Sehen!

»Talmid«

Tahrir-Platz in Kairo Foto: Jörn Vanhöfen

Durch die Fenster einer Galerie in Berlin-Mitte sieht man eine Wüstenlandschaft, urbanes Chaos, den Tempelberg, das Tote Meer. Im zweiten Raum steht ein Tisch, auf dem zwei Bücher liegen, die erklären, was es mit den großformatigen Bildern des Fotokünstlers Jörn Vanhöfen auf sich hat, die neben heutigen Aufnahmen aus Israel auch solche aus Ägypten, Syrien und der Türkei zeigen. Die sammelt das Fotobuch.

Im anderen sind vergilbte Tagebuchseiten zu sehen, gefüllt mit schwungvoller Kurrentschrift, überschrieben mit dem Titel: »Mein orientalisches Tagebuch 1873«. Und schon ist man mittendrin in der Geschichte, der Auseinandersetzung mit ihr und der Zeitreise, zu der die Ausstellung Talmid (hebräisch für Schüler) einlädt.

lebenswerk Talmid erzählt von der siebenmonatigen Orientreise des jüdischen Gelehrten Ignaz Goldziher. Der Betrachter taucht ein in das Lebenswerk des Sprachen-Wunderkindes, Talmud-, Judaistik- und Arabistikstudenten und Mitbegründers der modernen Islamwissenschaften in Europa.

23 Jahre alt war Goldziher, als er sich von Budapest aus aufmachte, die Bibliotheken und Kulturstätten des Judentums und des Islam in Jerusalem, Damaskus, Istanbul und Kairo zu besuchen, wo er neben historischen Schriften vor allem das Leben studieren sollte.

Charmanterweise beginnen die Aufzeichnungen mit Heimweh und Seekrankheit. Aber wie es mit großen Reisen ist, hat auch Goldziher sich bald berappelt und für die Welt außerhalb der seinen geöffnet. Höhepunkt war sein Studium an der Al-Azhar-Universität in Kairo als erster Nicht-Muslim in deren Geschichte.

kulturen Goldzihers Lebenswerk war eines der Interdisziplinarität. Die Befruchtung der Kulturen und Traditionen untereinander, der Austausch, das Miteinander interessierten ihn. Maimonides und Averroës, wie es der deutsch-iranische Schriftsteller Navid Kermani im Vorwort des Text-Buches betont.

Genau das ist auch das Interesse Vanhöfens an Goldzihers Reise vor knapp 150 Jahren. In seinen Großaufnahmen betrauert er den Verlust dieses Miteinanders und denkt bildstark darüber nach, wie aus romantisch befeuerter Anziehungskraft Ablehnung werden konnte. Da wird der Talmid zum Lehrer.

»Talmid« ist noch bis zum 4. Dezember in der Galerie Kuckei + Kuckei in Berlin zu sehen.

Kunst

»Das Alef sitzt dort allein«

Fishel Rabinowicz ist im Alter von 100 Jahren gestorben. Lesen Sie hier unser letztes Interview mit dem Schweizer Schoa-Überlebenden

von Peter Bollag  01.11.2024 Aktualisiert

Meinung

Antisemitische Scheinheiligkeit im Kulturbetrieb

Sally Rooney klagt in einem neuen Boykottaufruf Israel an, schweigt aber zu Unrechtsregimen wie dem in China

von Jacques Abramowicz  31.10.2024

Australien

Thom Yorke stellt Störer zu Rede

Der Konzertteilnehmer hatte den Sänger aufgefordert, sich zum Gaza-Krieg zu positionieren

 31.10.2024

Kolumne

Jerry Seinfeld, rette mich!

Wenn die Gleichzeitigkeit von Raketen auf Israel und Kaffeetrinken in Berlin mich durchdrehen lässt, brauche ich eine forcierte Übersprungshandlung

von Sophie Albers Ben Chamo  31.10.2024

Sehen!

»Riefenstahl«

Andreas Veiel entlarvt in seinem Film die Bildmanipulatorin zwischen Hitler-Hype, radikaler (gespielter?) Naivität und Ehrgeiz

von Jens Balkenborg  31.10.2024

Frankfurt am Main

Goethe-Universität und Jüdische Akademie kooperieren

Neben gemeinsamen Forschungsprojekten soll es auch eine Zusammenarbeit bei Vorlesungsreihen, Workshops, Seminaren, Konferenzen sowie Publikationen geben

 31.10.2024

Kultur und Unterhaltung

Sehen, Hören, Hingehen

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 31. Oktober bis zum 7. November

 31.10.2024

Frankfurt am Main

Sonderausstellung zu jüdischer Trauerkultur

Die Schau informiert auch über Vorstellungen des Judentums von Unterwelt und Jenseits, besondere Trauerrituale und Formen des Totengedenkens

 30.10.2024

Berlin

Israelsolidarische Kneipe »Bajszel« attackiert

Zum wiederholten Mal gab es einen mutmaßlich antisemitischen Anschlag auf die Neuköllner Kulturkneipe

von Ralf Balke  30.10.2024