Zeitzeugin

Vermächtnis einer starken Frau

Im Juni 2021 verstarb Esther Bejarano im Alter von 96 Jahren. Bis zuletzt suchte die Auschwitz-Überlebende den Dialog mit Jugendlichen, sprach über ihr Leben, ihren Leidensweg im Zweiten Weltkrieg, und sie stand Rede und Antwort zur Schoa.

Weil sie im Mädchenorchester von Auschwitz Akkordeon spielte, überlebte Bejarano das Todeslager. Zwei Jahre war sie Zwangsarbeiterin im KZ Ravensbrück. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs gelang ihr bei einem Todesmarsch die Flucht. Später wanderte sie nach Palästina aus und kehrte 1960 nach Deutschland zurück.

WILLEN Vor kurzem ist das letzte Interview mit der Zeitzeugin in Buchform erschienen. Geführt wurde das Gespräch kurz vor Bejaranos Tod von den Jugendlichen Florian Bessel und Kay Moritz Ebbinghaus. Die alte Dame stimmte zu, obwohl sie zuvor infolge eines Sturzes in ihrer Wohnung eine ganze Nacht lang allein auf dem Boden lag, bis Hilfe kam. »Man hat an ihrer Stimme gemerkt: Sie will das unbedingt machen«, zeigten sich die beiden beeindruckt. Wenige Wochen später war Esther Bejarano tot.

Bejaranos Vermächtnis in dem Buch ist eine Botschaft an die Jugend: Kein Hass zwischen den Völkern und zwischen Menschen, keine Intoleranz, kein Antisemitismus und kein Rassismus.

Bei der Vorstellung des Buches am Montag in München durch die langjährige ARD-Auslandskorrespondentin Susanne Glass betonte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, es sei bemerkenswert, dass sich Esther Bejarano zeitlebens offen zu ihrem Judentum bekannt habe und ihre Nummer und Adresse trotz wiederholter antisemitischer Anfeindungen auch im Telefonbuch stand.

EINDRUCK »Wenn das Buch nun den Titel trägt ‚Nie schweigen‘, dann entspricht das genau der Einstellung von Esther Bejarano«, sagte er. Sie habe immer den Wunsch gehabt, gerade junge Menschen zu erreichen. »Niemand auf dieser Erde wird als Antisemit geboren«, sagte Schuster. »Und gerade der Berichte einer Holocaustüberlebenden kann junge Leute beeindrucken.« Der Zentralratspräsident gab den beiden Jugendlichen selbst ein Interview, das dem Buch beigefügt ist.

Bei der Präsentation des Buches im Münchner Presseclub waren auch die Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Die Linke) sowie die nordrhein-westfälische Antisemitismusbeauftragte und frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) anwesend.

Schuster, Pau und Leutheusser-Schnarrenberger verurteilten in deutlichen Worten auch den Krieg Russlands gegen die Ukraine und die vorgebrachte Begründung des russischen Präsidenten Wladimir Putin, man müsse die Ukraine »entnazifizieren«. Petra Pau sagte: »Wir müssen uns dem auch mit Fakten entgegenstellen und sagen: Nein, ihr dichtet uns die Geschichte nicht um und betreibt hier keine Täter-Opfer-Umkehr!«

»Nie schweigen«, Hrsg. Sascha Hellen, Bonifatius-Verlag, 144 Seiten, 14 Euro.

Musik

Louis-Lewandowski-Festival hat begonnen

Der Komponist Louis Lewandowski hat im 19. Jahrhundert die jüdische Synagogenmusik reformiert. Daran erinnert bis Sonntag auch dieses Jahr ein kleines Festival

 18.12.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Bettina Piper, Imanuel Marcus  18.12.2025

Ausstellung

Pigmente und Weltbilder

Mit »Schwarze Juden, Weiße Juden« stellt das Jüdische Museum Wien rassistische und antirassistische Stereotype gleichermaßen infrage

von Tobias Kühn  18.12.2025

Kulturkolumne

Vom Nova-Festival zum Bondi Beach

Warum ich keine Gewaltszenen auf Instagram teile, sondern Posts von israelischen Künstlern oder Illustratorinnen

von Laura Cazés  18.12.2025

Neuerscheinung

Mit Emre und Marie Chanukka feiern

Ein Pixi-Buch erzählt von einem jüdischen Jungen, der durch religiöse Feiertage Verständnis und Offenheit lernt

von Nicole Dreyfus  18.12.2025

Zahl der Woche

1437

Funfacts & Wissenswertes

 18.12.2025

Revision

Melanie Müller wehrt sich gegen Urteil zu Hitlergruß

Melanie Müller steht erneut vor Gericht: Die Schlagersängerin wehrt sich gegen das Urteil wegen Zeigens des Hitlergrußes und Drogenbesitzes. Was bisher bekannt ist

 18.12.2025

Gastbeitrag

Liebe Kolleginnen und Kollegen, warum schweigt ihr?

Jan Grabowski fragt die deutschen Historiker, warum sie es unwidersprochen stehen lassen, wenn ein Holocaust-Experte für seine Forschungsarbeit diskreditiert wird

von Jan Grabowski  18.12.2025

Los Angeles

Rob und Michele Reiner: Todesursache steht fest

Ihre multiplen Verletzungen seien durch Gewalteinwirkung entstanden, so die Gerichtsmedizin

 18.12.2025