Redezeit

»Wesen des Judentums«

Danny Harris Foto: adigital.co.il

Herr Harris, Sie haben mit »StorySocial« eine Platform für Storytelling geschaffen. Worum genau handelt es sich dabei?
Nun, manche sagen, dass Storytelling wahrscheinlich eine der ältesten Traditionen der Welt ist. Es geht hauptsächlich darum, wie wir unsere Kultur weitergeben. Die Art, wie wir erzählen hat sich über die Jahrhunderte verändert. Wir vermitteln Botschaften mithilfe von 140 Zeichen. Die Grundzüge des Storytelling verstecken sich überall: In Werbebotschaften zum Beispiel.

Wie haben Sie angefangen?
Ich hatte eine Panikattacke in einem dieser Yuppi-Supermärkte, in denen es fünf Sorten Tomaten gibt. Ich stand also da in meinem Anzug mit meiner Yoga-Matte und schaute mich um. Wir waren alle gleich: gut ausgebildet, Mittzwanziger und eigentlich kannten wir uns kaum. Ich musste da raus. Auf dem Weg nach Hause beschloss ich, dass ich jeden Tag einen fremden Menschen interviewen werde. Sie sollten mir etwas von sich erzählen, warum sie in Washington sind etc.

Wie haben die Leute darauf reagiert?
Einige waren sehr offen, einige weniger. Es war beispielsweise erstaunlich, mit einem Müllmann während seiner Mittagspause zu sprechen. Wie oft fragt man schon einen Busfahrer oder einen Müllmann danach, was genau er tut, wie sein Leben ist und seine Geschichte. Das waren unheimlich bereichernde Momente.

Was ist denn jüdisch am Storytelling?
So viel. Es liegt im Wesen des Judentums. Wenn man zum Beispiel an Feiertage wie Pessach denkt: Alle sitzen beisammen und man hört die Familiengeschichten, die Erfahrung der Einwanderung oder man nimmt eine alte Erzählung und trägt diese ins Heute. Es gibt immer Geschichten und Erzählungen, die sie miteinander verbinden.

Erinnern Sie sich an eine Geschichte, die Sie sehr berührt hat?
Ich mache das mittlerweile so lange, dass ich mich beinahe wie ein Elternteil fühle, der sich zwischen seinen Kinder entscheiden muss. Lassen Sie es mich so sagen. Wenn man Menschen fragt, werden sie auch antworten. Ich habe wildfremde Menschen angesprochen und sie haben mich nach Hause eingeladen, ich habe mit ihnen Tee getrunken. Das waren tolle Momente. Das Erzählen hilft Menschen und es wirkt sich positiv auf sie aus.

Ist den Storytelling modern?
Heutzutage ist es angesagt, viele kleine Information zu posten. 90 Prozent der Dinge, die Menschen auf Facebook oder Twitter teilen, sind: »Hier ist ein neues Foto meiner Katze.« Man kann jede Sekunde Dinge posten, aber wir sollten auch daran denken, was man über uns erzählen wird. Werden wir eine Generation der Katzenfoto-postenden Menschen sein oder wird man sich an uns als eine Generation erinnern, die Dinge grundlegend verändert hat?

www.storysocial.co

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  02.12.2025 Aktualisiert

TV-Kritik

Allzu glatt

»Denken ist gefährlich«, so heißt eine neue Doku über Hannah Arendt auf Deutsch. Aber Fernsehen, könnte man ergänzen, macht es bequem - zu bequem. Der Film erklärt mehr als dass er zu begeistern vermag

von Ulrich Kriest  02.12.2025

Streaming

Gepflegter Eskapismus

In der Serie »Call my Agent Berlin« nimmt sich die Filmbranche selbst auf die Schippe – mit prominenter Besetzung

von Katrin Richter  02.12.2025

Jean Radvanyi

»Anna Seghers war für mich ›Tschibi‹«

Ein Gespräch mit dem Historiker über die Liebesbriefe seiner Großeltern, Kosenamen und hochaktuelle Texte

von Katrin Richter  02.12.2025

TV-Kritik

Politisierende Ermittlungen

In »Schattenmord: Unter Feinden« muss eine arabisch-stämmige Polizistin den Mord an einem jüdischen Juristen aufklären

von Marco Krefting  02.12.2025

Kommentar

Schiedsgerichte sind nur ein erster Schritt

Am 1. Dezember startet die Schiedsgerichtsbarkeit NS-Raubkunst. Doch es braucht eine gesetzliche Regelung auch für Werke in Privatbesitz, meint unser Gastautor

von Rüdiger Mahlo  01.12.2025

Rache

»Trigger-Thema« für Juden

Ein Filmseminar der Jüdischen Akademie untersuchte das Thema Vergeltung als kulturelle Inszenierung

von Raquel Erdtmann  01.12.2025

Wuppertal

Schmidt-Rottluff-Gemälde bleibt in Von der Heydt-Museum

»Zwei Frauen (Frauen im Grünen)« von Karl Schmidt-Rottluff kann im Von der Heydt Museum in Wuppertal bleiben. Nach Rückgabe an die Erbin erwarb die Stadt das Bild von ihr. Vorausgegangen waren intensive Recherchen zur Herkunft

 01.12.2025

Dorset

»Shakespeare In Love« - Dramatiker Tom Stoppard gestorben

Der jüdische Oscar-Preisträger war ein Meister der intellektuellen Komödie. Er wurde 88 Jahre alt

von Patricia Bartos  01.12.2025