebten.

Das große Wort »Entschädigung« geht einem jedoch nicht so leicht über die Lippen. Viele der Überlebenden sind mittlerweile verstorben, und für das, was der Rechtsvorgänger der Bundesrepublik Deutschland diesen Kindern angetan hat, sind 2500 Euro gar nichts.

SYMBOL Und doch hat die Claims Conference, die in langjährigen Verhandlungen dieses Ergebnis erreichte, recht, wenn sie von einem Erfolg spricht. Der besteht nämlich nicht, auch darauf verweist die Claims Conference, in der Zahlung, sondern darin, was das Geld symbolisiert: Die Kinder der Kindertransporte waren auch Opfer des NS-Regimes, waren – und sind zum Teil heute noch – traumatisiert, sie wurden ihrer unbeschwerten Kindheit beraubt, ihre Eltern schickten sie nicht freiwillig, wie zu einem Schüleraustausch, nach England, sondern die terroristischen Verhältnisse in Deutschland waren der Grund dafür, dass die Eltern ihre Kinder weggeben mussten und zum großen Teil selbst in den Tod gingen.

Viel zu oft findet sich
das Bild der Kinder, denen
es doch gut gegangen sei.

Viel zu oft findet sich das Bild der Kinder, die es doch geschafft hätten und denen es gut gegangen sei. Das ist ähnlich wie bei den erwachsenen Emigranten. Auch sie hätten es geschafft, sie könnten glücklich sein, wird insinuiert. Eine Verdrängung. Denn der Verlust der bisher aufgebauten Existenz, der Absturz in prekäre Verhältnisse und dazu noch die Schuldgefühle, warum man selbst mit dem Leben davonkam, nicht aber andere, nicht die Verwandten, die Freunde, die Nachbarn, die Kollegen – all das wird ausgeblendet.

Alle Kritik an der nun ausgehandelten Einmalzahlung entspringt dem Wissen, dass nicht einmal die zehn- oder die tausendfache Summe dem Leid angemessen wäre. Wer dieses Manko nicht vergisst, kann von einem Erfolg sprechen. Wer in Schlussstrichkategorien denkt, verdient sehr lauten Widerspruch.

Meinung

Die Jüdischen Gemeinden müssen nachhaltiger werden

Auch die jüdische Gemeinschaft ist in der Pflicht, die Umweltverschmutzung zu bekämpfen

von Nathalia Schomerus  17.03.2023

Einspruch

Rechtsextreme als Schöffen verhindern

Doron Rubin plädiert dafür, die Verfassungstreue von Schöffen gesetzlich zu verankern

von Doron Rubin  17.03.2023

Lamya Kaddor

Tödlicher Antijudaismus

Die menschenverachtende und antisemitische Ideologie des Hamburg-Attentäters war bekannt. Hätte der Amoklauf verhindert werden können?

von Lamya Kaddor  14.03.2023

Ruben Gerczikow

Sportvereine: Kein Handschlag mit Nazis

Die Mär vom unpolitischen Sport muss endlich grundsätzlich hinterfragt werden

von Ruben Gerczikow  10.03.2023

Meinung

Die Hoffnung nicht verlieren

Unsere Redakteurin sorgt sich wegen der Justizreform um Israels Zukunft – und will gerade deshalb den Kontakt nicht abreißen lassen

von Ayala Goldmann  07.03.2023

Hajo Funke

Ein Mittel der Holocaust-Leugnung

Der Inhalt der gefälschten Hitler-Tagebücher wurde erst jetzt rekonstruiert und veröffentlicht – sie offenbaren einen Abgrund an Verzerrung, Geschichtsklitterung und Dreistigkeit

von Hajo Funke  03.03.2023

Aras-Nathan Keul

Symbol einer verfehlten Iran-Politik

Das Islamische Zentrum Hamburg ist laut Verfassungsschutz ein Außenposten der Islamischen Republik – und konnte sich dennoch auf der Leipziger Buchmesse für einen Stand anmelden

von Aras-Nathan Keul  03.03.2023

Meinung

Ethisch und moralisch am Ende

Die Reaktion von Rabbiner Walter Homolka auf das Urteil des Landgerichts Berlin lässt einmal mehr tief blicken

von Philipp Peyman Engel  01.03.2023

Reinhard Schramm

Maaßen, Prien und die CDU

Wie führende Parteimitglieder im Süden Thüringens den Spieß umdrehen und dabei der Partei Schaden zufügen könnten

von Reinhard Schramm  27.02.2023