Maria Ossowski

Endlich wieder live!

Maria Ossowski Foto: privat

Maria Ossowski

Endlich wieder live!

Gut, dass der kulturelle Austausch zwischen Juden und Nichtjuden wieder möglich ist

von Maria Ossowski  04.11.2021 13:27 Uhr

Endlich. Sie sind wieder da, und zwar lebensgroß, nicht digital dezimiert auf dem Bildschirm oder dem Tablet. Zu den Jüdischen Kulturtagen Berlin werden Künstlerinnen und Künstler ihr Publikum anregen, verzaubern, amüsieren, nachdenklich machen, bilden, staunen lassen und unterhalten. 32-mal hielten wir dies für selbstverständlich.

Wir, das meist nichtjüdische Publikum, das die Jüdischen Kulturtage als festen Programmpunkt eingeplant hatte – bis unsere Terminkalender plötzlich über ein Jahr leer waren. Wegen Covid wurden die fertig geplanten Veranstaltungen 2020 kurzfristig abgesagt, während unsere Seelen nach Konzerten, Theater, Kabarett und Lesungen dürsteten.

KONTAKT Viele Künstler gerieten in eine Sinnkrise, oft auch in ein ökonomisches Debakel. Kultur geriet durch die Pandemie vollkommen ins Aus der öffentlichen Wahrnehmung, leider auch der politischen. Tiefpunkt war die Einordnung in Vergnügungsveranstaltungen: Kulturinstitutionen fanden sich auf einer Ebene mit Bordellen wieder.

Mutige Künstler wie der hoch engagierte Andrej Hermlin, der uns jeden Abend digital mit Swing begeisterte, formulierten ihren Ärger öffentlich. Zu Recht. Während alle Fabriken und Produktionsstätten offen blieben, verschwand das kulturelle Leben und fristete im digitalen Raum ein Dasein ohne den direkten Kontakt, ohne Schwingungen zwischen Publikum und Künstlern, ohne Austausch. Es blieb alles so einsam, so steril vor den Bildschirmen.

Wegen Covid wurden die fertig geplanten Veranstaltungen 2020 kurzfristig abgesagt, während unsere Seelen nach Konzerten, Theater, Kabarett und Lesungen dürsteten.

Umso schöner, dass es am 6. November wieder losgeht. Hier eine kleine Auswahl des klugen Programms: der Sänger Vladimir Kornéev singt unter dem Titel »Youkali« Lieder von Kurt Weill, Ilja Richter entführt uns nach Rechavia, das Grunewald des Orients, mit dem hinreißenden Buch dazu von Thomas Sparr, endlich können wir auch Andrej Hermlin wieder live erleben – und die letzten Beethovensonaten mit Daniel Barenboim bilden am 18. November den krönenden Abschluss jener Tage, in denen auch der Novemberpogrome gedacht wird. 1700 Jahre jüdisches Leben werden bedacht, gefeiert und im Gedenken an die Schoa betrauert.

WELTOFFENHEIT Der Schirmherr, Kultursenator Klaus Lederer, zitiert in seinem Grußwort Ortega y Gasset, der darauf hinwies, »dass Juden kosmopolitischer fühlen als irgendein anderes Volk. Berlin hat von diesem Sinn für das Grenzenüberschreitende jahrhundertelang lernen können, wenn auch leider oftmals viel zu wenig«.

Gut, dass wir in diesem Jahr endlich wieder von der jüdischen Kultur, von ihrem Glanz, ihrer Seele und ihrer Weltoffenheit lernen dürfen – und sie live genießen können.

Die Autorin ist Kulturkorrespondentin der ARD und lebt in Berlin.

Meinung

Liebe Juden, bleibt bitte zu Hause!

Immer mehr jüdische Veranstaltungen werden abgesagt – angeblich zum Schutz von Jüdinnen und Juden. So wird aus einer Einladung zur Kultur ein stiller Abgesang auf Teilhabe

von Louis Lewitan  23.10.2025

Glosse

Der Klinkenputzer der Islamisten

Jürgen Todenhöfer trifft sich in Katar mit Vertretern der Hamas zum Gespräch und verbreitet danach ihre Propaganda.

von Ralf Balke  22.10.2025

Meinung

Wer stoppt die Hamas?

Die Entwaffnung und Zerschlagung der palästinensischen Terrororganisation ist und bleibt der Schlüssel zum Frieden in Nahost

von Philipp Peyman Engel  22.10.2025

Meinung

Die Abkehr des Kanzlers von der Staatsräson: Kein Grund zur Trauer

Der von Altkanzlerin Angela Merkel geprägte Begriff war schon immer vage. Es ist auch wesentlich leichter, wohlklingende Erklärungen abzugeben, als danach zu handeln. Friedrich Merz sollte endlich Taten folgen lassen

von Daniel Neumann  22.10.2025

Meinung

Warum ich Angst vor der politischen Linken habe

Dass Links bedeutet, sich für mit sozialem Gewissen für die Schwachen einzusetzen, gehört längst der Vergangenheit an

von Michel Ronen  20.10.2025

Israel

Warum ich meine gelbe Schleife nicht ablege

Noch immer konnten nicht alle Angehörigen von Geiseln Abschied von ihren Liebsten nehmen

von Sophie Albers Ben Chamo  17.10.2025

Meinung

Das moralische Versagen der Linken

Wenn Antisemitismus offen auf der Straße marschiert, dann hört man aus den linken Reihen: nichts

von Nicole Dreyfus  17.10.2025

Meinung

Wenn plötzlich vom »Geiselaustausch« die Rede ist

Die Berichterstattung vieler Medien über den Gaza-Deal zeigt einmal mehr, was passiert, wenn journalistische Maßstäbe missachtet werden

von Jacques Abramowicz  17.10.2025

Meinung

Amichai Chikli: Ein Minister gegen die Diaspora

Statt die Beziehungen zu den Juden außerhalb Israels zu pflegen, gefährdet der Diasporaminister diese. Jüngstes Beispiel: Auf Einladung des Likud-Politikers besucht derzeit der britische Rechtsextremist Tommy Robinson den jüdischen Staat

von Ruben Gerczikow  16.10.2025