Medien

Süddeutsche Zeitung entschuldigt sich

Die Süddeutsche Zeitung (SZ) hat sich wegen einer als antisemitisch kritisierten Karikatur entschuldigt. Die Zeichnung des bekannten Karikaturisten Dieter Hanitzsch, die am Dienstag auf der Meinungsseite der SZ veröffentlicht wurde, zeigt den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu im Outfit der Sängerin Netta Barzilai, die am Wochenende den Eurovision Song Contest (ESC) gewonnen hatte.

Neben Netanjahu, dargestellt mit übergroßen Ohren, Lippen und Nase, ist der Schriftzug des ESC zu sehen, wobei das »v« durch einen Davidstern ersetzt wurde. In seiner linken Hand hält der Politiker eine Rakete, die ebenfalls ein Davidstern ziert. In einer Sprechblase ist zu lesen: »Nächstes Jahr in Jerusalem!«.

antisemitisch SZ-Chefredakteur Wolfgang Krach reagierte am Nachmittag mit einer Online-Mitteilung der Zeitung: Der Karikaturist habe mit seiner Darstellung lediglich darauf hinweisen wollen, dass das nächste ESC-Finale 2019 in Israel stattfinden wird. »Trotz dieser Intention des Karikaturisten kann man die Zeichnung auch anders verstehen und als antisemitisch auffassen«, so Krach weiter. Diese Karikatur habe auch innerhalb der SZ-Redaktion zu Diskussionen geführt. Die Veröffentlichung sei ein Fehler, für den die Süddeutsche Zeitung um Entschuldigung bitte.

In einem Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen widerspricht der Zeichner: »Dass sich die Redaktion entschuldigt, ist ihre Sache. Ich entschuldige mich nicht.« Zur Aussage, dass man die Zeichnung als antisemitisch auffassen kann, sagte Dieter Hanitzsch: »Der Vorwurf trifft mich nicht. Habe es so nicht gemeint. Die Politik Netanjahu möchte ich kritisieren können, auch als Deutscher.«

Hanitzsch verstehe Netanjahus Ankündigung »Nächstes Jahr in Jerusalem!« als Provokation, »weil Jerusalem höchst umstritten und nicht Israels offizielle Hauptstadt ist«. Die Rakete mit dem Davidstern sei ein »Symbol für seine nicht sehr friedensfördernde Politik«.

Monster Es ist nicht das erste Mal, dass die SZ auf ähnliche Kritik reagieren muss. Im Jahr 2013 druckte die Zeitung die Zeichnung eines Monsters mit Raffzähnen und Hörnern, Messer und Gabel in der Hand. Dazu hieß es in der Bildunterschrift unter anderem: »Deutschland serviert. Seit Jahrzehnten wird Israel, teils umsonst, mit Waffen versorgt. Israels Feinde halten das Land für einen gefräßigen Moloch.«

Einige Monate später illustrierte das Blatt seine Leserbriefseite, die sich dem Chaos am Mainzer Hauptbahnhof widmete, mit einem Foto der Gleise im NS-Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. »Um die richtigen Weichen zu stellen, braucht die Bahn Personal« stand darunter.

Und im Jahr 2014 druckte die SZ in einer Teilauflage eine Karikatur, die den Facebook-Gründer Mark Zuckerberg als Krake mit Hakennase und fleischigen Lippen zeigte. Zunächst wurde die Bildunterzeile verändert: Aus »Krake Zuckerberg« wurde »Krake Facebook«; die zuletzt gedruckte Ausgabe, die in München verkauft wurde, erschien dann mit Krake, aber ohne das Gesicht Zuckerbergs.

offener brief Die Jüdische Studierendenunion Deutschland (JSUD) hat sich am Mittwoch in einem Offenen Brief an die Zeitung gewandt. Darin heißt es, man sei entsetzt über die Karikatur, »welche sich bereits auf den ersten Blick erkennbar einer Vielzahl antisemitischer Klischees und Ressentiments bedient«. Statt als einflussreiche, etablierte deutsche Tageszeitung den Bemühungen zur Völkerverständigung nachzugehen, würden die jüdische Religion, das jüdische Volk, israelische Staatspolitik und Israels Sieg beim Eurovision Song Contest zu Unrecht in einen Topf geworfen.

