Archäologie

Seit 2000 Jahren ungeöffnet

Tefillin, Gebetsriemen, legt jeder fromme Jude täglich zum Morgengebet an. In den Kästen befinden sich winzige Pergamente mit Versen aus der Tora. Eine der ältesten jemals entdeckten hebräischen Inschriften, etwa 3000 Jahre alt, hat der Archäologe Gabriel Barkai vor einigen Jahren bei Grabungen oberhalb des Jerusalemer Hinnom-Tals gefunden, wo heute das Menachem-Begin-Zentrum steht. Es handelte sich um die besagten Verse, eingeritzt in einen winzigen Silberstreifen. War das ein Amulett, oder waren es eher die ältesten jemals gefundenen Tefillin?

Jetzt haben Forscher zudem noch insgesamt neun 2000 Jahre alte, auf Pergament geschriebene Tefillin entdeckt. Ausgerollt haben sie etwa die Größe einer Linse. Sie gehören zum Bestand der Schriftrollen vom Toten Meer, die in den 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts bei den Ruinen der Essener-Stadt Qumran in der Höhle 4 am Toten Meer gefunden wurden. Dabei handelt es sich um komplette Abschriften biblischer Bücher und Tausende anderer Dokumente, auf Pergament oder Papyrus kopiert.

Computertomografie In Tonkrügen aufbewahrt, haben sie im trockenen Klima die zwei Jahrtausende fast unbeschadet überstanden. Offenbar sind den Forschern die jetzt gefundenen Minirollen in Gebetsriemen entgangen. Vielleicht hatten sie die linsengroßen Texte auch nur beiseitegelegt, weil sie über keine Technik verfügten, sie unbeschadet zu öffnen. Die Experten konzentrierten sich seinerzeit jedenfalls auf andere der zahlreichen Pergamente aus dem umfangreichen Fundus.

Wie die Online-Zeitung »Times of Israel« berichtet, hat Yonatan Adler, Dozent an der Ariel University, der die Qumran-Tefillin an der Hebräischen Universität erforscht, die übersehenen Fragmente gefunden. Im Mai 2013 durchstöberte er einen klimatisierten Lagerraum der israelischen Antikenbehörde im Jerusalemer Viertel Har Hotzvim und stieß dabei auf die Tefillin-Kästen aus Qumran.

Adler brachte sie ins Shaare-Zedek-Hospital und ließ sie per Computertomografie durchleuchten. Seine Vermutung, dass sich darin Textrollen befinden würden, bestätigte sich. Sieben verschiedene winzige Fragmente wurden darin gefunden. Sie stecken noch immer darin – denn bis jetzt wurde noch keine Methode entdeckt, die Behälter zu öffnen, ohne sie zu beschädigen.

Texte Im Labor des Israel-Museums, wo die Qumran-Rollen ausgestellt werden, wurden allerdings andere Lederkästen geöffnet. So fand man zwei weitere linsengroße Pergamentrollen. Erst nach ausgiebiger wissenschaftlicher Vorbereitung sollen sie aufgerollt werden.

Forscher aus aller Welt warten mit Spannung auf die Restaurierung dieser »neuesten« Qumran-Rollen. Alle am Toten Meer gefundenen Texte stammen aus jeweils 100 Jahren vor und nach der neuen Zeitrechnung und werfen Licht auf die Zeit der Entstehung des Christentums und der entscheidenden Periode der Konstituierung des Judentums unmittelbar vor und nach der Zerstörung des Tempels von Jerusalem.

Andere Tefillin aus jener Periode des Herodes zeugen von unterschiedlichen Wiedergaben der biblischen Texte. Manche Pergamente enthielten auch die Zehn Gebote. Andere wiederum geben exakt die gleichen Texte wieder, wie sie heute noch verwendet werden.

Erinnerungskultur

»Algorithmus als Chance«

Susanne Siegert über ihren TikTok-Kanal zur Schoa und den Versuch, Gedenken neu zu denken

von Therese Klein  07.11.2025

Erinnerung

Stimmen, die bleiben

Die Filmemacherin Loretta Walz hat mit Überlebenden des KZ Ravensbrück gesprochen – um ihre Erzählungen für die Zukunft zu bewahren

von Sören Kittel  07.11.2025

New York

Kanye West bittet Rabbi um Vergebung

Der gefallene Rapstar Kanye West hat sich bei einem umstrittenen Rabbiner für seine antisemitischen Ausfälle entschuldigt

 07.11.2025

Rezension

Mischung aus Angst, alptraumhaften Erinnerungen und Langeweile

Das Doku-Drama »Nürnberg 45« fängt die Vielschichtigkeit der Nürnberger Prozesse ein, erzählt weitgehend unbekannte Geschichten und ist unbedingt sehenswert

von Maria Ossowski  07.11.2025

Interview

Schauspieler Jonathan Berlin über seine Rolle als Schoa-Überlebender und Mengele-Straßen

Schauspieler Jonathan Berlin will Straßen, die in seiner Heimat Günzburg nach Verwandten des KZ-Arztes Mengele benannt sind, in »Ernst-Michel-Straße« umbenennen. Er spielt in der ARD die Rolle des Auschwitz-Überlebenden

von Jan Freitag  07.11.2025

Paris

Beethoven, Beifall und Bengalos

Bei einem Konzert des Israel Philharmonic unter Leitung von Lahav Shani kam es in der Pariser Philharmonie zu schweren Zwischenfällen. Doch das Orchester will sich nicht einschüchtern lassen - und bekommt Solidarität von prominenter Seite

von Michael Thaidigsmann  07.11.2025

TV-Tipp

Ein Überlebenskünstler zwischen Hallodri und Held

»Der Passfälscher« ist eine wahre und sehenswerte Geschichte des Juden Cioma Schönhaus, der 1942 noch immer in Berlin lebt

von Michael Ranze  07.11.2025

Provenienzforschung

Alltagsgegenstände aus jüdischem Besitz »noch überall« in Haushalten

Ein Sessel, ein Kaffeeservice, ein Leuchter: Nach Einschätzung einer Expertin sind Alltagsgegenstände aus NS-Enteignungen noch in vielen Haushalten vorhanden. Die Provenienzforscherin mahnt zu einem bewussten Umgang

von Nina Schmedding  07.11.2025

Interview

»Mascha Kaléko hätte für Deutschland eine Brücke sein können«

In seinem neuen Buch widmet sich der Literaturkritiker Volker Weidermann Mascha Kalékos erster Deutschlandreise nach dem Krieg. Ein Gespräch über verlorene Heimat und die blinden Flecken der deutschen Nachkriegsliteratur

von Nicole Dreyfus  07.11.2025