Debatte

Kritik an Lisa Eckhart reißt nicht ab

An der österreichischen Kabarettistin Lisa Eckhart scheiden sich die Geister. Foto: imago images/Stefan Schmidbauer

Volker Weidermann, ehemaliger Moderator der von Marcel Reich-Ranicki ins Leben gerufenen Sendung »Das Literarisches Quartett«, hat die Einladung der umstrittenen österreichischen Kabarettistin Lisa Eckhart in die Sendung scharf kritisiert. In einem Debattenbeitrag für das Nachrichtenmagazin »Der Spiegel« schrieb Weidermann, Eckharts Teilnahme an der ZDF-Sendung sei angesichts ihrer »antisemitischen Witzchen« unwürdig.

Reich-Ranicki habe sich zwar zum Thema Antisemitismus nie geäußert. Er, der nach dem Krieg nach Deutschland zurückgekommen sei, »mit dieser Liebe zur deutschen Literatur«, habe vielmehr gehofft, so Weidermann, »dass jetzt andere für ihn sprechen werden, wenn es um Antisemitismus geht. Dass jetzt nichtjüdische Deutsche für ihn sprechen würden, ihn verteidigen. Das Notwendige sagen. Oft wurde er nicht enttäuscht. Manchmal schon.«

»Marcel Reich-Ranicki hat uns diese Sendung als Erbe und als Schatz hinterlassen. Um sie zu bewahren, fortzuschreiben. Nicht zu zerstören.«

»Spiegel«-Redakteur Volker Weidermann

Reich-Ranicki habe am eigenen Leib erlebt, »wie schnell aus antisemitischen Witzchen antisemitische Angriffe wurden und wie schnell das ging, dass plötzlich, im Oktober 1938, in seiner Wohnung in Berlin-Wilmersdorf morgens in aller Frühe ein Polizist klingelte und ihm mitteilte, dass er nun mitkommen und das Land verlassen müsse«.

NACHFOLGER Weidermann war einst Feuilleton-Chef der »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung«, seit 2015 ist der Bestsellerautor Redakteur beim »Spiegel«. Von 2015 bis 2019 moderierte der Journalist und Kritiker das »Literarische Quartett« im ZDF.

1988 war das Format von Reich-Ranicki begründet worden und wurde später zu einer der beliebtesten Kultursendungen im deutschen Fernsehen. 2001 gab Reich-Ranicki die Leitung der Sendung ab. Seit März 2020 wird das Quartett von Thea Dorn moderiert.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Die Einladung an die Kabarettistin Eckhart habe er, so Volker Weidermann, eigentlich nicht weiter kommentieren wollen. »Ich war gut vier Jahre lang Gastgeber der Sendung. Jetzt bin ich es nicht mehr. Ich habe den Nachfolgern da nichts zu raten, dachte ich bislang.«

Die Sendung sei ein »unverdientes Geschenk« des Schoa-Überlebenden Reich-Ranicki an die nichtjüdischen Deutschen gewesen, so Weidermann. »Schon seine Rückkehr nach Deutschland war ein Geschenk. Ein unverdientes.« Der Literaturkritiker sei »das dünne Band« gewesen, »dass das Deutschland der Nachkriegszeit mit der deutsch-jüdischen Kultur der Weimarer Republik verband.«

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

ERBE Reich-Ranicki habe den Deutschen aber nie »verziehen«, schrieb Weidermann weiter, dazu sei er »von seinen ermordeten Eltern, von seinem ermordeten Bruder nicht berechtigt worden. Er sei vielmehr »aus Liebe zu den deutschen Büchern« und zur deutschen Kultur ins Land der Täter zurückgekehrt. Das »Literarische Quartett« sei das Erbe und der Schatz Reich-Ranickis, den es zu bewahren gelte.

