Kommentar

Antisemitismus: Was ist da los in Berlin?

Michael Thaidigsmann Foto: Privat

671 antisemitisch motivierte Straftaten wurden in Deutschland im vierten Quartal 2024 verzeichnet. Darunter waren 237 Fälle von Volksverhetzung und 24 Gewalttaten.

Das geht aus einer Aufstellung der Bundesregierung hervor, die dieser Zeitung vorliegt. Die Linke im Bundestag hatte nach den neuesten Zahlen gefragt. Zuerst hatte die »Rheinische Post« über die Antwort der Bundesregierung berichtet. Antisemitische Straftaten werden in fünf Kategorien als »politisch motivierte Kriminalität« erfasst.

Die gute Nachricht: Im Vergleich zum gleichen Quartal des Vorjahres sind die Zahlen deutlich zurückgegangen. In den knapp drei Monaten nach dem 7. Oktober 2023 waren deutschlandweit noch 3163 antisemitisch motivierte Straftaten erfasst worden - ein trauriger Rekord. Auch in den ersten sechs Monaten des Jahres 2024 kam es noch zu weitaus mehr judenfeindlichen Taten als vor den Hamas-Massakern erfasst wurden. Doch jetzt zeigt die Kurve wieder in die richtige Richtung: nach unten.

Die schlechte Nachricht: Zwar wurden im vierten Quartal insgesamt 344 Tatverdächtige ermittelt und sechs Personen vorläufig festgenommen. Ein Haftbefehl wurde aber gegen keine einzige Person erlassen.

Lesen Sie auch

Zudem ist allen Verantwortlichen bewusst: Es braucht wahrscheinlich nur einen Funken, ein Ereignis im Nahen Osten, um die Antisemitismuszahlen erneut in die Höhe schnellen zu lassen. Der Judenhass – das ist keine neue Erkenntnis – hat sich festgesetzt in Deutschland. Er ist epidemisch geworden. Neben den Zahlen der Polizeistatistik, die naturgemäß nur die den Behörden bekannten und strafrechtlich relevanten Fälle erfasst, gibt es für jüdische Menschen noch eine andere Realität: die des alltäglichen Antisemitismus.

Erschütternd ist auch ein Blick in die Aufschlüsselung der antisemitischen Straftaten nach Bundesländern. Auf das Land Berlin, in dem nur 4,7 Prozent der deutschen Bevölkerung leben, entfielen im vierten Quartal 2024 rund ein Drittel aller in Deutschland erfassten antisemitisch motivierten Straftaten.

Lesen Sie auch

Es ist wieder einmal offenkundig: Berlin hat von allen 16 Ländern das größte Antisemitismusproblem. Warum das so ist und welchen Hintergrund die Täter haben, kann tagtäglich auf Berliner Straßen und Plätzen besichtigt werden. Mehr als die Hälfte aller in der Polizeistatistik verzeichneten antisemitisch motivierten Delikte in der Kategorie »ausländische Ideologie« wurden in der Hauptstadt registriert.

In der Kategorie »religiöse Ideologie«, in die auch islamistische Straftaten fallen, waren es sogar zwei Drittel. Und selbst auf dem Feld des rechtsextremistisch motivierten Antisemitismus ist Berlin gemessen an seiner Einwohnerzahl deutlich vor den anderen Bundesländern. Nur Brandenburg und Thüringen konnten da noch »mithalten« und verzeichneten ähnlich viele judenfeindliche Taten pro Kopf

Die Zahlen sind kein Ruhmesblatt für den Berliner Senat. Auch wenn sie im Vergleich zum Vorjahr rückläufig sind: Es wäre an der Zeit, sich einmal Gedanken zu machen, was man von anderen Bundesländern lernen kann.

Meinung

Ein Friedensplan, der keiner ist?

Die von den Amerikanern vorgelegten Punkte zur Beendigung des Ukraine-Kriegs sind kein fairer Vorschlag, sondern eine Belohnung für den russischen Aggressor

von Alexander Friedman  24.11.2025

Meinung

Der Weg zum Frieden in Nahost führt über Riad

Donald Trump sieht in Saudi-Arabien zunehmend einen privilegierten Partner der USA. Die Israelis müssen gemäß dieser neuen Realität handeln, wenn sie ein Abkommen mit dem mächtigen Ölstaat schließen wollen

von Joshua Schultheis  24.11.2025

Existenzrecht Israels

Objektive Strafbarkeitslücke

Nicht die Gerichte dafür schelten, dass der Gesetzgeber seine Hausaufgaben nicht macht. Ein Kommentar

von Volker Beck  23.11.2025

Kommentar

Wenn Versöhnung zur Heuchelei wird

Jenaer Professoren wollen die Zusammenarbeit ihrer Universität mit israelischen Partnern prüfen lassen. Unter ihnen ist ausgerechnet ein evangelischer Theologe, der zum Thema Versöhnung lehrt

von Tobias Kühn  21.11.2025

Kommentar

Martin Hikel, Neukölln und die Kapitulation der Berliner SPD vor dem antisemitischen Zeitgeist

Der bisherige Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln ist abgestraft worden - weil er die Grundwerte der sozialdemokratischen Partei vertreten hat

von Renée Röske  21.11.2025

Meinung

Alles muss ans Licht

Eine unabhängige Untersuchungskommission über die Terroranschläge des 7. Oktober ist ein Akt von Pikuach Nefesch

von Sabine Brandes  21.11.2025

Jan Feldmann

Eine Revolution namens Schabbat

Wir alle brauchen einen Schabbat. Selbst dann, wenn wir nicht religiös sind

von Jan Feldmann  19.11.2025

Kommentar

Danke, Berlin!

Die Entscheidung der Behörden, einem Hamas-Fanboy die Staatsbürgerschaft zu entziehen, sendet ein unmissverständliches und notwendiges Signal an alle Israelhasser. Mit Mahnwachen allein können wir die Demokratie nicht verteidigen

von Imanuel Marcus  19.11.2025

Meinung

Die Schönwetterfreunde Israels sind zurück! 

Die Wiederaufnahme der Waffenexporte ist richtig und notwendig. Doch das ändert nichts daran, dass die Bundesregierung das Vertrauen Israels und vieler Juden vorerst verloren hat

von Sarah Cohen-Fantl  18.11.2025 Aktualisiert