Sigmount Königsberg

Antiziganismusbericht: Für die Schublade?

Das Papier wurde vorgestellt, nachdem die Legislaturperiode abgeschlossen ist. Dieser Bundestag wird es nicht mehr beraten. Ob der nächste es tun wird, ist fraglich

von Sigmount Königsberg  23.07.2021 08:45 Uhr

Sigmount Königsberg, Antisemitismusbeauftragter der Jüdischen Gemeinde zu Berlin Foto: Gregor Zielke

Das Papier wurde vorgestellt, nachdem die Legislaturperiode abgeschlossen ist. Dieser Bundestag wird es nicht mehr beraten. Ob der nächste es tun wird, ist fraglich

von Sigmount Königsberg  23.07.2021 08:45 Uhr

Bundesinnenminister Seehofer hat vergangene Woche den ersten Bericht der von der Bundesregierung eingesetzten »Unabhängigen Kommission Antiziganismus« präsentiert. Darin wird wenig überraschend festgestellt, dass Diskriminierungserfahrungen für Sinti und Roma in Deutschland Alltag sind, so in Schulen, beim Kontakt mit Behörden, der Polizei oder in der Nachbarschaft.

Der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, verwies darauf, dass man bei der Bekämpfung des Antiziganismus fast bei null anfange, da es so gut wie keine Instrumente, Materialien oder Einrichtungen gebe, auf die man zurückgreifen könne.

forderungen Der umfangreiche Kommissionsbericht richtet notwendige Forderungen an die Gesellschaft, so etwa die Berufung einer/eines Beauftragten gegen Antiziganismus und die Einsetzung eines unabhängigen Beratungskreises, die Einrichtung einer ständigen Bund-Länder-Kommission, die Anerkennung des nationalsozialistischen Genozids an Sinti und Roma und die Aufarbeitung des an ihnen begangenen Unrechts in der Bundesrepublik, ihre effektive Partizipation sowie die Forderung, geflüchtete Roma als besonders schutzwürdig anzuerkennen.

Der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, verwies darauf, dass man bei der Bekämpfung des Antiziganismus fast bei null anfange.

Alle diese Forderungen (auch die anderen, hier nicht erwähnten) sind richtig und berechtigt. Aber werden sie Gehör finden? Der Aufschrei der Unverbesserlichen, die meinen, Fleischgerichte, Saucen oder auch Süßigkeiten mit abwertenden Bezeichnungen von Menschen benennen zu dürfen, ist nicht zu überhören. Als fielen denen gleich mehrere Zacken aus der Krone, wenn sie eine Sprache benutzen, die andere nicht verletzt.

Dieser Bericht wurde vorgestellt, nachdem diese Legislaturperiode abgeschlossen ist. Dieser Bundestag wird ihn nicht mehr beraten. Ob der nächste es tun wird, ist fraglich, und ob der künftige Innenminister oder die Innenministerin sich dessen annehmen wird, wie Seehofer vorgeschlagen hat, steht in den Sternen. Ich kann mich des Gefühls nicht erwehren, dass dieser Bericht ungelesen in den Schubladen und Archiven verschwinden wird – so wie es auch mit dem Ersten Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus 2011 geschah. Wenn dies geschähe, würde dem Rassismus gegen Sinti und Roma auch künftig nichts entgegensetzt und er somit faktisch geduldet werden. Ich würde mich freuen, wenn ich mich irre.

Der Autor ist Antisemitismusbeauftragter der Jüdischen Gemeinde zu Berlin.

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