Joshua Schultheis

Berliner Clubs: Tanzende Juden? Nicht bei uns!

Teile der Berliner Clubszene wollen derzeit feiernde Jüdinnen und Juden lieber nicht sehen. Das ist ganz im Sinne der Hamas und ihres lustfeindlichen Todeskults

von Joshua Schultheis  16.12.2023 17:47 Uhr

Joshua Schultheis Foto: Charlotte Bolwin

Teile der Berliner Clubszene wollen derzeit feiernde Jüdinnen und Juden lieber nicht sehen. Das ist ganz im Sinne der Hamas und ihres lustfeindlichen Todeskults

von Joshua Schultheis  16.12.2023 17:47 Uhr

Als Mia Schem nach 55 Tagen als Geisel im Gazastreifen wieder freikam, ließ sie sich ein Tattoo auf den Arm stechen: »We will dance again«, wir werden wieder tanzen. Darunter das Datum »7.10.23«. An diesem Tag machte sie genau das: Tanzen, Spaß haben, Ekstase erleben – als die Mörder der Hamas die Hölle über sie und die anderen Besucher des Nova-Festival in der Negevwüste brachten. Hunderte Feiernde wurden ermordet, Dutzende entführt.

Es war ein Angriff von Anhängern eines antisemitischen, lustfeindlichen Todeskultes auf die Lebensfreude und Freizügigkeit, für die Israel bekannt ist. Wir werden wieder tanzen, erwidert Mia Schem. Typisch israelisch, typisch jüdisch.

Den jungen Jüdinnen und Juden in Berlin ist seit zwei Monaten wenig nach Feiern zumute. Und doch: Sie tun es wieder, aus Trotz. Dabei ist es ausgerechnet die sich als progressiv und inklusiv verstehende Berliner Clubszene, die ihnen Steine in den Weg legt.

Als der queer-jüdische Verein »Keshet« eine Party zu Chanukkah, ein Fest jüdischen Widerstands und Überlebenswillen, in einem bekannten Berliner Veranstaltungsort schmeißen wollte, zog dieser kurz vorher seine Zusage wieder zurück. Man fühle sich nicht wohl mit der erforderlichen Polizeipräsenz, soll die Begründung gegenüber »Keshet« gelautet haben.

Ein anderer Berliner Club hat offenbar nicht nur ein Problem damit, dass Jüdinnen und Juden in Sicherheit feiern. Wenn es nach dem »Zenner« geht, sollten sie derzeit gar nicht feiern. Es sei »ziemlich unglaublich, dass Sie angesichts der aktuellen Lage bereit sind, einen jüdischen Karneval zu begehen«, steht in der Antwort des Clubs an einen Veranstalter des »Karneval de Purim«, der dort im März die mittlerweile fest etablierte jüdische Partyreihe stattfinden lassen wollte. »Nicht im Zenner«, lautet die eindeutige Absage.

»Tanzende Juden? Nicht bei uns!«, ist der Tenor dieser Nachricht. Ist den Verantwortlichen bewusst, wie sehr ihre Haltung im Sinne der Hamas ist? Wie paradox. Die Terrororganisation will nicht nur jüdisches Leben von der Erde tilgen, sondern auch den Hedonismus, für den die Berliner Clubszene steht.

Die Chanukkah-Party von »Keshet« fand schließlich an einem anderen Ort statt. Auch »Karneval de Purim« wird ganz sicher nicht ausfallen – das haben die Veranstalter beteuert. Wir werden wieder tanzen, sagen auch die Jüdinnen und Juden in Berlin. Das ist kein Wunsch, sondern ein Versprechen.

Der Autor ist Journalist und lebt in Berlin.

Nachtrag: Mittlerweile hat sich das Zenner für die Aussagen ihres Mitarbeiter entschuldigt und als antisemitisch verurteilt. Man ziehe sich externe Beratung hinzu, »um den Vorfall verantwortungsvoll und nachhaltig aufzuarbeiten«, heißt es im Statement des Zenner. Der Club bietet »Karneval de Purim« an, die Veranstaltung bei ihnen abhalten zu lassen. Eigene eventuelle Gewinne wolle man spenden.

Meinung

Steinmeier auf Kuschelkurs mit einem Terrorfreund

Der Bundespräsident untergräbt mit seiner Schmeichelei gegenüber Recep Tayyip Erdogan einmal mehr Deutschlands Staatsräson

von Nils Kottmann  26.04.2024

Nils Kottmann

Israels Existenzrecht ist keine Provokation, sondern Staatsräson, Frau Özoğuz

Noch während Iran den jüdischen Staat attackierte, gab die Bundestagsvizepräsidentin (SPD) bereits Israel die Schuld an dem Angriff auf seine Bürger

von Nils Kottmann  25.04.2024

Michael Thaidigsmann

Die UNRWA-Prüfung hat keine Konsequenzen

Der Prüfbericht liegt vor, Berlin nimmt seine Förderung des Palästinenserhilfswerks wieder auf. Das könnte sich noch rächen

von Michael Thaidigsmann  25.04.2024

Kommentar

AfD in Talkshows: So jedenfalls nicht!

Die jüngsten Auftritte von AfD-Spitzenpolitikern in bekannten Talk-Formaten zeigen: Deutsche Medien haben im Umgang mit der Rechtsaußen-Partei noch viel zu lernen. Tiefpunkt war das Interview mit Maximilian Krah bei »Jung & Naiv«

von Joshua Schultheis  24.04.2024

Meinung

Erinnert euch an Ägypten

Die wenigsten ägyptischen Juden haben ihre Heimat aus religiöser Sehnsucht verlassen – sie wurden vertrieben

von Mascha Malburg  22.04.2024

Meinung

Gezielte Aktionen gegen das iranische Regime werden weitergehen müssen

Warum Teheran nicht nur eine Gefahr für die Region, sondern auch für die Ukraine ist

von Saba Farzan  19.04.2024

Meinung

Den Ball flach halten

Warum die israelische Antwort auf den iranischen Angriff vom vergangenen Wochenende eher verhalten ausgefallen ist

von Ralf Balke  19.04.2024

Thüringen

Die Betroffenen nicht im Stich lassen

Es braucht den langfristigen Ausbau der fachspezifischen Gewaltopferberatungsstellen

von Franz Zobel  17.04.2024

Frederik Schindler

Zeit für eine neue deutsche Iran-Politik

Deutschland sollte das Mullah-Regime nicht länger hofieren, sondern unter Druck setzen

von Frederik Schindler  17.04.2024