»Wir erwarten ein bedingungsloses Einschreiten gegen weitere antisemitische Äußerungen und Darstellungen ihrer Redakteure und Karikaturisten.« Antisemitismus dürfe nicht das alleinige Problem von Juden sein, so die JSUD. »Die gesamte deutsche Bevölkerung muss, unter der Mitarbeit von deutschen Medien, an vorderster Front gegen antisemitische Tendenzen auf allen Ebenen vorgehen.« ddk/ppe

Kulturkolumne

Was bleibt von uns?

Lernen von John Oglander

von Sophie Albers Ben Chamo  25.11.2025

Kultur

André Heller fühlte sich jahrzehntelang fremd

Der Wiener André Heller ist bekannt für Projekte wie »Flic Flac«, »Begnadete Körper« und poetische Feuerwerke. Auch als Sänger feierte er Erfolge, trotzdem konnte er sich selbst lange nicht leiden

von Barbara Just  25.11.2025

Jüdische Kulturtage

Musikfestival folgt Spuren jüdischen Lebens

Nach dem Festival-Eröffnungskonzert »Stimmen aus Theresienstadt« am 14. Dezember im Seebad Heringsdorf folgen weitere Konzerte in Berlin, Essen und Chemnitz

 25.11.2025

Hollywood

Scarlett Johansson macht bei »Exorzist«-Verfilmung mit

Sie mimte die Marvel-Heldin »Black Widow« und nahm es in »Jurassic World: Die Wiedergeburt« mit Dinos auf. Nun lässt sich Scarlett Johansson auf den vielleicht düstersten Filmstoff ihrer Laufbahn ein

 25.11.2025

TV-Tipp

Sie ging über Leichen: Doku »Riefenstahl« zeigt eine überzeugte Nationalsozialistin

Das Erste zeigt Andres Veiels vielschichtigen Dokumentarfilm über Leben und Wirken von Hitlers Lieblingsregisseurin Leni Riefenstahl. Der Film geht auch der Frage nach, wie ihre Filme bis in die Gegenwart ausstrahlen

von Jens Hinrichsen  24.11.2025

Nachruf

Das unvergessliche Gesicht des Udo Kier

Er ritt im Weltall auf einem T-Rex, spielte für Warhol Dracula und prägte mit einem einzigen Blick ganze Filme. Udo Kier, Meister der Nebenrolle und Arthouse-Legende, ist tot. In seinem letzten Film, dem Thriller »The Secret Agent«, verkörpert er einen deutschen Juden

von Christina Tscharnke, Lisa Forster  24.11.2025

TV-Kritik

Viel Krawall und wenig Erkenntnis: Jan Fleischhauer moderiert im ZDF den Kurzzeitknast der Meinungen

Mit »Keine Talkshow - Eingesperrt mit Jan Fleischhauer« setzt das ZDF auf Clash-TV: ein klaustrophobisches Studio, schnelle Schnitte, Big-Brother-Momente und kontroverse Gäste - viel Krawall, wenig Erkenntnis

von Steffen Grimberg  24.11.2025

Holzstörche zur Geburt in Niederösterreich. Noch immer werden neben den klassischen Namen viele biblische Namen den Kindern gegeben.

Statistik

Diese hebräischen Vornamen in Österreich sind am beliebtesten

Österreichische Eltern wählen gern Klassiker. Unter den Top Ten sind auch viele Namen biblischen Ursprungs

von Nicole Dreyfus  24.11.2025

Nürnberg

»Tribunal 45«: Ein interaktives Spiel über die Nürnberger Prozesse

Darf man die Nürnberger Prozesse als Computerspiel aufarbeiten? Dieses Spiel lässt User in die Rolle der französischen Juristin Aline Chalufour schlüpfen und bietet eine neue Perspektive auf die Geschichte

von Steffen Grimberg  24.11.2025