Der Gastauftritt Eckharts war zuvor vom Schriftsteller Maxim Biller massiv kritisiert worden. In der »Süddeutschen Zeitung« schrieb Biller, wenn die 28-jährige Österreicherin »mit ihrer sehr, sehr blonden HJ-Frisur, mit ihrem Nazi-Domina-Look und ihrem herablassenden, nasalen Offiziersmessen-Ton« auftrete, dann habe »der deutsche Jude und Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki endgültig den Kampf gegen die Nazis verloren«.

https://twitter.com/dorabinovici/status/1295234784663425026

Bei Eckharts Auftritt in der am 4. Dezember ausgestrahlten Sendung war der Antisemitismus dann allerdings kein Thema. Eckhart hatte zuvor mehrfach in ihrem Bühnenprogramm mit Anspielungen auf Juden für Kontroversen gesorgt. Ihr wurde vorgeworfen, gezielt antisemitische Klischees zu bedienen. Die Österreicherin wies im August 2020 die Anschuldigungen zurück und sagte, es gebe »teilweise ein boshaftes Missverstehen« bei ihren Kritikern.

Volker Weidermann sieht das anders. Er habe den Eindruck, als bliebe von der Debatte über Eckharts Einladung »am Ende nur ein lockeres ›Och, die Wahrheit liegt wohl irgendwo in der Mitte. Bisschen Antisemitismus ist vielleicht dabei, aber als Satirikerin ist sie doch brillant. Und vor allem: Satire darf alles‹.« Das sei ein ebenso grober wie fataler Fehler. mth

Kino

Düstere Dinosaurier, frisches Starfutter

Neuer »Jurassic World«-Film mit Scarlett Johansson läuft in Deutschland an

von Ronny Thorau  01.07.2025

Berlin

Ausstellung »Die Nazis waren ja nicht einfach weg« startet

Die Aufarbeitung der NS-Zeit hat in den vergangenen Jahrzehnten viele Wendungen genommen. Eine neue Ausstellung in Berlin schaut mit dem Blick junger Menschen darauf zurück

von Lukas Philippi  01.07.2025

München

Fritz-Neuland-Gedächtnispreis gegen Antisemitismus erstmals verliehen

Als Anwalt stand Fritz Neuland in der NS-Zeit anderen Juden bei. In München wird ein nach ihm benannter Preis erstmals verliehen: an Polizisten und Juristen, die sich gegen Antisemitismus einsetzen

von Barbara Just  30.06.2025

Forschung

Digitales Archiv zu jüdischen Autoren in der NS-Zeit

Das Portal umfasst den Angaben zufolge derzeit rund eine Million gespeicherte Informationen

 30.06.2025

Medien

»Ostküsten-Geldadel«: Kontroverse um Holger Friedrich

Der Verleger der »Berliner Zeitung« irritiert mit seiner Wortwahl in Bezug auf den jüdischen Weltbühne-Gründer-Enkel Nicholas Jacobsohn. Kritiker sehen darin einen antisemitischen Code

von Ralf Balke  30.06.2025

Berlin

Mehr Bundesmittel für Jüdisches Museum

Kulturstaatsminister Wolfram Weimer betonte, sichtbares jüdisches Leben gehöre zur Mitte der Gesellschaft

 30.06.2025

Großbritannien

Nach Anti-Israel-Eklat bei Glastonbury: BBC gibt Fehler zu

Ein Musiker wünscht während einer BBC-Übertragung dem israelischen Militär von der Festival-Bühne aus den Tod. Die Sendung läuft weiter. Erst auf wachsenden Druck hin entschuldigt sich die BBC

 30.06.2025

Glastonbury-Festival

Anti-Israel-Parolen: Britischer Premier fordert Erklärung

Ein Musiker beim Glastonbury-Festival in England fordert die Menge dazu auf, Israels Militär den Tod zu wünschen. Der Vorfall zieht weite Kreise

 30.06.2025

Essay

Die nützlichen Idioten der Hamas

Maxim Biller und der Eklat um seinen gelöschten Text bei der »ZEIT«: Ein Gast-Kommentar von »WELT«-Herausgeber Ulf Poschardt

von Ulf Poschardt  29.06.2025