Tagung

Undogmatische Orientierung

Gibt es überhaupt so etwas wie eine spezifisch jüdische Ethik? Foto: Thinkstock

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Undogmatische Orientierung

Die Bildungsabteilung im Zentralrat widmete sich jüdischer Philosophie und Ethik

von Ralf Balke  21.03.2016 18:28 Uhr

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Veranstaltungen der Bildungsabteilung im Zentralrat der Juden in Deutschland entwickeln sich zunehmend zu wahren Publikumsmagneten. So auch wieder die dreitägige Tagung »Philosophie und Ethik im Judentum« vergangene Woche in Berlin, die regen Zulauf und ein volles Haus verzeichnete. Offensichtlich hat man ein Gespür für die richtigen Themen. Denn die Komplexität unserer Welt macht es erforderlich, sich mit den Zusammenhängen menschlichen Denkens und Handelns intensiv auseinanderzusetzen – so war es bereits in der Einladung angekündigt.

»Gerade die jüdische Philosophie kommt doch im normalen Leben meiner Meinung nach manchmal etwas zu kurz«, erklärt Josef Meyerson. »Ich finde es deshalb schon sehr interessant und mutig, das Ganze auch im Kontext religiöser Fragestellungen zu betrachten. Genau diese Kombination hat mich dazu motiviert, nach Berlin zu fahren«, so der 37-jährige Jurist. Schließlich haben die Lehren des rabbinischen und talmudischen Judentums sowie der jüdischen Mystik nicht nur einen beeindruckenden Kosmos an Ideen hervorgebracht, sondern der jüdischen Philosophie und Ethik der Gegenwart ebenfalls bedeutende Impulse verliehen.

Darüber hinaus gab es spannende Vorträge kompetenter Wissenschaftler und Rabbiner sowie Workshops, um den einzelnen Fragestellungen in einer kleineren Runde intensiv auf den Grund zu gehen.

Moderne Prominente Referenten wie George Kohler von der Bar-Ilan-Universität in Israel oder Frederek Musall von der Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg vermittelten in ihren Beiträgen über »Ethik in der jüdischen Religionsgeschichte« und »Philosophie und Religion – ein spannungsgeladenes Verhältnis?« einen detaillierten Überblick über die verschiedenen Aspekte dieses Themenkomplexes. Immer wieder stand dabei die zentrale Problematik im Raum, vor welchen Herausforderungen jüdische Philosophie in der Moderne steht und welche Konflikte daraus entstehen können.

»Jüdische Philosophie ist für viele Gemeindemitglieder eine Dimension der Orientierung auf ihrer Identitätssuche, seien sie religiös oder säkular«, brachte es Doron Kiesel, Wissenschaftlicher Direktor der Bildungsabteilung, bereits im Vorfeld auf den Punkt. Und last but not least wurde auch der Frage nachgegangen, ob es überhaupt so etwas wie eine spezifisch jüdische Ethik gibt.

So schlug man ebenfalls die Brücke zur Medizinethik, was auf ganz besonders großes Interesse stieß. »Jetzt wird es sehr konkret«, versprach denn auch Sabena Donath, Leiterin der Bildungsabteilung im Zentralrat. »Schließlich geht es um die Frage, warum sich auch ein Rabbiner mit medizinethischen Fragen auseinandersetzen muss.«

Ab welchem Zeitpunkt beginnt Leben, wann genau endet es, und was ist erlaubt? Welche Aussagen dazu macht die Halacha? Darauf gab Julian-Chaim Soussan, Rabbiner der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt am Main, spezifisch jüdische Antworten. Ausgangspunkt seiner Betrachtungen war der Begriff Pikuach Nefesch (wörtlich: »ein Leben retten«), der auf dem Prinzip basiert, dass die Erhaltung eines menschlichen Lebens fast alle anderen Religionsgesetze erst einmal außer Kraft zu setzen vermag. »Schließlich soll man durch die Gebote leben und nicht sterben«, so Soussan. »Und weil in der Tora ›Stehe nicht still bei dem Blut deines Nächsten‹ geschrieben steht, darf der Arzt nicht nur heilen, er muss es sogar.«

Des Weiteren skizzierte der Rabbiner zahlreiche ethische Aspekte beim Schwangerschaftsabbruch, der Präimplantationsdiagnostik oder sogenannten Schönheits-OPs. Aber auch die Verpflanzung von Organen sprach er an: »Sogar die Herzklappe eines Schweins zu transplantieren, stellt aus jüdischer Sicht keinesfalls ein Problem dar. Schließlich esse ich sie ja nicht.« Vieles, was er berichtete und an einzelnen Beispielen anschaulich erklärte, wirkte erstaunlich undogmatisch und überraschte so manchen Zuhörer.

Antworten »Es ist schon immer die Position des Judentums gewesen, auf ganz individuelle Nöte in einer jeweiligen Situation zu reagieren und nach neuen Lösungen zu suchen«, so Soussan. »Die oftmals zu beobachtende Meinung, dass die Religion sowieso gegen alles sei, ist also definitiv eine Fehleinschätzung. Das Gespräch mit einem Rabbiner zu derart essenziellen Fragen kann deshalb helfen, Antworten auf die die wirklich essenziellen Probleme zu finden.«

Antworten will auch ein aktuelles Buch mit dem Titel Lehre mich, Ewiger, Deinen Weg – Ethik im Judentum geben, das vom Zentralrat in Kooperation mit dem Israelitischen Gemeindebund der Schweiz herausgegeben wurde. »Angefangen von der Umweltethik über Medizin- und Sozialethik bis hin zur Ethik der persönlichen Beziehungen behandelt es ein breites Spektrum an Themen«, so Shila Erlbaum, Kultus- und Bildungsreferentin des Zentralrats bei ihrer anschließenden Präsentation dieses Sammelbandes, der wohl das erste deutschsprachige Lehrbuch zu diesen Fragen ist. »Es soll Hilfestellung sein, um moralische Urteilsfähigkeit auf Basis jüdischer Quellen zu entwickeln.«

Denn jüdische Ethik ist mehr als nur ein interessantes Tagungsthema, sondern sollte auch in der täglichen Gemeindearbeit nicht zu kurz kommen. »Dadurch wird dem Leser die Kontinuität jüdischen Denkens bewusst, und er erhält Zugang zu den religiösen und moralischen Geboten

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