Süddeutsche Zeitung

»Von der Meinungsfreiheit gedeckt«

Seite 4 der Süddeutschen Zeitung vom 15. Mai 2018 Foto: JA

Der Deutsche Presserat sieht in der von vielen als antisemitisch kritisierten Karikatur von Dieter Hanitzsch in der »Süddeutschen Zeitung« keinen Verstoß gegen den Pressekodex. »Die Grenze zur Diskriminierung von Juden nach Ziffer 12 Pressekodex ist nicht überschritten«, teilte das Gremium der freiwilligen Selbstkontrolle der Presse am Mittwoch mit.

»Die Gesichtszüge des israelischen Premierministers sind zwar überzeichnet, im Rahmen der Meinungsfreiheit ist dies aber zulässig. Die Karikatur wurde im zuständigen Ausschuss gründlich erörtert«, so der Deutsche Presserat weiter. Die Einschätzung sei mehrheitlich gefällt worden. Lediglich einige Mitglieder des Gremiums äußerten Kritik an der ihrer Ansicht nach stereotypen Bildsprache.

Diskriminierung In Ziffer 12 des Pressekodex heißt es: »Niemand darf wegen seines Geschlechts, einer Behinderung oder seiner Zugehörigkeit zu einer ethnischen, religiösen, sozialen oder nationalen Gruppe diskriminiert werden.«

Die Karikatur von Dieter Hanitzsch war am 15. Mai 2018 in der Süddeutschen Zeitung erschienen. Die Zeichnung des Karikaturisten zeigt den israelischen Premier in Gestalt der Gewinnerin des Eurovision Song Contest, Netta Barzilai. Er hält eine Rakete mit Davidstern in die Höhe; in den Mund gelegt ist ihm der traditionelle jüdische Ausspruch »Nächstes Jahr in Jerusalem!«. Netanjahu wird mit großen abstehenden Ohren dargestellt, was als antisemitisches Stereotyp gilt.

Die Süddeutsche Zeitung hatte sich nach massiver Kritik an dieser Darstellung öffentlich entschuldigt. SZ-Chefredakteur Wolfgang Krach schrieb in einer Erklärung: »Trotz dieser Intention des Karikaturisten kann man die Zeichnung auch anders verstehen und als antisemitisch auffassen.« Der zweite SZ-Chefredakteur, Kurt Kister, entschuldigte sich ebenfalls für die Karikatur. Er äußerte sein Verständnis für die Einschätzung, dass die Karikatur als judenfeindlich aufgefasst und Bilder von Zeichnungen im Nazi-Hetzblatt »Der Stürmer« wachrufe.

beendigung Hanitzsch wollte dies explizit nicht tun: »Dass sich die Redaktion entschuldigt, ist ihre Sache. Ich entschuldige mich nicht.« Der Vorwurf, dass man die Zeichnung als antisemitisch auffassen könne, treffe ihn nicht. Auch als Deutscher wolle er die Politik Netanjahus kritisieren können. Daraufhin beendete die Süddeutsche Zeitung ihre jahrzehntelange Zusammenarbeit mit Dieter Hanitzsch.

Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, sah in der Zeichnung »deutlich antisemitische Züge. Hier werden Assoziationen an die unerträglichen Zeichnungen der nationalsozialistischen Propaganda geweckt«. Auch wenn Karikaturen ironisieren und provozieren sollten, sei hier eine rote Linie überschritten worden, sagte Klein der Jüdischen Allgemeinen.

Deutliche Kritik an der Karikatur äußerte auch der neue bayerische Antisemitismusbeauftragte Ludwig Spaenle. »Bei allem Verständnis für die künstlerische Freiheit: Die Zeichnung ist mehr als grenzwertig«, sagte der CSU-Politiker. »Hier werden negative Stereotype und Klischees von Juden fatalerweise bewusst oder unbewusst verbreitet – die Aufregung über die Karikatur ist zu Recht groß.«

Ganz ähnlich sah das der baden-württembergische Antisemitismusbeauftragte Michael Blume. »Karikaturen arbeiten mit Symbolen, und Symbole wecken Assoziationen. So bestätigt der Davidstern im Eurovision-Schriftzug die klassischen antisemitischen Verschwörungsmythen von abgekarteten Kulturveranstaltungen, bei denen verborgene Juden vorab das Ergebnis festgelegt hätten«, sagte Blume.

München

Filmemacher Michael Verhoeven ist tot

Mit kritischen Filmen über den Vietnamkrieg oder den Nationalsozialismus setzte der Filmemacher Akzente

 26.04.2024

Glosse

Ständig wird gestört

In Berlin stürmten erneut propalästinensische Kräfte in Anwesenheit der Kulturstaatsministerin die Bühne

von Michael Thaidigsmann  26.04.2024

Immanuel Kant

Aufklärer mit Ressentiments

Obwohl sein Antisemitismus bekannt war, hat in der jüdischen Religionsphilosophie der Moderne kein Autor mehr Wirkung entfaltet

von Christoph Schulte  26.04.2024

Karl Kraus

»Als ob man zum ersten und zum letzten Mal schriebe«

Zum 150. Geburtstag des großen Literaten und Satirikers

von Vladimir Vertlib  26.04.2024

Bonn

Beethoven-Haus zeigt Ausstellung zu Leonard Bernstein

Die lebenslange Beschäftigung des Ausnahmetalents mit Beethoven wird dokumentiert

 25.04.2024

Potsdam

Chronist der neuen Weiblichkeit

Das Museum Barberini zeigt Modiglianis Menschenbilder in neuem Licht

von Sigrid Hoff  25.04.2024

München

Ausstellung zeigt Münchner Juden im Porträt

Bilder von Franz von Lenbach und anderen sind zu sehen

 25.04.2024

Wien

Spätwerk von Gustav Klimt für 30 Millionen Euro versteigert

Der Künstler malte das »Bildnis Fräulein Lieser« kurz vor seinem Tod

 25.04.2024

Los Angeles

Barbra Streisand: Lovesong als Zeichen gegen Antisemitismus

Für die Serie »The Tattooist of Auschwitz« singt sie das Lied »Love Will Survive«

 25.04.2024