Meinung

Die leeren Worte von Annalena Baerbock

Außenministerin Baerbock (Bündnis90/Die Grünen) am Grenzübergang zum Gazastreifen in Rafah (9. Januar 2024) Foto: picture alliance/dpa

Annalena Baerbock, Deutschlands Außenministerin, hat Worte als Mittel der Diplomatie. Wie sie diese einsetzt – darüber kann man streiten. Zum Beispiel im Fall Israel.

Zu ihren Worten selbst:

»Wir müssen bereit sein, hinzuschauen und dürfen nicht schweigen. Sie alle müssen freigelassen werden. Unverzüglich.« Werden sie aber nicht. Und nun?

»Es wird immer klarer, dass die israelische Armee mehr tun muss, um Zivilisten in Gaza zu schützen. Sie muss Wege finden, die Hamas zu bekämpfen, ohne dass so viele palästinensische Menschen Schaden an Leib und Leben erleiden.« Zwei bis drei Beispiele dafür, wie das aussehen könnte, wären hilfreich.

»Die Grenzübergänge Rafah im Süden und Keren Shalom im Norden sind regelrechte Flaschenhälse.« Das ist das Wesen von Grenzen.

»Es darf weder eine erneute israelische Besatzung noch eine Besiedlung geben.« Das sagt sogar die israelische Regierung. Einen anderen Plan gibt es nicht. Oder will Ministerin Baerbock das andeuten?

Dazu ihr Dringen auf ein »morgen«, unter Einbeziehung einer reformierten Palästinensischen Autonomiebehörde (PA). Allerdings geht die Außenministerin zumindest bisher nicht darauf ein, wie reformbereit oder -fähig die PA ist. Und ohne die Feststellung, dass eine solche Reform von Israel schon seit Längerem gefordert wird oder dass sie unabhängig von Israel schon seit Langem angebracht und nötig ist.

Kurz nach Kriegsbeginn und wiederholt hat sich Annalena Baerbock verbal deutlich an die Seite Israels gestellt. Auswirkungen auf das deutsche Abstimmungsverhalten in den UN hat das bislang nicht gehabt. Auch konkretes Handeln in Hinblick auf das von ihr verurteilte Massaker der Hamas ist ausgeblieben.

»Honestly Concerned«, ein gemeinnütziger Verein, der eine Informationsseite zu Israel und zum gesamten Nahen Osten betreibt, hat einiges Kritische zusammengetragen.

Deutsche Zahlungen an die Palästinenser und an UNRWA (das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten) wurden nicht nur wieder aufgenommen, sondern sogar deutlich erhöht – ungeachtet von Warnungen und Fakten.

Baerbock trifft sich im Westjordanland kritiklos mit Terrorunterstützern. Die verbale, finanzielle, ideelle und mediale Unterstützung der Hamas und des Terrors wird dabei nicht thematisiert. Die Ministerin kritisiert Israel am falschen Ort und inhaltlich an der falschen Stelle.

Sie ignoriert vorangegangene Abkommen, insbesondere was die Gebiets- bzw. Aufgabenaufteilung in der Westbank betrifft, wie auch die damit verbundenen rechtlichen Unterschiede zwischen den A- und C-Gebieten. A steht für Zonen unter palästinensischer Selbstverwaltung, C für Zonen, die vom israelischen Militär gesperrt sind und nicht zu den Autonomiegebieten gehören.

Sie unterstellt, dass palästinensische Propaganda, was extremistische Siedler betrifft, auf Tatsachen beruht. Nach aktuellen Zahlen hingegen ist der – verachtenswerte – Terror einer kleinen Minderheit der Siedler rückläufig. Er wird zudem von der israelischen Seite geahndet.

Was Kritik im Zusammenhang mit Hilfslieferungen betrifft: Das Außenamt sollte sich dafür interessieren, wie es kommt, dass die Hamas UNRWA-Hilfsgüter – ganze Lastwagenladungen – kapern kann. Auch fragt sich, warum die UN nicht in der Lage sind, mehr Lastwagen mit Hilfsgütern nach Gaza zu schaffen, obwohl Israel ihnen dafür die Möglichkeit gibt.

Was Ministerin Baerbock außen vor lässt, sind von Deutschland mitfinanzierte Probleme, einige auch aus zurückliegender Zeit: Israel-Hass in Schulbüchern, Lehrer, die Geiseln bei sich versteckten, Hilfswerk-Mitarbeiter, die offenkundig gleichzeitig Hamas-Terroristen waren oder sind, Hamas-Lager und -Tunnel voll von Hilfsgütern, Krankenhäuser als Terrorzentralen, Mitarbeiter deutscher Organisationen, die man wegen ihrer Hamas- bzw. extremistischen Gesinnung nicht nach Deutschland holen konnte.

Es gibt eine Freundschaft zwischen Deutschland und Israel durch funktionierende Kooperationen in Wissenschaft, Wirtschaft, Kultur, auch zum Teil bei Polizei und Militär, außerdem in vielen anderen Initiativen. In der Politik, zumal durch das Außenamt, wird die Freundschaft auch immer wieder betont. Auf Deutschland verlassen kann sich Israel allerdings politisch offenkundig nur bedingt.

Stephan-Andreas Casdorff ist Herausgeber des »Tagesspiegels«, wo der Text zuerst erschienen ist.

Meinung

Propaganda-Krieg vor Gericht

Wie Israel kriminalisiert und das Gesetz zur Waffe im politischen Kampf gegen den jüdischen Staat wird

von Rafael Seligmann  02.05.2024

Meinung

Steinmeier auf Kuschelkurs mit einem Terrorfreund

Der Bundespräsident untergräbt mit seiner Schmeichelei gegenüber Recep Tayyip Erdogan einmal mehr Deutschlands Staatsräson

von Nils Kottmann  26.04.2024

Nils Kottmann

Israels Existenzrecht ist keine Provokation, sondern Staatsräson, Frau Özoğuz

Eine Klarstellung

von Nils Kottmann  25.04.2024

Michael Thaidigsmann

Die UNRWA-Prüfung hat keine Konsequenzen

Der Prüfbericht liegt vor, Berlin nimmt seine Förderung des Palästinenserhilfswerks wieder auf. Das könnte sich noch rächen

von Michael Thaidigsmann  25.04.2024

Kommentar

AfD in Talkshows: So jedenfalls nicht!

Die jüngsten Auftritte von AfD-Spitzenpolitikern in bekannten Talk-Formaten zeigen: Deutsche Medien haben im Umgang mit der Rechtsaußen-Partei noch viel zu lernen. Tiefpunkt war das Interview mit Maximilian Krah bei »Jung & Naiv«

von Joshua Schultheis  24.04.2024

Meinung

Erinnert euch an Ägypten

Die wenigsten ägyptischen Juden haben ihre Heimat aus religiöser Sehnsucht verlassen – sie wurden vertrieben

von Mascha Malburg  22.04.2024

Meinung

Gezielte Aktionen gegen das iranische Regime werden weitergehen müssen

Warum Teheran nicht nur eine Gefahr für die Region, sondern auch für die Ukraine ist

von Saba Farzan  19.04.2024

Meinung

Den Ball flach halten

Warum die israelische Antwort auf den iranischen Angriff vom vergangenen Wochenende eher verhalten ausgefallen ist

von Ralf Balke  19.04.2024

Thüringen

Die Betroffenen nicht im Stich lassen

Es braucht den langfristigen Ausbau der fachspezifischen Gewaltopferberatungsstellen

von Franz Zobel  17.04.2024