Redezeit

»Sie kostet jeden Tag voll aus«

Herr Rokah, Sie haben einen Dokumentarfilm über eine 88-jährige Dame gemacht, die Mimi heißt und obdachlos ist. Wie sind Sie dazu gekommen?
Vor fünf Jahren bin ich frühmorgens um fünf zum Caffe Luxxe in Santa Monica gelaufen, wo ich als Barista gearbeitet habe. Auf meinem Weg dorthin ist mir eine obdachlose Frau aufgefallen, die gerade aufwachte und ihren Tag beginnen wollte. Ich war neugierig, zugleich besorgt und ging auf sie zu. So haben wir uns kennengelernt. Und seitdem habe ich ihr jeden Morgen einen Kaffee gekocht.

Wie hat sie auf Sie gewirkt?
Obwohl Mimi schon seit Jahren obdachlos war, hatte sie die Hoffnung nicht aufgegeben. Ich war geradezu erstaunt über ihre Vitalität, ihren Optimismus, ihren Humor und scharfen Verstand. Diesen unerwarteten Kontrast zwischen Mimis Situation und ihrer Lebenseinstellung zu sehen, ermutigte mich, einen Film über sie zu machen, um Mimis Geschichte zu erzählen.

Welche Details aus Mimis Leben haben Sie dabei am meisten beeindruckt?
Während der Dreharbeiten sind so viele Dinge ans Tageslicht gekommen. Zum Beispiel, wie sie so lange Jahre in den harten Straßen von Los Angeles überlebt hat. Oder wie sie wichtige Menschen kennengelernt hat. Darunter Schauspieler wie Zach Galifianakis, Renée Zellweger oder sogar Arnold Schwarzenegger. Mimis Anekdoten begannen, den Film derart vielschichtig zu machen, dass daraus ein ganz eigenes Stück wurde. Als sie endlich in eine Wohnung zog, hatte ich ihr Leben schon einige Jahre verfolgt. Das war also ein Wendepunkt – nicht nur in ihrem Leben, sondern auch in der Doku.

Wie hat Mimi auf den Film reagiert?
Zu Anfang war sie etwas zurückhaltend, ihre Geschichte zu veröffentlichen. Aber schon seit ihrer Kindheit wollte sie berühmt werden, also war sie begeistert, als ich ihr mit der Kamera gefolgt bin. Mimi hat mich all ihren Freunden als ihr »persönlicher Fotograf« vorgestellt. Und auch das hat sie langsam, aber sicher offener gemacht.

Was kann man von Mimi lernen?
Sie kostet jeden Tag voll aus. Auch wenn sie schon eine Menge durchgestanden hat und nicht so viele materielle Dinge hat, hat sie niemals ihre Lebensfreude und ihren Spaß an den kleinen Dingen verloren. Sie ist viel glücklicher als Menschen, denen es materiell gesehen besser geht. Wie sie es schafft, so fröhlich zu sein, nun, Mimi hat darauf immer mit einem Satz geantwortet: »Gestern ist vorbei, also belassen wir es dabei.« Sie genießt jeden Moment, und das ist das Geheimnis ihrer Stärke.

Sie setzen den Film mithilfe von Crowdfunding um. Wie ist die Reaktion bisher?
Großartig. Innerhalb einer Woche haben wir mehr als die Hälfte unseres Fundraising-Ziels erreicht. Wir haben noch bis zum 23. Mai Zeit, ansonsten verlieren wir alles.

Warum haben Sie sich für diese Variante der Finanzierung entschieden?
Es ist sehr schwierig, für einen Dokumentarfilm ein Darlehen zu bekommen. Das Tolle an Crowfunding ist, dass man Leute überall auf der Welt erreicht, die man über den konventionellen Weg niemals für ein derartiges Projekt hätte gewinnen können. Es bringt Menschen zusammen, die ihre Leidenschaft für Filme wie »Queen Mimi« teilen.

Mit dem Regisseur sprach Katrin Richter.

Yaniv Rokah hat am Lee Strasberg Theatre Institute und am Santa Monica College studiert. Er lebt in Los Angeles und hat bereits in Werbefilmen und Serien wie »NCIS: Los Angeles« mitgespielt. Im Sommer 2013 ist er in Marc Forsters Film »World War Z« an der Seite von Brad Pitt zu sehen.

Der Trailer zu Rokahs Film »Queen Mimi« und Infos zum Crowdfunding des Projekts gibt es hier:
www.kickstarter.com/projects/1300478715/queen-mimi

Israel

Pe’er Tasi führt die Song-Jahrescharts an

Zum Jahresende wurde die Liste der meistgespielten Songs 2025 veröffentlicht. Eyal Golan ist wieder der meistgespielte Interpret

 23.12.2025

Israelischer Punk

»Edith Piaf hat allen den Stinkefinger gezeigt«

Yifat Balassiano und Talia Ishai von der israelischen Band »HaZeevot« über Musik und Feminismus

von Katrin Richter  23.12.2025

Los Angeles

Barry Manilow teilt Lungenkrebs-Diagnose

Nach wochenlanger Bronchitis finden Ärzte einen »krebsartigen Fleck« in seiner Lunge, erzählt der jüdische Sänger, Pianist, Komponist und Produzent

 23.12.2025

Hollywood

Ist Timothée Chalamet der neue Leonardo DiCaprio?

Er gilt aktuell als einer der gefragtesten Schauspieler. Seine Karriere weckt Erinnerungen an den Durchbruch des berühmten Hollywood-Stars - der ihm einen wegweisenden Rat mitgab

von Sabrina Szameitat  22.12.2025

Didaktik

Etwas weniger einseitig

Das Israel-Bild in deutschen Schulbüchern hat sich seit 2015 leicht verbessert. Doch der 7. Oktober bringt neue Herausforderungen

von Geneviève Hesse  22.12.2025

Meinung

Der Missbrauch von Anne Frank und die Liebe zu toten Juden

In einem Potsdamer Museum stellt der Maler Costantino Ciervo das jüdische Mädchen mit einer Kufiya dar. So wird aus einem Schoa-Opfer eine universelle Mahnfigur, die vor allem eines leisten soll: die moralische Anklage Israels

von Daniel Neumann  21.12.2025

Film

Spannend, sinnlich, anspruchsvoll: »Der Medicus 2«

Nach zwölf Jahren kommt nun die Fortsetzung des Weltbestsellers ins Kino

von Peter Claus  21.12.2025

Gastbeitrag

Liebe Kolleginnen und Kollegen, warum schweigt ihr?

Jan Grabowski fragt die deutschen Historiker, warum sie es unwidersprochen stehen lassen, wenn ein Holocaust-Experte für seine Forschungsarbeit diskreditiert wird

von Jan Grabowski  21.12.2025

In eigener Sache

Die Jüdische Allgemeine erhält den »Tacheles-Preis«

Werteinitiative: Die Zeitung steht für Klartext, ordnet ein, widerspricht und ist eine Quelle der Inspiration und des Mutes für die jüdische Gemeinschaft

 21.12.2025