Bataclan

Schon länger im Visier

Bereits 2011 Ziel eines Anschlags: Bataclan Foto: dpa

Bataclan

Schon länger im Visier

Beim Massaker in dem Klub ging es nicht nur allgemein gegen den Westen. Es war auch antisemitischer Terror

von Jens Uthoff  16.11.2015 19:33 Uhr

Auf den ersten Blick schien ziemlich klar, wonach die Attentäter des 13. November ihre Ziele in Paris ausgewählt haben: Sie wollten die westliche Unterhaltungs- und Populärkultur ins Mark treffen, deshalb die Terrorangriffe am Stade de France, auf den Amüsiermeilen des 11. Arrondissement, auf den dort gelegenen Club Bataclan.

Dass aber dieser Veranstaltungsort, an dem bei einem Konzert der »Eagles Of Death Metal« mindestens 89 Menschen ums Leben kamen, zum Ziel der IS-Terroristen wurde, wirft auch die Frage auf, ob der Anschlag einen direkten antisemitischen Hintergrund hat.

drohungen Denn das Bataclan, dieser traditionsreiche Ort der Abendunterhaltung, den es bereits seit 1865 gibt und in dem einst Vaudeville-Komödien auf die Bühne gebracht wurden, hatte bis vor Kurzem mit den Brüdern Pascal und Joel Laloux noch jüdische Betreiber und war schon mehrfach antisemitischen und antizionistischen Bedrohungen ausgesetzt. 2011 soll bereits ein Anschlag auf den Ort geplant worden sein. Das Brüderpaar hat das Bataclan erst im September verkauft, nachdem sie dort 40 Jahre lang Popkonzerte veranstaltet hatten. Joel Laloux, heißt es, habe Paris gen Israel verlassen.

Beim Pariser »Bureau de Vigilance Contre l’Antisémitisme«, dem französischen Amt zur Bekämpfung von Antisemitismus, geht man nicht von einer primär antisemitischen Motivation aus: »In erster Linie haben die Attentäter die Freiheit, die Kultur, die Demokratie angegriffen«, sagt Vizepräsident Richard Odier, »es war in dieser Hinsicht das naheliegendste, einfachste Ziel«. Natürlich seien die Täter auch Antisemiten gewesen – aber genauso hassten sie Homosexuelle, Frauen und demokratische Strukturen, so Odier.

Den Attentätern dürfte es in ihrem Hass zumindest nicht ungelegen gekommen sein, dass mit den »Eagles Of Death Metal« eine amerikanische Band spielte, die sich proisraelisch gibt. Vor einem Konzert in Tel Aviv im Juli hatte »Eagles Of Death Metal«-Sänger Jesse Hughes eine Aufforderung des »Pink Floyd«-Mitglieds Roger Waters, den Auftritt in Israel zu »überdenken«, mit »genau zwei Worten« beantwortet. Waters unterstützt die antiisraelische BDS-Kampagne. »Fuck you«, rief Hughes beim Tel Aviver Konzert in Richtung Waters. Außerdem sagte er dort: »Ich würde einen Ort wie diesen nie boykottieren« und fügte hinzu: »Ich hab mich nie mehr zuhause gefühlt als hier.« 2016 werden die »Eagles Of Death Metal« wieder in Israel spielen, das haben sie jetzt schon angekündigt.

provokation Dabei ist die Band, die trotz des Namens mit Death Metal übrigens wenig am Hut hat und eher erdigen amerikanischen Rock, Blues und Rockabilly spielt, insgesamt schwer einzuordnen. Hughes, der die Gruppe 1998 mit dem »Queens Of The Stone Age«-Sänger Josh Homme gegründet hat, nennt sich in Interviews einen »right wing extremist«, gibt den konservativen Redneck und nennt den US-Präsidenten Barack Obama einen »Schwanzlutscher« und »Kommunisten«. Wie viel davon ernst zu nehmen ist und wie viel Provokation oder Fake, ist nicht so einfach zu sagen.

Klar jedenfalls ist, dass mit dem Bataclan und den anderen Zielen im 11. Arrondissement nicht nur ein angesagtes Ausgeh- und Nightlife-Viertel getroffen wurde, sondern auch eines, das für jüdische Kultur, Restaurants und Institutionen wie etwa einen jüdischen Radiosender steht. Die ehemaligen Betreiber des Bataclan, Brüder Joel und Pascal Laloux, waren in der jüdischen Gemeinde in Paris bestens bekannt und vernetzt, Pascal Laloux war eine Weile Präsident des Fußballklubs Maccabi. Im Bataclan fanden zeitweise unter anderem Galas zugunsten des israelischen Grenzschutzes Magav statt. Inzwischen hat der neue Betreiber des Clubs, Dominique Revert, angekündigt, er werde natürlich wieder öffnen. »Es wäre eine Kapitulation, das nicht zu tun«, sagte er dem TV-Sender Canal+.

Diskurs

»Die Erinnerungsrepublik Deutschland ist zu Ende«

Auszüge aus der Heidelberger Hochschulrede des Grünen-Politikers Sergey Lagodinsky

 16.06.2025

Literatur

Michel Bergmann ist tot

Der jüdische Schriftsteller starb im Alter vom 80 Jahren

 16.06.2025 Aktualisiert

Taormina Film Fest

Michael Douglas entschuldigt sich für Politik der US-Regierung

Der Darsteller erhält von Iris Knobloch eine Ehrung für sein Lebenswerk. Die Vergabezeremonie in Sizilien nutzt er für Kritik an seinem Land

 16.06.2025

Fernsehen

Luftraum in Israel gesperrt: »Fernsehgarten« ohne Kiewel

Die Moderatorin lebt in Tel Aviv - doch zu ihrer Jubiläumssendung konnte sie nicht anreisen

 15.06.2025

Leo Baeck Institut

»Die Wissenschaft ist keine Oase«

Michael Brenner über das vor 70 Jahren gegründete Archiv der Geschichte und Kultur des deutschsprachigen Judentums, freie Forschung und bedrohte Demokratie

von Ayala Goldmann  15.06.2025

Kunst

Öffnet die Herzen!

Die Israelin Bracha Lichtenberg Ettinger fordert mit einer intensiven Einzelschau in Düsseldorf die Besucher heraus

von Eugen El  15.06.2025

Interview

Susan Sideropoulos über Styling-Shows und Schabbat

GZSZ-Star Susan Sideropoulos hat im ZDF die neue Makeover-Show »That’s My Style«. Nur wenige wissen jedoch, wie engagiert die Enkelin jüdischer NS-Opfer gesellschaftspolitisch ist

von Jan Freitag  13.06.2025

Aufgegabelt

Pastrami-Sandwich

Rezepte und Leckeres

 12.06.2025

Streaming

Doppelte Portion Zucker

Mit »Kugel« ist den Machern der Kultserie »Shtisel« ein vielschichtiges Prequel gelungen

von Nicole Dreyfus  12.06.2025