»Hunters«

Selbstjustiz und Hühnersuppe

Spielt 1977 in den USA: die Serie »Hunters« Foto: imago images/Prod.DB

»Hunters«

Selbstjustiz und Hühnersuppe

Die Serie erzählt von der Jagd auf untergetauchte Nazis und steht wegen einer erfundenen Schoa-Szene in der Kritik

von Eugen El  27.02.2020 17:37 Uhr

Plakativ und reißerisch wirkt diese Serie, noch bevor man überhaupt beginnt, die Pilotfolge abzuspielen. »Inspiriert von wahren Begebenheiten erzählt Hunters die Geschichte eines wilden Haufens von Nazi-Jägern im New York des Jahres 1977«, ist beim Streamingdienst Amazon Prime Video zu lesen, der die erste Staffel der Serie seit Kurzem ausstrahlt.

Die erste Folge setzt unmittelbar mit mehreren kaltblütigen Morden ein, begangen inmitten einer unbeschwert anmutenden Barbecue-Party von einem in Amerika untergetauchten Nazi. Die brutale Anfangsszene setzt den Ton.

Schiwe Im Folgenden lernt der Zuschauer den in Brooklyn lebenden jüdischen Jugendlichen Jonah Heidelbaum (Logan Lerman) kennen, der, nachdem er antisemitisch beleidigt und verprügelt wurde, zu Hause Zeuge der Ermordung seiner Großmutter wird.

Beim Schiwe-Sitzen begegnet Jonah dem grauhaarigen, weise dreinblickenden Meyer Offerman (Al Pacino), der dem trauernden Jugendlichen eröffnet, zusammen mit seiner Großmutter in Auschwitz gewesen zu sein. Die wesentlichen Protagonisten der Serie sind somit eingeführt.

Die plakative Markierung jüdischer Charaktere wirkt für eine amerikanische Serie erstaunlich holprig.

Es ereignet sich ein weiterer Mord. Zwischendurch wird Hühnersuppe gegessen, aus dem Talmud zitiert und auf Davidsternketten gezoomt. Die plakative Markierung jüdischer Charaktere wirkt für eine amerikanische Serie erstaunlich holprig.

Das Geschehen spitzt sich zu. Eine Verschwörung nimmt Gestalt an, die bis ins politische Washington reicht. »Als unsere Helden herausfinden, dass Hunderte geflohene Nazis in Amerika leben, tun sie, was knallharte Selbstjustiz-Rächer eben so tun: Sie begeben sich auf einen blutigen Pfad der Rache«, heißt es bei Amazon Prime Video.

Statement Schon in der Pilotfolge schlägt das Reißerische derart über die Stränge, dass sich das Staatliche Museum Auschwitz-Birkenau am vergangenen Sonntag zu einem harschen Twitter-Statement veranlasst sah.

In einer Szene erzählt Meyer Offerman, über ein Schachbrett gebeugt, Jonah von einer Begebenheit, die er in Auschwitz beobachtet habe. Die Regie übersetzt die Erzählung in drastisch anmutende Bilder.

Wer in diesem sadistischen Spiel als Figur geschlagen wird, muss sterben.

Die Nazis hätten, so Offerman, Gefangene auf einer Lichtung zusammengetrieben, wo zuvor ein riesiges Schachbrett angelegt wurde. Die Häftlinge hätten als Schach­figuren agieren müssen. Geführt habe sie, so die Erzählung, ein Nazi-Scherge und ein Häftling, an dem sich der Nazi für frühere Schachniederlagen habe rächen wollen. Wer in diesem sadistischen Spiel als Figur geschlagen wird, muss sterben.

Fake Paweł Sawicki, Sprecher des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau, stellt im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen klar: »Es hat sich nie ereignet. Es ist einfach eine Lüge, eine Fake-Geschichte.«

Auf Twitter schrieb die Gedenkstätte, die Erfindung der Szene mit dem Schachspiel sei nicht nur eine gefährliche Dummheit und eine Karikatur. Sie öffne Tür und Tor für künftige Leugner.

Die fiktive Schachspielszene könnte einigen Zuschauern als echt erscheinen.

Auschwitz sei ein authentischer Ort, betont Gedenkstättensprecher Sawicki. »Wenn man sich dazu entschließt, einen echten Ort in eine Dokumentation, ein Buch oder einen Spielfilm einzubringen, gibt es eine Verantwortung aufseiten der Autoren«, sagt er.

Verfälschung Problematisch ist für Sawicki, dass die fiktive Schachspielszene einigen Zuschauern als echt erscheinen könnte. Überhaupt werde die Verfälschung von Geschichte zu einer zunehmenden Herausforderung für die Gedenkstätte Auschwitz.

Die Schoa, verzerrt und eingebunden in plakative Action-Unterhaltung: Ist Hunters ein prominentes Zeichen für den einsetzenden Verfall der Erinnerungskultur?

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