So viele politische und religiöse Würdenträger an einem Ort zu versammeln, das schafft tatsächlich nur die katholische Kirche – und zugegeben: Es fühlte sich schon besonders an, bei der Amtseinführung des neuen Papstes dabei zu sein. Die äußerst höfliche Betreuung und der unerwartet zentrale Platz für uns als jüdische Vertreter ließ schon vermuten, dass Leo XIV. wieder auf die jüdische Seite zugehen will.
Vor allem inhaltlich machte er klar, dass ihm der katholisch-jüdische Dialog wichtig ist. Bei der Audienz am nächsten Morgen richtete er einen, wie er sagte, »besonderen Gruß an unsere jüdischen Brüder und Schwestern«. Er betonte, dass »aufgrund der jüdischen Wurzeln des Christentums alle Christen eine besondere Beziehung zum Judentum« haben, und sagte, der Dialog zwischen Christen und Juden liege ihm am Herzen.
Besonders interessant ist, in welchen Punkten er sich explizit von Franziskus unterscheidet.
In diesem Sinne steht Papst Leo für eine Kontinuität der Haltung seiner Vorgänger und wird wohl sehr ähnlich agieren. Besonders interessant ist aber, in welchen Punkten er sich explizit von Franziskus unterscheidet. Zwar erwähnte der neue Papst in seiner Rede nach der Wahl und bei seinem Amtsantritt Gaza, aber nur sehr allgemein und im Kontext anderer Konflikte, wie in der Ukraine und Myanmar, und forderte ebenso die Freilassung der israelischen Geiseln. Leo klingt ausgleichend und nicht einseitig.
Franziskus war sehr emotional, nah an den Menschen und sprach oder handelte manchmal nach Gefühl, nicht nach Protokoll. Papst Leo, so erlebte ich es auch in meinem persönlichen Gespräch mit ihm bei der Audienz, ist zugewandt, aber eher zurückhaltend. Genau darin liegt vielleicht eine große Chance.
Er wird seine Worte genau abwägen, wird nicht anklagen, sondern versuchen, ehrlich zu vermitteln. Fauxpas wie bei Franziskus sind nicht zu erwarten. Stattdessen will er Brücken bauen, den Dialog auch »in schwierigen Zeiten« fortführen, und er sprach von »Missverständnissen«. Das lässt auf einen Neubeginn hoffen.
Der Autor ist Direktor für Zentraleuropa des »Center for Jewish-Christian Understanding and Cooperation«. Er arbeitet als Gemeinderabbiner in Bern.