Volker Beck

Eine Rente für jeden Ghetto-Arbeiter!

Volker Beck Foto: Marco Limberg

An Gedenktagen zelebriert Deutschland gern seine großen Leistungen bei der historischen Aufarbeitung. Verdrängt wird dabei, wie zäh dieser Prozess war und ist. Insgesamt haben wir auf dem Gebiet der Entschädigung für NS-Unrecht gerade einmal 75,5 Milliarden Euro (Stand: 2017) erbracht. Das sind drei Jahre Flüchtlingshilfe oder ungefähr ein Viertel eines (!) Bundeshaushalts.

Für ein singuläres Menschheitsverbrechen ein erstaunlich übersichtlicher Betrag. Diese Summe kommt nicht von ungefähr: Bei jeder Entschädigungsregelung kam es zum Ausschluss ganzer Gruppen, zu Antragstellungen bei falschen Stellen, zu merkwürdigen Antragsfristen und ähnlichen bürokratischen Absurditäten.

SUPPE Das gilt bis heute. Aktuell gilt es bei Menschen aus Polen, die Rentenansprüche aus Ghetto-Arbeit haben. Dort wurden Beiträge an die Rentenversicherungsträger abgeführt, auch wenn der Lohn nur aus einem Teller Suppe bestand. Rente wollte man ihnen lange Zeit nicht zahlen. Erst viel zu spät wurde dies durch höchstrichterliche Rechtsprechung und den Gesetzgeber korrigiert.

Weil das Arbeitsschutzrecht
keine Kinderarbeit kennt,
werden Anträge abgelehnt.

Doch jetzt versteigt man sich zu einer neuen Perfidie: Wenn Juden oder Sinti und Roma in den Ghettos Kinderarbeit leisteten, so heißt es nun, bestünden keine Ansprüche, und Ersatzzeiten für Kinder könnten nicht berücksichtigt werden – schließlich kennt das deutsche Arbeitsschutzrecht keine Kinderarbeit!

Man muss sich der historischen Wahrheit der Ausbeutung und Tortur jener Tage stellen. Ob Kind oder Erwachsener: Wer gearbeitet hat, hat Ansprüche erworben. Und wer versteckt gelebt hat, sollte dafür Ersatzzeiten angerechnet bekommen. Das Ziel muss sein, dass jeder, der durch Arbeit ausgebeutet wurde, dafür auch einen Rentenanspruch erhält. Gegebenenfalls auch seine Erben. Alles andere ist Zynismus.

Der Autor ist Lehrbeauftragter der Ruhr-Universität Bochum.

Israel

Warum ich meine gelbe Schleife nicht ablege

Noch immer konnten nicht alle Angehörigen von Geiseln Abschied von ihren Liebsten nehmen

von Sophie Albers Ben Chamo  17.10.2025

Meinung

Das moralische Versagen der Linken

Wenn Antisemitismus offen auf der Straße marschiert, dann hört man aus den linken Reihen: nichts.

von Nicole Dreyfus  17.10.2025

Meinung

Wenn plötzlich vom »Geiselaustausch« die Rede ist

Die Berichterstattung vieler Medien über den Gaza-Deal zeigt einmal mehr, was passiert, wenn journalistische Maßstäbe missachtet werden

von Jacques Abramowicz  17.10.2025

Meinung

Amichai Chikli: Ein Minister gegen die Diaspora

Statt die Beziehungen zu den Juden außerhalb Israels zu pflegen, gefährdet der Diasporaminister diese. Jüngstes Beispiel: Auf Einladung des Likud-Politikers besucht derzeit der britische Rechtsextremist Tommy Robinson den jüdischen Staat

von Ruben Gerczikow  16.10.2025

Kommentar

Europa ist im Nahen Osten bedeutungsloser denn je

Während die USA unter Präsident Donald Trump keinen Zweifel darüber haben aufkommen lassen, wo es steht, hat Europa komplett versagt

von Daniel Neumann  13.10.2025

Meinung

Jetzt kann das Herz heilen

In ganz Israel erhebt sich an diesem historischen Tag die Erleichterung wie ein kollektiver tiefer Atemzug – teils Seufzer, teils Schluchzen, teils freudiger Gesang

von Sabine Brandes  13.10.2025

Meinung

Neues Semester, alter Antisemitismus?

Seit zwei Jahren sind deutsche Hochschulen keine sicheren Orte mehr für jüdische Studierende. Es wird viel Mühe kosten, diese Entwicklung zurückzudrehen

von Ron Dekel  13.10.2025

Kommentar

Kein Wunder in Bern

Bei gewaltbereiten Demonstrationen in der Schweizer Bundeshauptstadt hat sich ein Teil der Palästina-Solidarität einmal mehr selbst entlarvt: Es ging nie darum, das Leid im Gazastreifen zu beenden oder einen angeblichen Genozid zu stoppen

von Nicole Dreyfus  12.10.2025

Kommentar

Deutschland braucht Israels Geheimdienste, Herr Wadephul

Der Außenminister behauptet in einem Interview, die Bundesregierung sei nicht auf Erkenntnisse israelischer Spionagedienste angewiesen. Mit dieser Falschaussage riskiert er das Leben vieler Menschen in Europa

von Remko Leemhuis  11.10.2025 Aktualisiert