Berlin

Tagebuch einer Zeitzeugin

Ein Passbild von Sheindi Ehrenwald wird in der Ausstellung gezeigt. Foto: dpa

75 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz macht eine Zeitzeugin ihr Tagebuch öffentlich: Sheindi Miller-Ehrenwald hat damals als 14-Jährige das Grauen auf 54 Seiten dokumentiert. Nun sind die Original-Tagebuchseiten im Zeughaus des Deutschen Historischen Museums zu sehen.

Am Mittwochabend fand die Eröffnung der Ausstellung Deportiert nach Auschwitz – Sheindi Ehrenwalds Aufzeichnungen statt. Museumsdirektor Raphael Gross sagte, die 54 Seiten seien »eine direkte Stimme von einem fürchterlichen Verbrechen«. Die Aufzeichnungen ermöglichen, die damaligen fürchterlichen Verbrechen zu erinnern.

vermächtnis Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble nannte das Tagebuch ein einmaliges Dokument für nachfolgende Generationen und »ein Vermächtnis gegen das Vergessen«. Es habe unschätzbaren historischen Wert und emotionale Wucht. Es brauche das Wissen über das, was geschehen ist. Und neben Daten und Fakten brauche es auch Empathie. »Unsere Erinnerungskultur lebt von diesem Spannungsverhältnis aus Wissen und emotionaler Betroffenheit.« Und dabei seien es die persönlichen Geschichten, wie die von Sheindi Miller-Ehrenwald, die besonders berührten, so Schäuble.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Die 90-Jährige war zu diesem Anlass aus Jerusalem nach Berlin gekommen. Bisher hatte Sheindi Miller-Ehrenwald das Tagebuch für sich behalten. Nun sei sie bereit, der Welt die Geschichte zu erzählen. Die BILD zitiert sie mit den Worten: »Bald werde ich sterben und ich will nicht, dass man die Menschen vergisst, die ermordet worden sind.«

Bei der Ausstellungseröffnung sagte die Zeitzeugin, sie wünsche sich eine Welt ohne Hass.

Bei der Ausstellungseröffnung sagte die Zeitzeugin, sie wünsche sich eine Welt ohne Hass. Denn Hass führe zu Krieg, und sie habe 90 Jahre im Schatten des Krieges gelebt. »Wir sollten Frieden haben und nicht in Angst leben müssen.«

deportation Die ungarische Jüdin wurde 1944 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. »Wir sind verloren«, hielt sie am Tag des deutschen Einmarschs in Ungarn am 19. März 1944 fest. Nur wenige Monate später wurde Ehrenwald mit ihrer Familie deportiert. Ihre Großeltern, Eltern und Geschwister wurden von der SS ermordet, nur sie und eine ihrer Schwestern überlebten.

Die Aufzeichnungen, die im Juni 1944 enden, hatte sie nach der Selektion als Papierklumpen mitgeschmuggelt. In der Waffenfabrik, in der sie Zwangsarbeit leisten musste, schrieb sie ab Dezember 1944 ihr Tagebuch heimlich auf Laufkarten ab.

Zwar war Ungarn im Zweiten Weltkrieg mit Deutschland verbündet, bis 1944 blieben die 800.000 ungarischen Juden vom NS-Völkermord verschont. Mit der Besetzung im März 1944 und der Einsetzung einer Kollaborationsregierung begannen aber auch dort Deportationen. 560.000 ungarische Juden wurden in den Vernichtungslagern ermordet.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

dokumentation BILD hat nun die Geschichte erzählt, die Ausstellung initiiert und eine 35-minütige Dokumentation »Sheindi’s Diary« produziert, die am Mittwochabend zum ersten Mal gezeigt wurde. Zum Engagement seiner Redaktion sagte Chefredakteur Julian Reichelt der Jüdischen Allgemeinen: »Es gibt eine große Tradition, die auf den Verlagsgründer Axel Springer zurückgeht.«

Aber auch für alle Beteiligten, für die Reporter und für ihn persönlich, sei das keine reine Traditionspflege, sondern eine Herzensangelegenheit. »Es geht uns dabei darum, immer die Geschichten zu finden, die in dem Grauen so herausragend sind, dass sie zu Millionen Menschen sprechen und damit das, was geschehen ist, nicht in Vergessenheit gerät.«  ddk/dpa

Glosse

Gefilzte Fisch!

Wie unsere Autorin Fast Food für die Waschmaschine entdeckte. Eine Glosse

von Katrin Richter  24.08.2025

Essay

Das Einfache ist schwer zu machen

Wie unser Autor zu einem Fahrrad kam, das eine einzigartige Geschichte hat

von Vincent von Wroblewsky  24.08.2025

Ravensbrück

Gedenkstätte startet Sommer-Universität

Eine Woche lang soll diskutiert werden, wie die Geschichte und Rezeption von Täterinnen und Tätern, die in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern eingesetzt waren, in den Gedenkstätten thematisiert werden

 24.08.2025

Schauspieler Oliver Masucci

»Wo sind die Proteste gegen Gewalt an Juden?«

Kürzlich haben 400 Kunstschaffende appelliert, deutsche Waffenexporte an Israel zu stoppen. Der Schauspieler Oliver Masucci kann seine Kollegen im Grundsatz schon verstehen. Er hätte da allerdings noch ein paar Fragen

 24.08.2025

Oberammergau

»Judenfreund«: Regisseur Stückl beklagt Anfeindungen

Christian Stückl leitet die berühmten Passionsspiele in Oberbayern. Lange wurde er dafür gewürdigt, das Werk von judenfeindlichen Passagen befreit zu haben. Nun dreht sich der Wind

 24.08.2025

Aufgegabelt

Aus dem Deli: Forellen-Salat

Rezepte und Leckeres

 24.08.2025

Porträt

Zwischen Fluss und Meer

Yousef Sweid ist Palästinenser – und Israels »Schauspieler des Jahres«. Er lebt in Berlin und hat nach dem 7. Oktober lange geschwiegen. Jetzt spielt er sein Leben auf der Bühne

 24.08.2025

Essay

Übermenschlich allzumenschlich

Künstliche Intelligenz kann Großartiges leisten. Doch nicht zuletzt die antisemitischen Ausfälle von Elon Musks Modell »Grok« zeigen: Sie ist nicht per se besser als ihre Schöpfer. Ein alter jüdischer Mythos wirft Licht auf dieses Dilemma

von Joshua Schultheis  24.08.2025

Musik

Die Anti-Diva

Natalie Clein war schon mit 16 ein Star. Heute ist sie Cello-Professorin in Rostock

von Alicia Rust  24.08.2025