Musik

Singen wie Mascha Kaléko

Das Gute ist: Dotas Album verkauft sich, die Kritik liebt es, es wird tausendfach bei Spotify heruntergeladen. So ist Kaléko, die sich selbst als ganz unmodern bezeichnete, plötzlich wieder angesagt. Foto: imago

Wer sie kennt, muss sie lieben. Ihre tiefsinnige Leichtigkeit, ihre melancholische Ehrlichkeit, ihre feingesponnene Poesie. Das Problem dieser Grundwahrheit ist nur: Wer kennt Mascha Kaléko noch? Sie, die Leserinnen und Leser dieser Zeitung, sicher, aber Sie sind die Ausnahme.

Das Publikum in den frühen Dreißigern, später in den Siebzigern verehrte die Kaléko. Im rasenden Bestsellerstrudel eines ausufernden Büchermarktes jedoch wurde es stiller um die Berliner Lyrikerin aus Galizien, die nach New York emigrierte und 1975 in Zürich starb. Elke Heidenreich oder die Zeitschrift »Emma« erinnerten, ebenso der Schriftsteller Horst Krüger und andere Intellektuelle. Aber die Zeitläufte des Literaturgeschmacks änderten die Richtung. Leider.

SINGER-SONGWRITER Auch die Sängerin und Songwriterin Dota Kehr war erstaunt, als sie ein Konzertbesucher mit Gedichten der ihr unbekannten Verfasserin überraschte. Dota, eine junge Berlinerin, Ärztin, dann Straßensängerin und jetzt viel gelobte Singer- Songwriterin, hatte bislang ihre eigenen Texte vertont.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Bei Kaléko jedoch war sie so fasziniert von der präzisen Tiefe, von den Brüchen und der leisen Ironie der Gedichte, dass sie begann, Melodien zu setzen. Dann bat sie einige Granden der Szene um Miniaturen ihrer Kunst: Hannes Wader, Konstantin Wecker, Felix Meyer, Max Prosa, Alin Coen und Francesco Wilking.

14 Lieder, die Texte unverändert und ungekürzt, teils als kleine Duette gesetzt, hat sie für ihr Album Kaléko eingespielt, Episoden des Alltags, der Liebe, der Großstadt, der Tristesse, der Freundschaft, der Vergänglichkeit. Dota hat, um sich nicht beeinflussen zu lassen, vorher keine Kaléko-Vertonungen gehört, etwa von Claire Waldoff oder Hanne Wieder.

RHYTHMUS Dotas Kompositionen sind melodiös, rhythmisch eingängig, angesiedelt zwischen Softpop, Indiesong, Walzer und sanftem Rock. Hinreißende und bekannte Gedichte sind dabei, »Die Anderen sind das weite Meer. Du aber bist der Hafen«, aber auch jene Elegie um die traurige Gewöhnung der Liebe »Für Chemjo zu Pessach« mit der wahrhaftigen Zeile »Wir haben das Schweben verlernt …«.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Den Ton der Kaléko beschrieb Thomas Mann mit »aufgeräumter Melancholie«, Hermann Hesse verehrte Kalékos »Sentimentalität und Schnoddrigkeit«. So gut Dotas heller, leichter Sopran zu den unverwechselbaren Stimmen von Hannes Wader oder Konstantin Wecker passt: Die aufgeräumte Melancholie, die Schnoddrigkeit von Kalékos Lyrik trifft das Album zu selten. Die Brüchigkeit fehlt, für die leicht angejahrte Rezensentin klingt alles zu heil, zu mainstreamig, zu freundlich, zu erwartbar, zu möglich, zu glatt, zu sanft.

Das Gute jedoch: Dotas Album verkauft sich, die Kritik liebt es, es wird tausendfach bei Spotify heruntergeladen. So ist Kaléko, die sich selbst als ganz unmodern bezeichnete, wieder angesagt, up to date und vielleicht nicht nur gehört, sondern auch wieder gelesen. Kaléko is back. Das zählt.

Dota: »Kaléko«. Kleingeldprinzessin Records (Broken Silence)

Film

Spannend, sinnlich, anspruchsvoll: »Der Medicus 2«

Nach zwölf Jahren kommt nun die Fortsetzung des Weltbestsellers ins Kino

von Peter Claus  25.12.2025

ANU-Museum Tel Aviv

Jüdische Kultobjekte unterm Hammer

Stan Lees Autogramm, Herzls Foto, das Programm von Bernsteins erstem Israel-Konzert und viele andere Originale werden in diesen Tagen versteigert

von Sabine Brandes  25.12.2025

Menschenrechte

Die andere Geschichte Russlands

»Wir möchten, dass Menschen Zugang zu unseren Dokumenten bekommen«, sagt Irina Scherbakowa über das Archiv der von Moskau verbotenen Organisation Memorial

 25.12.2025

Rezension

Großer Stilist und streitbarer Linker

Hermann L. Gremliza gehört zu den Publizisten, die Irrtümer einräumen konnten. Seine gesammelten Schriften sind höchst lesenswert

von Martin Krauß  25.12.2025

Glastonbury-Skandal

Keine Anklage gegen Bob-Vylan-Musiker

Es lägen »unzureichende« Beweise für eine »realistische Aussicht auf eine Verurteilung« vor, so die Polizei

 24.12.2025

Israel

Pe’er Tasi führt die Song-Jahrescharts an

Zum Jahresende wurde die Liste der meistgespielten Songs 2025 veröffentlicht. Eyal Golan ist wieder der meistgespielte Interpret

 23.12.2025

Israelischer Punk

»Edith Piaf hat allen den Stinkefinger gezeigt«

Yifat Balassiano und Talia Ishai von der israelischen Band »HaZeevot« über Musik und Feminismus

von Katrin Richter  23.12.2025

Los Angeles

Barry Manilow teilt Lungenkrebs-Diagnose

Nach wochenlanger Bronchitis finden Ärzte einen »krebsartigen Fleck« in seiner Lunge, erzählt der jüdische Sänger, Pianist, Komponist und Produzent

 23.12.2025

Hollywood

Timothée Chalamet – der neue Leonardo DiCaprio?

Er gilt aktuell als einer der gefragtesten Schauspieler. Seine Karriere weckt Erinnerungen an den Durchbruch des berühmten Hollywood-Stars, der ihm einen wegweisenden Rat mitgab

von Sabrina Szameitat  22.12.2025