Musik

»Teilweise ja auch poetisch«

Besser als die Toten Hosen: Bob Dylan Foto: imago/ZUMA Press

Musik

»Teilweise ja auch poetisch«

Warum der Sänger und Nobelpreisträger Bob Dylan trotz Feiertagsverordnung am Karsamstag in Augsburg auftreten darf

von Martin Krauss  28.02.2019 12:31 Uhr

Bob Dylan ist kein Tanzmusiker, zumindest nicht im engeren Sinne. Aber der 77-jährige Singer-Songwriter ist schon wieder auf Deutschland-Tournee, und am 20. April wird er in Augsburg auftreten. Das ist nicht etwa wegen des immer noch als »Führers Geburtstag« firmierenden Datums ein Problem, sondern weil es sich im Jahr 2019 um den Karsamstag handelt.

»Der Karsamstag ist ein sogenannter ›Stiller Tag‹«, teilt die Stadt Augsburg mit, und das bedeutet Auflagen, die an das »Tanzverbot« am Karfreitag erinnern. »An ›Stillen Tagen‹ sind öffentliche Unterhaltungsveranstaltungen nur dann erlaubt, wenn der diesen Tagen entsprechende Charakter gewahrt ist«, sagt Dirk Wurm, Stadtrat für das Referat Ordnung, Gesundheit und Sport in Augsburg.

Die »Augsburger Allgemeine« berichtet, wie ein eigentlich fälliges Konzertverbot mit einem Trick umgangen wurde: »Das Konzert des Literatur-Nobelpreisträgers wird als Kulturveranstaltung ausgewiesen.« Mit diesem Kniff habe man sogar andere lokale Veranstalter in Bayern, etwa in München oder Kempten, ausgestochen. Augsburg ist 2019 im Freistaat die einzige Station von Dylans Tournee.

GESETZE Davon weiß der Veranstalter, die Firma »Live Nation Germany«, nichts. »Wir wollten ein Konzert in München machen, leider war die Olympiahalle belegt«, sagt Jacky Jedlicki von »Live Nation«. In München findet nämlich an diesem Abend die Pferdeshow »Apassionata« statt. Für Jedlicki stellt sich die Sache anders dar: »Der Termin war frei und passte in das Routing, deshalb sind wir nach Augsburg.«

Überhaupt sieht man beim Veranstalter im deutschen »Gesetz zum Schutz der Sonn- und Feiertage« kein unlösbares Problem. »Wir und alle Künstler müssen sich an die Gesetze halten«, sagt Jedlicki. »Es gibt natürlich auch immer Ausnahmen.«

In München war die Olympiahalle bereits belegt.

Gedanken über den »Stillen Tag« und die Voraussetzungen, dann ein Konzert zu veranstalten, hat man sich in der Stadtverwaltung Augsburg allerdings sehr wohl gemacht, wie Dirk Wurm bestätigt. »Wir kamen gemeinsam zum Entschluss, dass ein Konzert von Bob Dylan diese Voraussetzungen erfüllt und somit grundsätzlich an einem ›Stillen Tag‹ nicht verboten ist.«

ZUHÖREN Für die Vermutung, dass der jüdische Musiker nicht den christlichen Osterfrieden stört, spricht nach Einschätzung der Stadt Augsburg unter anderem »die Tatsache, dass die Musik zum Zuhören animiert und nicht zum Tanzen, dass der Konzertsaal komplett bestuhlt ist und keine Stehplätze vorhanden sind, dass die Texte auch teilweise poetisch sind und Bob Dylan sogar der Nobelpreis für Literatur verliehen wurde«.

Jedenfalls ist die Tourneestation in der für 5000 Besucher bestuhlten Halle ein kulturelles Highlight für die 280.000-Einwohner-Stadt. »In der Tat ist es ungewöhnlich, dass ein Künstler dieses internationalen Formats in der Augsburger Schwabenhalle spielt«, schreibt die »Augsburger Allgemeine« und berichtet: »Das Highlight der vergangenen Jahre waren 2013 die Toten Hosen, die vor ausverkaufter Halle spielten.«

Nun also Dylan – für den Augsburger Messechef Gerhard Reiter gilt das jetzt schon als »Jahrhundert-Konzert«: »Ich bin sehr stolz, dass es geklappt hat, Bob Dylan nach Augsburg zu lotsen.« Wenn es schon nicht die Umgehung der freistaatlichen Feiertagsvorschriften war, dann gibt man in Augsburg zumindest damit an, dass das New Yorker Management vom Gesamtpaket angetan gewesen sei. Schließlich passe das Label Augsburgs als »Friedenstadt« doch »gut zu dem Frieden-Poeten Dylan« (Augsburger Allgemeine).

So spielt Bob Dylan also feiertagskompatibel auf, und dass er sich selbst schon mehrfach als »Song & Dance Man« bezeichnet hat, muss in Augsburg ja niemand wissen. Martin Krauß

Weitere Termine auf Bob Dylans Europa-Tournee unter www.bobdylan.com/on-tour/

Zahl der Woche

2 Jahre

Fun Facts und Wissenswertes

 03.12.2025

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  03.12.2025 Aktualisiert

Medien

»Antisemitische Narrative«: Vereine üben scharfe Kritik an Preis für Sophie von der Tann

Die Tel-Aviv-Korrespondentin der ARD soll mit dem Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis geehrt werden

 03.12.2025

Chemnitz

Sachsen feiert »Jahr der jüdischen Kultur«

Ein ganzes Jahr lang soll in Sachsen jüdische Geschichte und Kultur präsentiert werden. Eigens für die Eröffnung des Themenjahres wurde im Erzgebirge ein Chanukka-Leuchter gefertigt

 03.12.2025

TV-Tipp

»Fargo«: Spannend-komischer Thriller-Klassiker der Coen-Brüder

Joel und Ethan Coen erhielten 1997 den Oscar für das beste Originaldrehbuch

von Jan Lehr  03.12.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 4. Dezember bis zum 10. Dezember

 03.12.2025

TV-Kritik

Allzu glatt

»Denken ist gefährlich«, so heißt eine neue Doku über Hannah Arendt auf Deutsch. Aber Fernsehen, könnte man ergänzen, macht es bequem - zu bequem. Der Film erklärt mehr als dass er zu begeistern vermag

von Ulrich Kriest  02.12.2025

Streaming

Gepflegter Eskapismus

In der Serie »Call my Agent Berlin« nimmt sich die Filmbranche selbst auf die Schippe – mit prominenter Besetzung

von Katrin Richter  02.12.2025

Jean Radvanyi

»Anna Seghers war für mich ›Tschibi‹«

Ein Gespräch mit dem Historiker über die Liebesbriefe seiner Großeltern, Kosenamen und hochaktuelle Texte

von Katrin Richter  02.12.2025