André Anchuelo

Die tödliche Ideologie nicht entpolitisieren

So wahnhaft die Vorstellungen der rechtsextremen Attentäter von Essen oder Buffalo sein mögen, so sehr muss man sie ernst nehmen, wenn man sie erfolgreich bekämpfen will

von André Anchuelo  19.05.2022 08:53 Uhr

André Anchuelo Foto: privat

So wahnhaft die Vorstellungen der rechtsextremen Attentäter von Essen oder Buffalo sein mögen, so sehr muss man sie ernst nehmen, wenn man sie erfolgreich bekämpfen will

von André Anchuelo  19.05.2022 08:53 Uhr

Als »dringender Hilferuf eines verzweifelten jungen Mannes« seien die Aufzeichnungen des Festgenommenen zu lesen. Das sagte Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) über den vergangene Woche inhaftierten 16-Jährigen. Der Schüler soll einen Anschlag auf das von ihm besuchte Gymnasium in Essen geplant haben. Die Polizei fand bei ihm Rohmaterial für den Bau von 16 Bomben, inklusive Sprengstoff, aber auch ein Gewehr und eine Armbrust.

Was hätte passieren können, war am Samstag, nur zwei Tage nach der Festnahme in Essen, in Buffalo im US-Bundesstaat New York zu beobachten. Ein 18-Jähriger fährt in eine Gegend, in der hauptsächlich Schwarze leben, und eröffnet in einem Supermarkt mit einem halbautomatischen Gewehr das Feuer. Zehn Menschen sterben, fast alle sind Schwarze. Der Angreifer kann später gefasst werden. Auch bei ihm werden Aufzeichnungen gefunden.

einzeltäter Hilferuf, Verzweiflung, junger Mann, auch Amoklauf und Einzeltäter – das sind Begriffe, die eine tödliche Ideologie entpolitisieren. Doch die bei beiden jungen Männern gefundenen Texte deuten auf etwas anderes: Es handelt sich um hochpolitische Taten, die Täter hängen einer rassistischen und antisemitischen Ideologie an.

Was hätte passieren können, war am Samstag, nur zwei Tage nach der Festnahme in Essen, in Buffalo im US-Bundesstaat New York zu beobachten.

Sie glauben an den Verschwörungsmythos vom »Großen Austausch«. Sie mögen zwar alleine handeln, doch sie begreifen sich als Teil einer großen Bewegung, die sich in einer endzeitlichen Schlacht wähnt gegen ein angebliches Komplott von Juden, die »die weiße Rasse« mithilfe von nichtweißen Migranten zu ersetzen suchten.

So wahnhaft diese Ideologie sein mag, so sehr muss man sie ernst nehmen, wenn man sie erfolgreich bekämpfen will. Immerhin: Im Essener Fall hat die Bundesanwaltschaft wegen des »Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat« die Ermittlungen übernommen. Genauso wichtig ist es aber, endlich auf die Expertinnen und Experten zu hören, die vor dieser Form des Terrorismus seit Jahren warnen.

anchuelo@juedische-allgemeine.de

Nicholas Potter

Karneval de Purim: Jetzt erst recht!

Kaum eine Woche vergeht seit dem 7. Oktober ohne den nächsten Totalausfall in einer Szene, die eigentlich für Diversität und Inklusion stehen will

von Nicholas Potter  21.03.2024 Aktualisiert

Michael Thaidigsmann

Das Europaparlament und die »Terror-Rente«

Da Brüssel für einen beträchtlichen Teil des Budgets der Palästinensischen Autonomiebehörde in Ramallah aufkommt, gibt es seit Langem Forderungen nach einer klaren Haltung

von Michael Thaidigsmann  21.03.2024

Anna Staroselski

Die antisemitischen Äußerungen von Jonathan Glazer

Ein Blick zurück auf die perfiden Statements des Oscar-Preisträgers

von Anna Starolselski  19.03.2024

Meinung

Moralische Bankrott-Erklärung beim »Spiegel«

Das Magazin betreibt mit dem Artikel »Verpanzerte Herzen« antisemitische Stimmungsmache. Eine Erwiderung

von Esther Schapira  14.03.2024

Meinung

Javier Milei untergräbt den Kampf gegen Antisemitismus

Der argentinische Präsident geriert sich als Israelfreund und stoppt gleichzeitig Projekte gegen Judenhass

von Monty Ott  14.03.2024

Oleg Shevchenko

Mit Nazis spricht man nicht

Ausgerechnet am Jahrestag der Befreiung der KZs Buchenwald und Mittelbau-Dora soll Björn Höcke die ganz große Bühne für sein brandgefährliches Weltbild bekommen

von Oleg Shevchenko  14.03.2024

Canan Topçu

Erdoğans Israel-Hetze als Wahlkampftaktik

Dass das Oberhaupt eines Nato-Staates folgenlos Lügen verbreitet und ungehemmt Fakten verfälscht, hat nichts mit Unkenntnis von Geschichte, sondern mit politischem Kalkül zu tun

von Canan Topçu  13.03.2024

Israel/Gaza

Kaya Yanar, hören Sie endlich auf, antisemitische Narrative zu verbreiten!

Ein Abschiedsbrief

von Nicole Dreyfus  12.03.2024

Kommentar

Judith Butler ist nicht irgendwer

Warum die Aussagen der amerikanischen Philosophin zum 7. Oktober und zur Rolle der Hamas brandgefährlich sind

von Laura Cazés  11.03.2024